Rezension über:

Frank Uekötter: The Green and the Brown. A History of Conservation in Nazi Germany (= Studies in Environment and History), Cambridge: Cambridge University Press 2006, xv + 230 S., ISBN 978-0-521-61277-7, GBP 14,99
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Rezension von:
Bernhard Stier
Institut für Geschichte, Campus Koblenz, Universität Koblenz-Landau
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Stier: Rezension von: Frank Uekötter: The Green and the Brown. A History of Conservation in Nazi Germany, Cambridge: Cambridge University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/9490.html


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Frank Uekötter: The Green and the Brown

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Das Hauptanliegen Uekötters besteht darin, das Verhältnis von Naturschutz und NS-Bewegung auf ideologischer wie auf praktisch-politischer Ebene genauer zu bestimmen. Die in der Forschung teilweise postulierte, von ihm jedoch in Frage gestellte enge Verwandtschaft oder sogar Übereinstimmung sieht er vor allem als Ergebnis einseitiger Hypothesenbildung, partieller bzw. oberflächlicher Lektüre der entsprechenden Autoren und mangelnder empirischer Beweisführung. Dem stellt das Buch die These entgegen, zwischen beiden Bewegungen würden überwiegend nur lockere ideologische Parallelen bestehen; zudem hätten die Naturschützer selbst keine einheitliche "grüne Gruppierung" dargestellt, sondern seien in diverse Akteure zerfallen. Dass die Naturschutzbewegung generell für den Nationalsozialismus anfällig gewesen sei und mit dem NS-Herrschaftssystem zumindest partiell erfolgreich kooperiert habe, steht dabei jedoch außer Frage.

Erklärt wird diese Anfälligkeit durch die Herkunft und den ideologischen Gehalt der Naturschutzbewegung. In diesem Rückgriff auf die epochenübergreifende Kontinuitätslinie liegt ein wesentliches Verdienst der Arbeit. Uekötter verortet die Entstehung des Naturschutzes im Umfeld der antimodernistischen Sozialromantik um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die zunächst diffuse und deshalb erfolglose Bewegung entfaltete erst in einer zweiten Welle gegen Ende des Jahrhunderts größere Wirksamkeit, aber auch da blieben die "pluralistische" Struktur (19) der Ideologie und der Ziele, der Individualismus sowie die regionale Orientierung der einzelnen Vereine und Verbände prägend. Verbindende Elemente auf naturschutz-spezifischer wie auf allgemein-politischer Ebene bildeten der Leitbegriff "Heimat" mitsamt seines kulturellen und sozialen Gehalts, Anti-Materialismus und Zivilisationskritik, Staatsorientierung sowie ein gemäßigter reichsdeutscher Nationalismus. Darüber hinaus scheint es kaum möglich, die Bewegung auf einen einheitlichen politischen Nenner zu bringen. Vor allem macht Uekötter nur in Einzelfällen radikale Elemente aus dem Kontext des rassisch-völkischen Denkens aus. Auch als nach 1918 Radikalnationalismus, Antisemitismus, Antimodernismus und Antiparlamentarismus verstärkt Einzug in die Naturschutzbewegung hielten, blieb die Bewegung, gemessen an den Maßstäben der Zeit, insgesamt vergleichsweise gemäßigt und unterschied sich hinsichtlich ihrer politischen Ziele deutlich von der extremen Rechten. Eine Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und NS-Bewegung vor 1933 lässt sich nur im Fall von Paul Schultze-Naumburg, des Gründers des Bundes Heimatschutz, nachweisen, der im NS-Kampfbund für deutsche Kultur eine prominente Rolle spielte. In wesentlichen Punkten (Autarkie- und Agrarpolitik; Rolle der Technik; darwinistisches vs. artenschützerisches Naturverständnis) bestanden zudem erhebliche inhaltliche Differenzen.

