Rezension über:

John F. Donahue: The Roman Community at Table during the Principate, Ann Arbor: University of Michigan Press 2004, XIII + 333 S., 9 tables, 15 fig., ISBN 978-0-472-11389-7, GBP 40,00
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Rezension von:
Dirk Schnurbusch
Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Dirk Schnurbusch: Rezension von: John F. Donahue: The Roman Community at Table during the Principate, Ann Arbor: University of Michigan Press 2004, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7/8 [15.07.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/07/7175.html


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John F. Donahue: The Roman Community at Table during the Principate

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In den letzten Jahren hat das Interesse der Altertumswissenschaft an städtischen Feiern spürbar zugenommen. Es gehört mittlerweile zu den Gemeinplätzen der althistorischen Forschung, dass ihnen eine außerordentliche Bedeutung für die Stiftung eines gemeinsamen Bewusstseins zukam. In diesen Kontext gehört die nun veröffentlichte Dissertation von John F. Donahue, die erstmals das gemeinsame Speisen bei öffentlichen Feiern in Rom und im westlichen Teil des Imperium Romanum thematisiert. Während die städtischen Gastmähler im antiken Griechenland längst Gegenstand der Forschung geworden sind, fehlt bisher eine vergleichbare Studie zu den öffentlichen Banketten im antiken Rom. [1] Dies ist umso erstaunlicher, als in jüngster Zeit den Gastmählern in aristokratischen Häusern und am kaiserlichen Hof verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. [2]

Donahue setzt sich zum Ziel, diese Lücke weitgehend zu schließen. Ihm geht es nicht nur darum, Realienfragen zu klären, sondern auch die sozialen Eigenheiten dieser Feste und ihre Bedeutung im Alltag offen zu legen: "This book is an attempt to explore both of these features of feasting - the practical and the social - as they played themselves out at the dining table during the centuries of Roman imperial history. In the process, I hope to add yet another tessera of understanding to the mosaic of daily life during the Roman Empire and to elucidate further the nature of social interplay within Rome and its surrounding communities" (1 f.). Konkret kündigt er an, nach Ausrichtern und Gästen dieser Gastmähler, nach den Orten, an denen sie stattfanden, sowie nach ihren sozialen Funktionen und ihrem Symbolgehalt zu fragen. Damit ist ein ambitioniertes Vorhaben formuliert, zumal sich Donahue nicht auf eine Untersuchung der öffentlichen Gastmähler in Rom beschränkt, sondern auch die in den Städten der westlichen Provinzen der ersten vier Jahrhunderte n. Chr. in den Blick nimmt.

Zunächst widmet sich Donahue terminologischen Fragen. Als Terminus technicus für das Dinieren in der Öffentlichkeit identifiziert Donahue den lateinischen Begriff epulum, während die Begriffe cena und convivium in der Regel häusliche Bankette - im Kreise der familia oder geladener Gäste - bezeichneten. Eindeutig und ausschließlich kann er das Vokabular allerdings nicht zuordnen, sodass es schwierig bleibt, im Einzelfall zu entscheiden, welche Form von Gastmahl gemeint sein könnte.

Die eigentliche Analyse gliedert sich in vier Abschnitte. Donahues Aufmerksamkeit gehört zuerst der ausführlichsten Schilderung eines solchen Banketts in der antiken Überlieferung. In den Saturnalia beschreibt Statius ein städtisches Gastmahl, zu dem Kaiser Domitian in das Kolosseum lud. Ausgehend von Statius' Bericht stellt Donahue Fragen nach der sozialen Komposition der Teilnehmer und ihrer Hierarchisierung, der Wege der Nahrungsmittelbeschaffung und -distribution, schließlich nach der Wahl der Festorte und Speisen.

Gegenstand des zweiten Abschnitts ist die Genese des städtischen Gastmahls. Auf einigen wenigen Seiten werden eingangs Eigenheiten des gemeinsamen Speisens im antiken Griechenland angesprochen: den prinzipiellen Ausschluss von Frauen, die spartanischen Syssitien oder die mit solchen Festen verbundenen Euergesien. Donahue urteilt, dass ihre Bedeutung vor allem darin bestand, die gemeinsame Teilhabe an der Polis zum Ausdruck zu bringen. Umfangreicher skizziert er, wie sich das öffentliche Bankett im republikanischen Rom entwickelt hat. Er betont die Wichtigkeit des Festkalenders und der verschiedenen nicht religiösen Feste, bei denen die Bürgerschaft die Tafel teilen konnte: die Feiern des Triumphes etwa oder von Begräbnissen. Nach Donahue markiert vor allem das epulum, das Caesar anlässlich seines Triumphs im Jahre 46 v. Chr. abhalten ließ, eine Zäsur in der Geschichte des öffentlichen Banketts: In seiner Quantität überstieg es erstmals das bisher Übliche.

