Rezension über:

Silvano Giordano OCD (a cura di): Le istruzioni generali di Paolo V. Ai diplomatici pontifici 1605-1621 (= Edizione promossa dall'Instituto Storico Germanico di Roma), Tübingen: Niemeyer 2003, 3 Bde., 1684 S., ISBN 978-3-484-80163-9, EUR 246,00
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Rezension von:
Tobias Mörschel
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Mörschel: Rezension von: Silvano Giordano OCD (a cura di): Le istruzioni generali di Paolo V. Ai diplomatici pontifici 1605-1621, Tübingen: Niemeyer 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 6 [15.06.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/06/4492.html


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Silvano Giordano OCD (a cura di): Le istruzioni generali di Paolo V

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Obgleich sein Name in meterhohen Lettern im Zentrum der Fassade des Petersdomes prangt, eine der größten innerstädtischen Parkanlagen Roms sowie die in ihrem Herzen befindliche Galerie den Namen seiner Familie tragen und Trastevere noch heute durch eine von ihm erbaute und nach ihm benannte Leitung sein Trinkwasser bezieht, gehört Paul V. Borghese (1605-1621) nicht zu den Päpsten, die in unseren Tagen einem breiteren Personenkreis bekannt sind. Nichtsdestotrotz dürfte sein Pontifikat, das an der Schwelle zwischen Reform- und Barockpapsttum steht und nach demjenigen Urbans VIII. (1623-1644) das zweitlängste in der Frühen Neuzeit ist, mittlerweile zu den besterforschten Pontifikaten überhaupt zählen. So sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Forschungen insbesondere von oder im Umfeld von Wolfgang Reinhard über Paul V. entstanden, die sein Pontifikat vor allem in mikropolitischer Hinsicht systematisch durchleuchteten, sodass wir heute erstaunlich gut über das "Funktionieren" frühneuzeitlicher päpstlicher Herrschaft Bescheid wissen. Einen weiteren gewichtigen Baustein in der historisch-systematischen und zugleich paradigmatischen Aufarbeitung dieses Pontifikates hat nun Silvano Giordano mit seiner Edition der Hauptinstruktionen des Borghese-Papstes vorgelegt. Zugleich wird mit dieser Arbeit eine bislang empfindlich klaffende Lücke in der Edition dieser Quellengattung geschlossen. 1984 hatte sich Klaus Jaitner erstmals systematisch diesem - im Gegensatz zu den Finalrelationen der venezianischen Botschafter - bislang vernachlässigten Quellencorpus zugewandt und seine Maßstäbe setzende Edition der Hauptinstruktionen Clemens VIII. (1592-1605) publiziert [1], 1997 folgten die Hauptinstruktionen Gregors XV. (1621-1623). [2] Mit Giordanos Edition liegen nun für einen Zeitraum von gut 30 Jahren die päpstlichen Hauptinstruktionen vor, sodass vergleichende Untersuchungen zur päpstlichen Außenpolitik auf eine breite Quellenbasis zurückgreifen können.

Die Hauptinstruktionen enthalten grundsätzliche Weisungen Roms an seine Diplomaten vor Beginn ihrer Mission. Sie dienten dem Zweck, die Diplomaten mit ihren Aufgaben und den Verhältnissen ihres neuen Wirkungskreises vertraut zu machen, sie über die Grundzüge der beabsichtigten Politik zu unterrichten und sie über spezielle Geschäfte am jeweiligen Bestimmungsort in Kenntnis zu setzen. Die Hauptinstruktionen geben also Auskunft über Intentionen und Ziele päpstlicher Politik im geistlichen wie im weltlichen Bereich. Sie sind damit eine hervorragende Quelle zu papalem Anspruch und Selbstverständnis, das aber im Zeitalter des Niedergangs römischer Macht und Bedeutung nur in den wenigsten Fällen auch de facto eingeholt werden konnte - die Nuntiaturberichte, die über weite Strecken über genau dieses Scheitern Auskunft geben, sind folglich die unverzichtbare Komplementärquelle zur Beurteilung und Einordnung der Hauptinstruktionen. Unabhängig davon ermöglichen die Hauptinstruktionen aber auch Einblicke in römische Wahrnehmungsmuster, Mentalitäten und Denkweisen. So werden wir beispielsweise en passant informiert, wie man sich in deutschen Gasthäusern der Frühneuzeit zu verhalten hatte und wie es um das "Trinkghelt" bestellt war (1144 f.)

