Rezension über:

Jeremy Black: European Warfare, 1494-1660 (= Warfare and History), London / New York: Routledge 2002, xii + 244 S., ISBN 978-0-415-27531-6, GBP 70,00
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Rezension von:
Marian Füssel
Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Marian Füssel: Rezension von: Jeremy Black: European Warfare, 1494-1660, London / New York: Routledge 2002, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 6 [15.06.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/06/2225.html


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Jeremy Black: European Warfare, 1494-1660

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Mit European Warfare 1494-1660 legt Jeremy Black als einer der profiliertesten und produktivsten britischen Militärhistoriker nun eine Überblicksdarstellung zur Militärgeschichte der Zeit zwischen dem Beginn der italienischen Kriege und dem Pyrenäenfrieden vor. Black versteht seine Einführung dabei auch als eine Vorgeschichte seiner Darstellung des Zeitraums von 1660 bis 1815. [1]

Zwei Aspekte zeigen den bereits in anderen Werken Blacks geltend gemachten innovativen Zugriff besonders deutlich. Anders als vergleichbare ältere Darstellungen will Black zum einen von vornherein eine globale Perspektive einnehmen, die weit über den europäischen Rahmen hinausweist und auch die Entwicklung der Kriegführung zu See mit berücksichtigt. Zum anderen versucht er in bewusster Abgrenzung von der so genannten "neuen Militärgeschichte" die militärische Operationsgeschichte wieder stärker mit einzubeziehen. Andernfalls tendiere die durchaus notwendige Betrachtung des Verhältnisses von Militär und Gesellschaft schließlich zu einer ahistorischen "demilitarisation of military history" (vgl. XI). Wie Black in einigen einleitenden Bemerkungen deutlich macht, geht es ihm auch um eine stärkere Berücksichtigung der Pluralität militärischer Entwicklungen, die sich nicht um einen einzigen epochemachenden Prozess wie etwa die militärische Revolution zentrierten, sondern an vielen einzelnen Punkten ansetzten. Des Weiteren fordert er eine stärkere Historisierung von Kategorien wie militärischer Effizienz und warnt vor einem technologischen Determinismus. Der Wandel der Kriegführung sei nicht als simples Ergebnis technischen Wandels zu interpretieren, sondern als komplexes Zusammenspiel von politischen Akteuren und Interessen und den jeweils zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten.

Die Darstellung beginnt mit einer Skizze der kulturellen, sozialen und politischen Kontexte der Kriegführung (4 -31). Konkret umfasst diese unter anderem die generelle "bellizistische" Disposition der Zeit, die Mentalität des Adels, die Rolle der Ehre, Rekrutierungsformen, die Behandlung der Zivilbevölkerung oder das Verhältnis von Krieg und Staatsbildung. Das folgende Kapitel widmet sich mit dem Konzept der militärischen Revolution einem der zentralen Entwicklungsmodelle für den behandelten Zeitraum. Ein Konzept, das seit seiner prominenten Formulierung durch Michael Roberts vor rund 50 Jahren eine Vielzahl von Ergänzungen, Widersprüchen und Erweiterungen erfahren hat. [2] So wurde unter anderem stärker die Rolle der mittelalterlichen Vorläufer der militärischen Revolution betont, indem man etwa die Bedeutung herausarbeitete, die Feuerwaffen bereits im 15. Jahrhundert besaßen, während man gleichzeitig auf die fortdauernde Koexistenz unterschiedlicher älterer und neuerer Waffentypen im 16. Jahrhundert abhob. Insgesamt lässt Blacks Überblick über jüngere Forschungsergebnisse wenig übrig vom Modell der militärischen Revolution, das sich in seiner klassischen Formulierung kaum mehr aufrechterhalten lasse. Wenn überhaupt, sei in späteren Zeiten - beispielsweise zwischen 1680-1730 oder 1792-1815 - von einer Revolution zu sprechen, weniger aber im langen 16. Jahrhundert (48, 206, 213).