Allerdings erfolgte innerhalb der Naturschutzbewegung weder eine kritische Auseinandersetzung mit den einsickernden reaktionären, rassistischen und nationalsozialistischen Ideen, noch wurde nach 1933 das NS-Herrschaftssystem in irgendeiner Weise in Frage gestellt. Trotz der relativen ideologischen Distanz kam es in der Praxis zu einer intensiven Kooperation zwischen Naturschutzbewegung und den Institutionen des NS-Systems. Sie basierte auf den vor 1933 entwickelten Handlungsmustern und -strukturen im Umgang mit staatlichen Institutionen. Dass die Anstrengungen der im "Reichsbund Volkstum und Heimat" gleichgeschalteten Naturschützer zunächst aber ebenso erfolglos blieben wie in der Weimarer Zeit, führt Uekötter auf einen grundlegenden Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Autarkiebewegung bzw. der Forderung nach Intensivierung der Landwirtschaft, auf die skizzierten ideologischen Differenzen sowie auf das kaum ausgeprägte, bloß verbale oder folkloristische Interesse der NS-Führung zurück. Auch das maßgeblich auf Görings Intervention zustande gekommene Reichsnaturschutzgesetz (26. 6. 1935), das den umfassenden Landschaftsschutz als verpflichtendes Ziel etablierte und in der Entschädigungsfrage den verpflichtenden Charakter des Eigentums massiv betonte, interpretiert Uekötter eher als ideologische Bemäntelung. Auch wenn die Naturschützer es als Durchbruch sahen, änderte es - zumal mit beginnender Aufrüstung - nichts am Primat der Ökonomie.

Die Praxis des Naturschutzes, sein Alltagsgeschäft im Mit- und Gegeneinander von Reichsbund, lokalen bzw. regionalen Institutionen und der zuständigen Dienststellen von Partei und Staat, daneben auch die realen Hinterlassenschaften der NS-Zeit in der Landschaft (Autobahnbau, Obersalzberg) schildert Uekötter in ihrer generellen Entwicklung bis 1945 sowie an vier konkreten Beispielen. Die Fallstudien über den Schutz des Hohenstoffeln im Hegau, über das Naturschutzgebiet Schorfheide, die Emsregulierung sowie die Wutachschlucht im südlichen Schwarzwald sollen die Möglichkeiten und Grenzen naturschützerischen Engagements anschaulich machen. Sie zeigen nochmals, dass die generell positive Bewertung des Anliegens durch die NS-Institutionen nicht zwingend zu tatkräftiger Unterstützung führen musste, dass das Interesse am Naturschutz nur sporadisch und vor allem dort anzutreffen war, wo es ideologiekonform erschien und gleichzeitig andere Ziele nicht in Frage stellte, ja dass rhetorisches Engagement und praktisches Unterlaufen der Naturschutzziele Hand in Hand gehen konnten.

Dementsprechend differenziert fällt die Bilanz (208ff.) aus. Sie macht nochmals deutlich, dass Naturschutz und Nationalsozialismus nicht a priori gleichzusetzen sind - und soll damit auch die heutige Ökobewegung ein Stück weit von dieser unbequemen Erblast befreien. Zuzustimmen ist der Kritik an einer pauschalen Verdammung positiver Innovationen, die aus einem belasteten Kontext stammen, ebenso der Forderung, die ideologischen Grundlagen des Naturschutzes differenzierter zu untersuchen. Das würde z. B. deutlich machen, dass der Begriff Heimat weder eine Erfindung der Nazis noch einen Kernbestand der NS-Ideologie darstellte, sondern aus einer älteren Tradition stammte und 'nur' zur Popularitätssteigerung des Regimes benutzt wurde. Aber gerade diese Instrumentalisierbarkeit macht den Naturschutz insgesamt eben doch zu einem Paradebeispiel dafür, wie eine Bewegung Teil des Nationalsozialismus werden konnte, ohne dass sie sich vollständig mit der NS-Ideologie identifizierte.

Bernhard Stier