Der römischen Kaiserzeit widmet sich Donahue im dritten Kapitel. Zunächst verfolgt er die Entwicklung der kaiserlichen convivia im ersten Jahrhundert n. Chr. Wie sich die einzelnen Kaiser bei diesen Gelegenheiten verhielten, wurde bereits von antiken Historiografen als Ausdruck ihres jeweiligen Charakters und Herrschaftsverständnisses interpretiert. Während sich Augustus noch in Bescheidenheit übte, war die Tafel seiner Nachfolger zunehmend von Extravaganz und Luxus geprägt. Hinsichtlich der öffentlichen Gastmähler stellt Donahue fest, dass die Kaiser ihre Ausrichtung monopolisierten und sich damit für die Versorgung der stadtrömischen Bevölkerung allein verantwortlich zeigten. Für andere Aristokraten hingegen wurden die Möglichkeiten stark beschränkt, öffentliche Bankette zu veranstalten und sich damit in der Stadt zu profilieren.

Auf epigrafischer Grundlage untersucht Donahue im vierten Abschnitt die öffentlichen Bankette in Landstädten im Westen des Imperium Romanum. Es gelingt ihm, als Ausrichter oder Teilnehmer städtischer Feste verschiedene Gruppen - Dekuriones, Augustales, Collegia, Frauen und Kinder sowie Bürgerschaften im Ganzen - zu profilieren und den Grad ihrer Beteiligung offen zu legen. Donahue kann zeigen, welche große Bedeutung dem gemeinsamen Mahl im städtischen Leben dieser Landgemeinden Italiens, Spaniens und Nordafrikas zukam.

Ein umfangreicher Anhang beschließt die Arbeit. In ihm sind 316 Inschriften abgedruckt und knapp kommentiert, die Donahue als Interpretationsgrundlage des vorgenannten Kapitels dienen. Sie werden durch ausführliche Personenregister erschlossen.

Donahue kommt das Verdienst zu, als Erster ein wichtiges Thema der römischen Kultur- und Sozialgeschichte aufgegriffen zu haben, dem auch in anderen Forschungskontexten große Bedeutung zukommt. Dem hohen Anspruch, der in der Einleitung formuliert wird, kann er allerdings nicht gerecht werden. Angesichts der Unbestimmtheit des lateinischen Vokabulars, die Donahue selbst einräumt, wäre es notwendig gewesen, Kriterien zu benennen, die eine Unterscheidung zwischen häuslichen und öffentlichen Gastmählern erlaubt hätte. Warum etwa die von Seneca in einem seiner Briefe (epist. 95, 41) erwähnte cena aditialis kein "öffentliches Gastmahl" sein soll, wie Donahue auf Seite 80-82 postuliert, während an anderer Stelle Inaugurationsbankette selbstverständlich zu ihnen gezählt werden, ist nicht nachvollziehbar. Donahues Konzentration auf die Manifestation sozialer Ungleichheiten führt zudem zu einem schiefen Bild: Schließlich leisteten öffentliche Bankette einen wichtigen Beitrag zur Integration der Bürgerschaft. Insgesamt verpasst es seine Studie, an andere Untersuchungen zum römischen Gastmahl anschlussfähig zu bleiben: Die nahe liegende Frage nach dem Verhältnis zwischen städtischen und häuslichen Banketten kommt Donahue nicht einmal in den Sinn - obwohl sich seine Ausführungen häufig gar nicht auf öffentliche Gastmähler beziehen, sondern auf häusliche. Erstaunlich ist, dass längst einschlägige Forschungsliteratur ungenannt bleibt. [3] Auch ist das Fehlen eines Quellenregisters bedauerlich, das es ermöglicht hätte, die Besprechung der im Anhang gesammelten Inschriften im Text aufzufinden.

Eine klarer formulierte Fragestellung, eine feinere zeitliche Differenzierung, ein Verzicht auf eine methodisch zweifelhafte quantitative Auswertung eines Korpus von 316 Inschriften, auf wenig aussagekräftige Vergleiche zu zeithistorischen Banketten und ähnlichen Formen der Interaktion in griechischen Gemeinwesen, schließlich eine stärkere Profilierung des eigenen Untersuchungsgegenstandes im Vergleich etwa zu häuslichen Banketten hätten der Studie gut getan.


Anmerkungen:

[1] Vgl. etwa P. Schmitt-Pantel: La cité au banquet. Histoire des repas publics dans les cités grecques, Rom 1992; M. Wörrle: Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Stiftung aus Oinoanda, München 1988.

[2] K. Vössing: Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München / Leipzig 2004; E. Stein-Hölkeskamp: Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005; D. Schnurbusch: Das Gastmahl römischer Aristokraten. Ablauf und politisch-soziale Bedeutung aristokratischer Geselligkeit in der römischen Antike, Diss. Bielefeld 2005.

[3] F. Bernstein: Ludi publici. Untersuchung zur Entstehung und Entwicklung der öffentlichen Spiele im republikanischen Rom, Stuttgart 1998; J. Bleicken: Lex publica. Gesetz und Recht in der späten Republik, Berlin 1975; E. Baltrusch: Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit, München 1989; A. Winterling: Aula Caesaris. Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus, München 1999; C. E. Newlands: Statius' Silvae and the Poetics of Empire, Cambridge 2002.

Dirk Schnurbusch