Rezension über:

Wolfgang Brönner (Hg.): Die Apollinariskirche in Remagen (= Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz. Forschungsberichte; Bd. 7), Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2005, 245 S., ISBN 978-3-88462-201-8, EUR 39,00
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Rezension von:
Julia Benthien
Köln
Redaktionelle Betreuung:
Stefanie Lieb
Empfohlene Zitierweise:
Julia Benthien: Rezension von: Wolfgang Brönner (Hg.): Die Apollinariskirche in Remagen, Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 3 [15.03.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/03/8961.html


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Wolfgang Brönner (Hg.): Die Apollinariskirche in Remagen

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Die Apollinariskirche oberhalb von Remagen - 1839-43 von Ernst Friedrich Zwirner erbaut und in den Jahren bis 1853 durch Mitglieder der Düsseldorfer Malerschule ausgemalt - zählt als Gesamtkunstwerk der Rheinromantik zu den herausragenden, sicherlich bislang nicht genügend beachteten Denkmälern des 19. Jahrhunderts. Starke Schäden erforderten eine umfassende Restaurierung an Bausubstanz und Ausstattung, die seit 1986 durchgeführt wird. Der von Wolfgang Brönner herausgegebene Sammelband "Die Apollinariskirche in Remagen" stellt die Zwischenergebnisse der bisherigen Arbeiten und Forschungen bis 2001 dar. Erstmals werden die frühen Pläne von Zwirner, der Alternativentwurf von Rudolf Wiegmann sowie Großfotos des Malereizyklus' veröffentlicht. Eine Sensation ist die Publikation der verschollen geglaubten Entwürfe Zwirners zu einem Schlossbau auf dem Apollinarisberg, die erst 2001 wieder aufgefunden wurden.

Wolfgang Brönner stellt in seinem Beitrag die Geschichte der Apollinariskirche dar. Er würdigt die Rolle des Bauwerks als Denkmal des Katholizismus im evangelischen Preußen, dessen Stifter Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim als rheinischer Adliger zu einem der engsten Berater Friedrich Wilhelms IV. zählte. Brönner betont die singuläre Stellung der Apollinariskirche in ihrer Zeit, in der noch die Vielgestaltigkeit der neugotischen Architektur wichtiger war als die Stilreinheit, die von der nahezu zeitgleich sich entwickelnden Richtung der dogmatischen Neugotik gefordert wurde. Zwirner war das Poetische, ähnlich wie seinem Lehrer Schinkel, als ästhetische Kategorie in der Architektur bei diesem Neubau wichtiger als die historische Korrektheit eines gotischen Baus, die er bei der Restaurierung des Kölner Doms beachtete. Besonders im Zusammenhang mit dem nicht zustande gekommenen Schlossprojekt auf dem Apollinarisberg, das sich wie die Kirche nicht am historischen Vorbild orientiert, wird dieses Poetische, Märchenhafte sichtbar.

Herbert Dellwing beschäftigt sich mit den Wandmalereien in der Apollinariskirche. Dieser groß angelegte Zyklus wurde in Freskotechnik von den Düsseldorfer Schadow-Schülern Ernst Deger, Andreas und Carl Müller sowie Franz Ittenbach in den Jahren 1843-53 geschaffen. Wenn auch die Architektur der Apollinariskirche von zeitgenössischen Kritikern teilweise abgelehnt wurde, so fand deren Ausmalung große Zustimmung. Erst um 1900 schwand die Wertschätzung des Gemäldeprogramms, das bis heute nicht ausreichend bearbeitet wurde. Dellwing will mit seinem Überblicksaufsatz dazu den Anstoß geben. Er stellt die Entwicklung des Projekts dar. Vermutlich bestand die Idee zur malerischen Ausgestaltung der Kirche bereits zu der Zeit, als Fürstenberg den Apollinarisberg erwarb. Erst die mangelhafte Eignung der bestehenden Kirche ließ ihn einen Neubau ins Auge fassen. Die bereits von Schadow getroffene Disposition zu den Gemälden diente dabei als Richtschnur für die Planung der Wandflächen, und wurde sowohl von Rudolf Wiegmann als auch von Zwirner in den Planungszeichnungen berücksichtigt. Fürstenberg und die Künstler der Apollinariskirche sahen sich als Teil einer Erneuerungsbewegung, welche die erzieherische Wirkung der religiösen Malerei auf das Volk propagierte. Am Ende seines Beitrags wirft Dellwing einige Fragen nach der Ikonografie und der politischen Relevanz der Errichtung der Apollinariskirche auf, und gibt damit Anregungen zu einer weitergehenden Beschäftigung. Dellwings Aufsatz ist reich illustriert mit Entwurfszeichnungen und gut ausgeleuchteten Großaufnahmen der Wandgemälde, die in situ durch die Dunkelheit des Raums kaum zu betrachten sind. Es ist schade, dass bei diesen wichtigen Abbildungen wenig Sorgfalt bei den Bildunterschriften herrscht und die Nennung der einzelnen Künstler fehlt.

Franz Ronigs kundiger Artikel über die Wallfahrt zum Apollinarisberg beleuchtet den möglichen Hintergrund, vor dem der Erwerb der alten Kirche durch Fürstenberg zu sehen ist. Fürstenbergs Absicht war die Wiederbelebung des traditionsreichen Wallfahrtsort. Ergänzend dazu steht Eduard Sebalds Beitrag über den Vorgängerbau der Apollinariskirche, der 1117 zuerst erwähnten Probsteikirche St. Martin, die 1839 abgetragen wurde. Sebald beschreibt den Bau, von dem sich Bauaufnahmen aus der Zeit vor dem Abriss erhalten haben. Sie stand in Abhängigkeit zur Abtei Siegburg. Die Ableitung der Martinskirche von Bauten der Siegburger Gruppe ist leider etwas knapp gehalten.