In zwei Kapiteln (4 und 9) geht Black dann explizit auf die außereuropäischen Dimensionen der Kriegführung ein. Dies umfasst im Wesentlichen den Ausbau der Osmanischen Herrschaft sowie die spanische und portugiesische Expansion in Asien und Lateinamerika. Politische Allianzen und Machtkonstellation hätten hier oft mehr bewirkt als technologische Überlegenheit. Gerade die Darstellung der osmanischen Expansionspolitik bleibt dabei jedoch meist auf einer rein ereignisgeschichtlichen Ebene stehen.

In drei aufeinander folgenden Kapiteln (5, 6 und 7) widmet sich Black in zeitlichen Abschnitten von jeweils 1494-1559, 1560-1617 und 1618-1660 der Praxis der Kriegführung. Hier wird deutlich, was er unter seinem operationsgeschichtlichen Zugriff versteht, nämlich eine ereignisgeschichtliche Darstellung mit einem besonderen Fokus auf dem Zusammenspiel der einzelnen Waffengattungen und ihrer jeweiligen technischen Möglichkeiten. Fragen nach Kriegserfahrung, Gewalt, Wahrnehmungsmustern etc. sucht man hier vergeblich. Blacks Hauptgegner bleibt der technologische Determinismus; so sei es insgesamt sinnvoller von "military adaption" zu sprechen als von Revolution (96). Ist es im ersten der drei zeitlichen Abschnitte eine frühe Form von Staatsbildung (vor allem Frankreichs), die für eine Intensivierung militärischer Konflikte verantwortlich zeichnet, so wird im zweiten Abschnitt vor allem die Rolle der Konfessionsspaltung betont. Die dritte Phase ist schließlich weitgehend vom Dreißigjährigen Krieg bestimmt, dessen Stellenwert Black jedoch durch die Einbeziehung anderer Konflikte auf den britischen Inseln oder in Osteuropa ein wenig zu relativieren sucht. Für alle drei Phasen wird die zentrale Bedeutung der Kavallerie betont, deren Einsatz in aller Regel entscheidender als das Feuer der Infanterie gewesen sei. Ein eigenes Kapitel wird auch der Seekriegsführung gewidmet. Wenn überhaupt, sei hier von einer militärischen Revolution zu sprechen (194), obwohl auch diese Interpretation angesichts des verstärkten Einsatzes von Kaperschiffen mit Einschränkungen zu versehen sei.

Wer eine komprimierte Darstellung der unzähligen und komplexen kriegerischen Konflikte des Zeitraums im globalen Maßstab sucht, wird in diesem Überblick sicher fündig. Blacks Darstellung kann aus einem immensen Wissensvorrat schöpfen und zeichnet sich durch einen umfassenden Überblick über neuere Forschungen aus. Die Kontextualisierung der zahlreichen räumlich wie zeitlich zum Teil weit auseinander liegenden Beispiele kommt dabei jedoch oft ein wenig zu kurz. Sicher hätten im Rahmen einer Überblicksdarstellung auch weniger Einzelbeispiele ihren Dienst getan, um grundlegende systematische Zusammenhänge aufzuzeigen. Am Ende kommt Black zu der Pointe, dass eine übertriebene Hervorhebung der revolutionären Entwicklungen des Zeitraums sicher auch der symbolischen Aufwertung des eigenen Forschungsgegenstands geschuldet sei (215). Eine Tatsache, welche zumal in einem Buch, das soviel Wert auf die Betonung der symbolischen Ebene der Kriegführung legt, wie das vorliegende, nicht unerwähnt bleiben solle. Gerade eine solche Perspektivierung ist Blacks Darstellung jedoch kaum zu entnehmen. Auch die immer wieder vorgebrachte Betonung der "agency" gegenüber strukturellen Erklärungsmustern klingt zwar viel versprechend, verbleibt aber meist in einer schlichten Reaktivierung der klassischen politisch-militärischen Ereignisgeschichte.


Anmerkungen:

[1] Jeremy Black: European Warfare 1660-1815, London / New Haven 1994.

[2] Michael Roberts: Die militärische Revolution 1560-1660, in: Ernst Hinrichs (Hg.): Absolutismus, Frankfurt a. M. 1986, 273-309.

Marian Füssel