Von den insgesamt 80 Missionen, zu denen Paul V. Diplomaten entsandte, sind 59 Instruktionen erhalten, die sich auf 52 verschiedene Missionen beziehen (für einige Missionen gab es mehrere Instruktionen). Des Weiteren wurden elf Finalrelationen, die nach Abschluss der Mission von den Diplomaten verfasst wurden, sowie acht weitere Dokumente, die im Umfeld des Wirkens der Nuntien entstanden sind, in die Edition aufgenommen, sodass ein umfassendes Bild des breiten Spektrums frühneuzeitlicher päpstlicher Diplomatie entsteht.

Nach einer Auflistung der päpstlichen Diplomaten sowie einer Chronologie der wichtigsten Ereignisse des Pontifikates stellt Giordano in einer knapp 300 Seiten langen Einführung zunächst Herkunft, Aufstieg und Wahl Pauls V. dar. Es folgt ein summarischer Überblick über die wichtigsten Aktionsfelder päpstlicher Außenpolitik sowie über die Religions- und Kirchenpolitik des Pontifex, bezeichnenderweise in genau dieser Reihenfolge. Die Ausführungen Giordanos zu den einzelnen Themenfeldern bleiben zum Teil recht kursorisch, zeigen aber deutlich auf, wie wenig erfolgreich der Pontifex agierte. War Paul V. im großen Konflikt mit Venedig nur knapp an einer Niederlage vorbeigeschrammt, vermochte er auch im ersten Monferratokrieg (1613-1618) trotz der Entsendung von insgesamt drei Sondernuntien wenig zu erreichen, und weder bei der Krise um die Sukzession in Jülich-Kleve noch beim Bruderzwist im Hause Habsburg und den Spannungen im Reich konnte der Papst Erfolge verbuchen. Die Religionspolitik Pauls V. war geprägt von den Bemühungen, die Trienter Reformdekrete ein- beziehungsweise durchzuführen, wurde aber durch zahllose Jurisdiktionsstreitigkeiten sowie Konflikte mit den werdenden modernen Staaten überschattet und beeinträchtigt. Erfolge bei der Zurückdrängung der Protestanten und Türken konnte er nicht verzeichnen, und seine Versuche, die Situation der Katholiken in protestantischen Territorien zu verbessern, blieben ebenfalls vergeblich. Auch theologisch badete der Pontifex gerne lau und konnte sich nicht zu einer Lösung des höchst virulenten Gnadenstreits durchringen, sondern verfügte lediglich eine Einstellung des Disputs.

Anschließend widmet sich Giordano Scipione Borghese, dem Kardinalnepoten Pauls V. und als Vorsteher des Staatssekretariats formal Verantwortlichem für die Außenpolitik und Chef der Nuntien und päpstlichen Diplomaten. Diese werden in 68 kurzen biografischen Skizzen hinsichtlich Herkunft und Karriere vorgestellt. Zusammen mit einer vergleichenden statistischen Auswertung der diesbezüglichen Daten entsteht ein umfassendes Bild des päpstlichen diplomatischen Korps. So waren sämtliche Nuntien Italiener, wobei 40 % aus dem Kirchenstaat und 43 % aus spanischem Einflussgebiet (Genua hinzugerechnet) kamen. Sie hatten durchweg eine juristische Ausbildung und traten im Schnitt mit 45 Jahren ihre erste Mission an, die durchschnittlich vier Jahre und acht Monate dauerte. Immerhin 13 von ihnen wurden Kardinal, weitere 13 übernahmen anschießend Aufgaben an der Kurie, 20 wechselten in Diözesen, aber nur vieren wurden weitere diplomatische Missionen übertragen, während sechs im Amt verstarben.