Den bislang wenig bekannten Stifter der Apollinariskirche, Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim (1797-1859), stellt Dieter Kastner vor. Fürstenberg erlebte als Junge die Befreiungskriege, die ihn zu einem überzeugten Preußen machten, die spätere Ernennung zum preußischen Kammerherrn band ihn an das Königshaus. Vor allem mit Friedrich Wilhelm IV. verband ihn die gemeinsame Begeisterung für das Mittelalter und dessen Kunst. Fürstenberg war tief religiös. Zeit seines Lebens versuchte er, vor allem nach der Verhaftung des Kölner Erzbischofs 1837, zwischen den ultramontanen, katholischen rheinischen Adligen und der preußischen Regierung und dem Königshaus zu vermitteln. Sein politisches Wirken fand eher im Hintergrund statt.

Von Dieter Kastner stammt auch die bemerkenswerte Quellensammlung, die in Form von Regesten den Schriftverkehr des Bauherrn und seines Architekten sowie Rechnungen zum Baugeschehen bringt.

Arnold Wolff erinnert an ein mögliches Vorbild für die Apollinariskirche, Schinkels Alexander-Newski-Kapelle in Schloss Peterhof bei St. Petersburg, die in den Jahren 1831-34 errichtet wurde. Er zeigt Gemeinsamkeiten der beiden Kirchenbauten auf, und äußert die Vermutung, dass der Schinkel-Schüler Zwirner eine genaue Kenntnis der Pläne zu der russischen Kapelle hatte, vielleicht sogar an deren Planung beteiligt war. In diesem Artikel hätte man sich mehr Fotografien der Alexander-Newski-Kapelle gewünscht.

In ihrem Beitrag stellt Barbara Schock-Werner die bislang unbekannten Pläne Zwirners für ein Schloss auf dem Apollinarisberg vor. Wohl von Anfang an hatte Fürstenberg die Idee gehabt, neben der Kirche auch ein Schloss zu errichten. Zwirner legte zwei unterschiedliche Entwürfe vor. Sie stammen aus den Jahren 1853 und 1854 und beinhalten je 7 Pläne. Das an Zwirners Bau in Herdringen erinnernde Projekt kam nicht zu Stande, weil das Bistum Trier die Rückgabe der für die Belebung der Wallfahrt notwendigen Reliquien in eine Schlosskapelle ablehnte. Erst nach dem Verzicht Fürstenbergs auf den Schlossbau konnten die Reliquien zurückkehren. Auch bei diesem Artikel zeigt sich eine gewisse Sorglosigkeit bei den Bildunterschriften. Während im Text die Pläne mit den Inventarnummern genannt sind - ohne Verweis auf eine Abbildung -, fehlen die Inventarnummern bei den Bildunterschriften, was eine schnelle Orientierung verhindert.

Paul-Georg Custodis, der seit fast 20 Jahren die Restaurierungsarbeiten an der Apollinariskirche betreut, leistete mehrere Beiträge zu diesem Sammelband. Sein erster erläutert neue Forschungsergebnisse, die dank der gefundenen Entwürfe Wiegmanns und des ersten Zwirner-Entwurfs für die Kirche sowie der transkribierten Baurechnungen möglich wurden. Custodis beschreibt die Planungsgeschichte der Apollinariskirche und stellt den Wiegmann-Entwurf, der sich eng an der zu ersetzenden Martinskirche und an den Vorgaben Fürstenbergs orientierte, dem ersten Zwirner-Entwurf gegenüber. Die Rechnungen gaben Auskunft darüber, welche Materialien und welche Handwerker von Zwirner eingesetzt wurden. Custodis bringt einen chronologischen Ablauf des Baugeschehens und der Ausstattung der Kirche, ohne auf die Tätigkeiten der vier Maler einzugehen. Andere Artikel Custodis' widmen sich der Verwendung von Gusseisen an der Apollinariskirche, der erst 1884 vor der Apollinariskirche in den Fels gesprengten Gruft der Familie Fürstenberg-Stammheim, der Grabstätte des Bauherrn, und der Geschichte der Außenrestaurierungen, ergänzt um eine chronologische Auflistung des bisher Geleisteten.

Die technische Seite der Restaurierungen der Wandgemälde erläutern die Beiträge von Klaus Häfner, Wolfgang Franz und Nicole Riedl. Häfner bringt die Ergebnisse der Untersuchung eines Teils der Wandgemälde. Er beschreibt das Vorgehen der in der Freskotechnik bis dahin unerfahrenen Maler und die unterschiedlichen Vorgehensweisen der vier Künstler. Erschütternd ist die Restaurierungsgeschichte, die eine Verkettung von technischen Irrtümern - nach heutigem Wissenstand zu urteilen - zu sein scheint. Franz berichtet ausführlich über die im Anschluss an die Untersuchungen geleisteten Maßnahmen. Riedls Beitrag über die Restaurierung der Krypta, in der vier unterschiedliche Fassungen gefunden wurden, beschließt den Aufsatzteil.

Ergänzt wird der Band durch eine große, ausführliche Quellenliste, in der alle Pläne aufgelistet sind. Verweise, welche der Pläne abgebildet sind, hätten diese Auflistung perfekt gemacht.

Trotz der kleinen technischen Mängel ist der vorliegende Band ein wichtiger Beitrag, der viel Material und wichtige Anregungen für eine weitergehende Beschäftigung mit dem Themenkomplex Apollinariskirche bietet.

Julia Benthien