Rezension über:

Guido Krey: Gefühl und Geschichte. Eduard Bendemann (1811-1889). Eine Studie zur Historienmalerei der Düsseldorfer Malerschule, Weimar: VDG 2003, 317 S., 2 Farb-, 158 s/w-Abb., ISBN 978-3-89739-332-5, EUR 54,00
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Rezension von:
Ralph Gleis
Köln
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Ralph Gleis: Rezension von: Guido Krey: Gefühl und Geschichte. Eduard Bendemann (1811-1889). Eine Studie zur Historienmalerei der Düsseldorfer Malerschule, Weimar: VDG 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 7/8 [15.07.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/07/4080.html


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Guido Krey: Gefühl und Geschichte

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In der Erforschung des 19. Jahrhunderts ist neben den künstlerischen Avantgarden gerade in den letzten Jahren vermehrt die akademische Malerei ins Zentrum kunstgeschichtlicher Betrachtungen gerückt. Neben einigen Gesamtdarstellungen der vielschichtigen Problematik ist es vielen Einzelstudien zu heute weniger bekannten Künstlern zu danken, dass sich das Bild der Kunst des 19. Jahrhundert grundsätzlich gewandelt hat. Hier reiht sich Guido Krey mit seiner 2001 als Dissertation eingereichten Studie zu Eduard Bendemann (1811-1889) ein, in welcher der Künstler als "charakteristischer Historienmaler der Düsseldorfer Malerschule" (14) untersucht wird. Zwar liegt zur Düsseldorfer Malerschule und einigen herausragenden Künstlerpersönlichkeiten wie zum Beispiel Friedrich Wilhelm Schadow bereits umfangreiche Literatur vor, das Werk Eduard Bendemanns wurde in diesem Kontext allerdings noch nicht ausreichend gewürdigt.

Dem Titel gemäß liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf Bendemanns Düsseldorfer Wirken. Anhand detaillierter Einzelanalysen zu Bendemanns Hauptwerken "Gefangene Juden in Babylon" von 1832, "Zwei Mädchen am Brunnen" von 1833 und "Jeremias auf den Trümmern Jerusalems" von 1835/36 wird der Leser in Theorie und Praxis der Düsseldorfer Historienmalerei der 1830er-Jahre eingeführt. Kenntnisreich setzt Krey Bendemanns Werk mit Bildern weiterer Künstler dieser Schule wie Carl Friedrich Lessing, Julius Hübner oder Theodor Hildebrand in Verbindung.

Vor allem die Hinwendung der Düsseldorfer Historienmalerei zum Gefühl als Bedeutungsträger und die daraus resultierenden Veränderungen in Konzeption und Rezeption des Bildes werden ausführlich thematisiert. Die sich bereits im 18. Jahrhundert abzeichnende Verbürgerlichung des Kunstpublikums rief eine enorm erweiterte Öffentlichkeit des Kunstbetriebs hervor, die in ihrem Bedürfnis nach Erklärung gleichzeitig die Entstehung und Entwicklung der Kunstkritik förderte. Es wurden neue Ansprüche an die Kunst formuliert, welche die traditionelle, auf Idealisierung fußende Historienmalerei in eine Krise stürzten. Krey erkennt in dem "Bekenntnis zum Gefühl als Träger der Bedeutung" (23) eine Strategie zur Begegnung dieser Glaubwürdigkeitskrise des Historienbildes: Mithilfe der Konzentration auf allgemeine Zustände wurde eine Mehrdeutigkeit der Werke unterstützt. So wurde einerseits einem breiten Publikum durch emotionale Integration ein Zugang zum Bild ohne "Bildungsbarriere" (86) und somit eine situative Einfühlung in die Geschichte ermöglicht. Andererseits konnten aber auf einer weiteren Rezeptionsebene auch philosophische, religiöse und tagespolitische Diskurse mit den Bildern verbunden werden, die Krey ebenfalls zu berücksichtigen versucht. Die zu den verschiedenen Deutungsansätzen befragte zeitgenössische Kritik gibt zudem Anlass, mit den Bildern verknüpfte kunsttheoretische Problemfelder aufzugreifen. In diesem Zusammenhang werden etwa die Diskussion um die Auflösung der Gattungshierarchie, die Realismus-Idealismus-Debatte sowie die Fragen der Authentizität und Historizität reflektiert. Die Vielschichtigkeit der untersuchten Problemstellungen bedingt allerdings einen bisweilen additiven Charakter der Unterkapitel und einige gedankliche Einschübe, die es dem Leser manchmal erschweren, dem Argumentationsgang zu folgen.