In ebenfalls 28 Kurzbiografien wird das maßgebliche Personal des Staatssekretariats vorgestellt, nachdem die Entwicklung dieser Behörde zur Herzkammer der Kurie knapp nachgezeichnet worden ist. Obgleich sich Birgit Emichs [3] brillante Arbeit zum päpstlichen Staatssekretariat unter Paul V. im Literaturverzeichnis findet, sind ihre Forschungsergebnisse befremdlicherweise nicht berücksichtigt worden, sodass Giordanos Ausführungen als veraltet angesehen werden müssen. Insgesamt fällt eine irritierende Tendenz zur Ignorierung der neueren Forschungen auf. So erfährt der Leser beispielsweise nichts über die Funktion des Nepotismus im päpstlichen Rom, sondern es entsteht der Eindruck, Kardinal Borghese hätte die ihm übertragenen Ämter auch de facto ausgeübt. Bezeichnenderweise schreibt Giordano mehr über die Villa Borghese als über das System Borghese. Auch die Erträge der Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Rom und Florenz, Ferrara, Genua, Savoyen, Mailand, Neapel und Spanien unter Paul V. hätten dem Herausgeber zum Zeitpunkt des Manuskriptabschlusses zur Verfügung stehen und so manche sachliche Ungenauigkeit und mehr vermeiden helfen können. Dass dies nicht geschah, gereicht dem Gehalt und der Verlässlichkeit der Einleitung nicht gerade zum Vorteil.

Die eigentliche Edition der Hauptinstruktionen folgt den Prinzipien, die Klaus Jaitner in den Vorgängerbänden aufgestellt hat. Zunächst findet sich ein Überblick über die Überlieferungssituation der jeweiligen Instruktion, anschließend werden die Fakultäten aufgelistet und eine Zusammenstellung der gesamten Nuntiaturkorrespondenz gegeben. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Instruktion, die in mehrere thematisch zusammengehörende Abschnitte gegliedert ist, was eine leichtere Orientierung in den bisweilen recht langen Dokumenten ermöglicht. Ein beindruckend kundiger Sach- und Personenkommentar ist den Instruktionen beigefügt. Sehr verdienstvoll und ärgerlich zugleich ist Giordanos wohl erstmals vollständige Auflistung der zugehörigen Nuntiaturkorrespondenzen, da hiermit die äußerst unvollständigen und mitunter falschen Angaben von Semmler [4] endlich der Vergangenheit angehören. Aber warum werden die Archivstandnummern alphabetisch und nicht chronologisch geordnet, und wieso werden keine Folioangaben gemacht, sodass die jeweiligen relevanten Dokumente, die teilweise lediglich einen einzigen Brief umfassen, nun sehr mühsam in den mitunter mehrere hundert Seiten dicken Folianten gesucht werden müssen? Auch hätten die Angaben wesentlich benutzerfreundlicher in tabellarischer Form denn in einem fortlaufenden Text präsentiert werden können. Ein Datenschatz droht hier zum Datengrab zu mutieren.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (allerdings auf dem Stand von 2001) sowie ein sorgfältigst gearbeitetes Sach- und Personenregister, über das sich das Quellencorpus hervorragend erschließen lässt, runden diese grundfleißige und hochsolide Arbeit ab. Trotz der hier monierten Mängel ist Giordano hoher Respekt für seine editorische Leistung zu zollen. Das Deutsche Historische Institut in Rom hat sich durch die Herausgabe der ersten drei Bände der Reihe "Instructiones Pontificum Romanorum" große Verdienste erworben. Es bleibt zu hoffen, dass diese unter dem Dach des DHI (oder eines anderen römischen Instituts, wie ursprünglich angedacht) fortgesetzt wird und sich bald ein Bearbeiter des Mammutprojektes der Hauptinstruktionen Urbans VIII. annimmt.


Anmerkungen:

[1] Klaus Jaitner (Hg.): Die Hauptinstruktionen Clemens' VIII. für die Nuntien und Legaten an den europäischen Fürstenhöfen 1592-1605, Teilbde. 1-2, Tübingen 1984.

[2] Klaus Jaitner (Hg.): Die Hauptinstruktionen Gregors XV. für die Nuntien und Gesandten an den europäischen Fürstenhöfen 1621-1623, Teilbde. 1-2, Tübingen 1997.

[3] Birgit Emich: Bürokratie und Nepotismus unter Paul V. (1605-1621). Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik in Rom, Stuttgart 2001.

[4] Josef Semmler: Das päpstliche Staatssekretariat in den Pontifikaten Pauls V. und Gregors XV. 1605-1623, Roma u. a. 1969.

Tobias Mörschel