Rezension über:

Jeremy Black: Rethinking Military History, London / New York: Routledge 2004, XIV + 257 S., ISBN 978-0-415-27534-7, GBP 13,99
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Rezension von:
Michael Hochedlinger
Österreichisches Staatsarchiv, Wien
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Michael Hochedlinger: Rezension von: Jeremy Black: Rethinking Military History, London / New York: Routledge 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 6 [15.06.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/06/7017.html


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Jeremy Black: Rethinking Military History

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Jeremy Black, Universitätsprofessor in Exeter, zählt zu den wohl produktivsten britischen Historikern der Gegenwart. Seine mittlerweile gewiss an die 50 selbstständigen Publikationen galten ursprünglich in erster Linie der Geschichte der internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit, später auch der Kartografiegeschichte. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt veröffentlicht Black, der sich 1991 mit einem interessanten Beitrag in die Diskussion um das Problem der "Military Revolution" eingeschaltet hat [1], mit breitem chronologischem und geografischem Fokus immer wieder zur Militärgeschichte. [2]

Das hier zur Anzeige gelangende Taschenbuch ist einer der sehr seltenen Versuche britischer Historiker, sich dem Problemkreis Militärgeschichte mit theoretischen, methodischen und wissenschaftsgeschichtlichen Fragestellungen zu nähern. Vielleicht muss über einen ganz selbstverständlichen Sektor der Geschichtswissenschaft und des Buchhandels eben nicht im Übermaß rechtfertigend reflektiert werden. Denn das stark Beharrend-Traditionalistische der britischen Lebensart und damit auch der Wissenschaftslandschaft und das viel eher am "Markt" orientierte wissenschaftliche Publikationswesen verwehren auf den britischen Inseln so manchem in US-Amerika und auf dem Kontinent zum Konzept und Paradigma hoch gelobten Modetrend unserer Disziplin wenn nicht den Einlass, so doch jede dominante Verbreitung. Gleichzeitig florieren anderswo gerne über Bord geworfene "konventionelle" Genres wie etwa die politische Biografie und eine pragmatisch-bodenständige Variante der "Geschichte der internationalen Beziehungen". Auch die Militärgeschichte profitiert von diesem Klima der Unbefangenheit, und zwar nicht notwendigerweise nur die sozialgeschichtlich inspirierte "new military history". Erlaubt ist, was gefällt beziehungsweise gerne gelesen oder zumindest gekauft wird, sodass die Berührungsängste selbst akademischer Autoren mit klassischer "battle history", ausgedehnten "campaign narratives" und Feldherrnbiografien viel weniger stark ausgeprägt sind als in unseren Breiten. Den kontinentalen, insbesondere deutschsprachigen Beobachter mag dies bisweilen verwundern oder gar abstoßen.

Jeremy Black, kein unbedingter Freund, es klingt wiederholt an, einer "entmilitarisierten Geschichte vom Krieg", stellt demgegenüber hohe Ansprüche an seine Leser und brennt ein wahres Feuerwerk an Ideen und Forderungen an eine moderne und globale, auch gegenüber der Kulturgeschichte offene Militärgeschichte ab, dem er durch unzählige Fallbeispiele aus aller Welt zusätzliche Glanzlichter aufzusetzen bestrebt ist. Die Probleme beziehungsweise Unzulänglichkeiten gegenwärtiger, auch "moderner" Militärgeschichte sieht der Autor (IX) unter anderem in ihrer Großmachtfixierung und ihrem Eurozentrismus, also einer Konzentration auf Konflikte Europas und der USA, einer Überbetonung militärtechnischer Aspekte, der getrennten Behandlung von Land- und Seekriegen oder in der Überbetonung zwischenstaatlicher Konflikte gegenüber innerstaatlicher Gewaltanwendung. Immer wieder stellt er den Bezug zu gegenwärtigen Krisenherden, insbesondere zum 2. Irak-Krieg her. Blacks extrem ambitionierter "Forderungskatalog" an eine globale, kulturhistorisch geöffnete und nicht-eurozentrische "neue" Militärgeschichte wendet sich wohl weniger an die empirische Detailforschung als an angehende text-book-Autoren, denen sich das Problem der konkreten Stoffbeherrschung in anderer Weise stellt.

Der schillernde "Feuerwerkscharakter", der auch durch die Kapitel- beziehungsweise Subkapiteleinteilung und die Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Abschnitte nicht wirklich gebändigt wird, entzieht das Buch weitgehend einer detaillierten und geordneten Besprechung. Festzuhalten ist jedenfalls, dass Blacks vor Ideen übersprudelndes Plädoyer auch von jenen mit Gewinn gelesen werden kann, die bescheidenere Ansprüche verfolgen und an eine alles integrierende Militärgeschichte nicht glauben. Besonders lesenswert sind die wissenschaftsgeschichtlichen Kapitel (zumal Kapitel 2), nützlich die dem geografischen und zeitlichen Horizont der Studie entsprechend weit gespannten bibliografischen Hinweise. Der kritische Seitenhieb (XII) auf die gelungene Einführung in die Militärgeschichte von Jutta Nowosadtko [3] ist nicht nachvollziehbar.


Anmerkungen:

[1] Jeremy Black: A Military Revolution? Military Change and European Society 1550-1800, Basingstoke / London 1991.

[2] Unter anderem: Jeremy Black: European Warfare 1660-1815, London 1994; ders.: Cambridge Illustrated Atlas. Warfare. Renaissance to Revolution 1492-1792, Cambridge 1996; ders.: European Warfare 1453-1815, New York 1999; ders.: Warfare in the Eighteenth Century, London 1999.

[3] Jutta Nowosadtko: Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte (= Historische Einführungen; Bd. 6), Tübingen 2002.

Michael Hochedlinger