Den frühen Werken wird mit der "Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft" von 1872, das für das Treppenhaus der neu gegründeten Berliner Nationalgalerie bestimmt war, eine späte Schaffensphase gegenübergestellt. Durch einen ähnlichen Aufbau des Kapitels, das wiederum mit einer eingehenden Bildanalyse und einer Darstellung der Entstehungsgeschichte beginnt, sowie die thematische und motivische Konstanz der ausgewählten Bilder, ist eine gute Vergleichbarkeit von Früh- und Spätwerk gegeben. In der "Wegführung" lässt sich nun eine veränderte Auffassung der Historienmalerei erkennen. Diese wird im Vergleich zu Werken seinerzeit gefeierter Historienmaler wie Wilhelm von Kaulbach und Carl Theodor von Piloty herausgestellt. Schon die thematische Nähe sowie die Konzeption für ein Treppenhaus machen den Vergleich mit Kaulbachs Geschichtszyklus für das Neue Museum in Berlin sinnfällig. Die Auseinandersetzung mit Kaulbach wird an verschiedenen Stadien des Entstehungsprozesses der "Wegführung" plausibel aufgezeigt. Während sich Bendemann die vielen Bewegungsmotive und die Darstellung der "Geschichte als Prozeß" (194) zu Eigen macht, setzt er sich bewusst von der symbolischen Bildsprache Kaulbachs ab. Zugleich sieht Krey im theatralischen Verismus dieser späten Schaffensperiode aber auch eine Annäherung an die Münchener Schule um Piloty mit ihrer illusionistischen Inszenierung von Geschichte vollzogen.

Die neu gewonnene Haltung Bendemanns zur Historienmalerei wird über dies im Verhältnis zur Geschichtswissenschaft, insbesondere zum Historiker Johann Gustav Droysen betrachtet. Dieser hatte als langjähriger Freund, trotz Bendemanns Ablehnung eines allzu sehr von geschichtstheoretischen Überlegungen beeinflussten Kunstbegriffs, einen gewissen Einfluss auf den Künstler geltend machen können. Im Zusammenhang mit Droysens stark christlich geprägtem Geschichtsbild geht es Krey immer auch um die "Analyse der religiösen Dimension von Bendemanns Werk" (24). Er revidiert eine teilweise noch bis heute gängige Rezeption Bendemanns, die ihn auf Grund der jüdischen Herkunft seiner Familie und seiner Themenwahl zu Unrecht als "jüdischen Maler" sieht und auf eine hierauf basierende Deutung reduziert. [1] Krey macht deutlich, dass Bendemann als Christ jüdischer Abstammung vielmehr eine überkonfessionelle Religiosität zum Ausdruck bringen wolle, die Altes und Neues Testament in einem heilsgeschichtlichen Zusammenhang vereint.

Durch die profilierte Gegenüberstellung von Bendemanns frühen Historienbildern mit seinem Berliner Schaffen der 1870er-Jahre, rückt Kreys Vorhaben den "Fortgang der Gattung im 19. Jahrhundert [...] an der Kunst der Düsseldorfer Malerschule" (85) aufzuzeigen, allerdings etwas in den Hintergrund. Zwar wird an dieser Stelle neben Kaulbach und Piloty auch die in deutschen Städten für Furore sorgende Bildertournee von Werken der belgischen Maler Gallait und De Bièfve in den 1840er-Jahren genannt (169ff), möglicherweise hätte aber eine Vorgehensweise, die sich an der Chronologie orientiert, zur leichteren Nachvollziehbarkeit der Entwicklung beigetragen. [2] Denn obschon Krey den Freskenprojekten, die Bendemann fast zwanzig Jahre von 1837 bis 1854 beschäftigen, eine vermittelnde "Scharnierfunktion" (67) zwischen der frühen Düsseldorfer und der späteren Berliner Schaffenszeit einräumt, finden diese nur in den Überlegungen zu Biografie und Arbeitsweise Erwähnung, die dem eigentlichen Hauptteil vorangestellt sind.

Das lesenswerte Buch gibt dessen ungeachtet einen guten Einblick in das Schaffen eines im Rahmen der akademischen Malerei bedeutenden Künstlers, dem zu Lebzeiten höchste Ehrungen zuteil wurden, der aber in der Kunstgeschichte bislang wenig Beachtung erfahren hat. Zudem stellt die Studie auf Grund der Einsichten in die vielschichtigen künstlerischen, freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen sowie der Erkenntnisse zur Historienmalerei auch für die Erforschung der Düsseldorfer Malerschule eine wirkliche Bereicherung dar.


Anmerkungen:

[1] In diesem Kontext verweist Krey auf Börsch-Supan, Helmut: Die deutsche Malerei von Anton Graff bis Hans von Marées 1760-1870. München 1988, 399. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang bei Baumgart, Fritz: Idealismus und Realismus 1830-1880. Die Malerei der bürgerlichen Gesellschaft. Köln 1975. Dieser erklärt zu Bendemanns "Gefangenen Juden in Babylon": "Es ist kein christliches Bild mit alttestamentarischem Inhalt, sondern eine von einem jüdischen Maler geschaffene Darstellung der jüdischen Geschichte." (29).

[2] An dieser Stelle sei auf einige grundlegende Arbeiten zur (profanen) Historienmalerei im 19. Jahrhundert hingewiesen, die den Entwicklungsgang verdeutlichen: Brieger, Peter: Die deutsche Geschichtsmalerei des 19. Jahrhunderts (Kunstwissenschaftliche Studien; 7). Berlin 1930. Zu Bendemann insbesondere 16-17; Hager, Werner: Das geschichtliche Ereignisbild. Beitrag zu einer Typologie des weltlichen Geschichtsbildes bis zur Aufklärung. München 1939; ders.: Geschichte in Bildern. Studien zur Historienmalerei des 19. Jahrhunderts. Hildesheim, Zürich, New York 1989.

Ralph Gleis