Rezension über:

Susanne Gesser / Heike Kraft: Anschauen-Vergleichen- Ausprobieren. Historisches Lernen in Kinder und Jugendmuseen (= Museum Konkret), Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, 160 S., ISBN 978-3-89974-223-7, EUR 13,40
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Rezension von:
Heike Kreutzer
Bergisch Gladbach
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Heike Kreutzer: Rezension von: Susanne Gesser / Heike Kraft: Anschauen-Vergleichen- Ausprobieren. Historisches Lernen in Kinder und Jugendmuseen, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/12682.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Geschichtsdidaktik" in Ausgabe 7 (2007), Nr. 10

Susanne Gesser / Heike Kraft: Anschauen-Vergleichen- Ausprobieren

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Museen haben die Aufgabe zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln. Auch die bisher in der Allgemeinheit zu wenig bekannten und berücksichtigten Kindermuseen halten an der Trias von Sammeln, Erforschen, Vermitteln fest, jedoch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. So steht der Aspekt der Vermittlung hier im Mittelpunkt.

Der von Susanne Gesser und Heike Kraft gestaltete Band "Anschauen, Vergleichen, Ausprobieren. Historisches Lernen in Kinder- und Jugendmuseen" zeichnet, orientiert an einer Pädagogik vom Kind aus, die Erfolgsgeschichte der Kindermuseen in unterschiedlichen Kontexten nach.

Der Band ist klar strukturiert: Der Begriff Kindermuseum wird definiert, die Entstehung der Kinder- und Jugendmuseen vor dem Hintergrund der Geschichte der Museen und der Pädagogik dargestellt. Einerseits verlieren sich die Autorinnen dabei nie in historischen Einzelheiten, sondern benutzen die Geschichte gleichsam als Folie, um die Querverbindungen zwischen der Geschichte der Museen und der Pädagogik für den Leser erkennbar zu machen. Andererseits ist das Buch zu keinem Zeitpunkt theorielastig. Vielmehr stehen die praktischen Tipps im Vordergrund, sei es "zur Nutzung eines Kindermuseums für den Unterricht, zur Realisierung von Ausstellungen, zu Fragen der Architektur und zur Vorgehensweise von Gründungsinitiativen". (9) Der Band wird durch ein Verzeichnis der existierenden Kinder- und Jugendmuseen in Deutschland und der Schweiz mit Kontaktdaten und Hinweisen auf Öffnungszeiten komplettiert.

Die Autorinnen sind Fachfrauen aus der Praxis. Das kommt dem Buch zugute. Es ist sehr informativ und gut zu lesen. Anhand von vielen Beispielen wird die Arbeit für und in den Kinder- und Jugendmuseen für den Leser konkret veranschaulicht.

An der einen oder anderen Stelle hätte man sich vielleicht eine ausführlichere Einbindung in den wissenschaftlichen Kontext der Museumspädagogik bzw. der Kunst- und Geschichtsdidaktik gewünscht. Dieser Bezug wird nur an einer Stelle im Buch hergestellt (48). Und: Statt die methodischen und didaktischen Prämissen der Kindermuseen zu erläutern, werden sie lediglich postuliert. "Den Kindermuseen mit ihren besonderen didaktischen und methodischen Prämissen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu."(48) Nur in diesem Zusammenhang und in dem als Ausblick gehaltenen letzten Kapitel des Buches fällt der Begriff des "historischen Lernens" (48, 96). Den Begriff "Handlungsorientierung", der sich gerade in den letzten Jahren zu einem viel diskutierten Prinzip und einer Methode des historischen Lernens entwickelt hat, sucht der informierte Leser vergeblich.

Andererseits: Die wissenschaftliche Kürze gereicht vielleicht zum Vorteil. Statt ermüdender wissenschaftlicher Exkurse behandeln die Autorinnen diese Metaebene implizit beschreibend. So ist der Titel des Buches "Anschauen, Vergleichen, Ausprobieren" gewissermaßen als Motto zu verstehen. Wie eingangs erwähnt, ist es das Ziel der beiden Herausgeberinnen sowohl die Errungenschaften der Kinder- und Jugendmuseen nachzuzeichnen, als auch mit ihren praktischen Tipps nachhaltig dafür zu sorgen, dass es auch in Zukunft zu Erfolgen kommen wird; dabei verlieren Sie die Kinder als ihre Zielgruppe aber nie aus den Augen.

Allerdings nehmen sie durchaus auch eine kritische Sicht auf die praktische Umsetzung von Kindermuseen ein (59-65). Als Hauptkritikpunkt halten sie die mangelnde oder falsch verstandene Partizipation der Kinder fest. Die Museen würden damit oft ihrem Anspruch nicht gerecht werden. Das Recht der Kinder auf die Teilhabe an einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Kinderkultur sei dadurch eingeschränkt. Die Autorinnen geben wertvolle Tipps, wie Partizipation gelingen kann. Sie sind davon überzeugt, dass "der Ausgangspunkt jedes Kindermuseums von den Kindern her zu sehen ist, und dies meint wiederum: Kinder sind selbst produktiv wirklichkeitsaneignende, kulturell innovative Personen, denen nicht vordiktiert werden muss, was sie zu werden haben und welchen Beitrag ein Kindermuseum für sie leisten könne". (96)

Die Autorinnen bleiben sich treu und werden so ihrem eingangs formuliertem Anspruch gerecht, für Pädagogen, Multiplikatoren und interessierte Museumsleute einen Praxisleitfaden zu verfassen. Sie haben damit das Ziel der Reihe "Museum konkret" mehr als erfüllt. Der vorliegende Band gibt wichtige Hinweise für einen schülerzentrierten und -orientierten Geschichtsunterricht und weist Wege auf, wo und wie die Zusammenarbeit zwischen Schule und Museum für alle Beteiligten lebendiger gestaltet werden kann. Es ist zu wünschen, dass die Autorinnen sich in der Zukunft an die Veröffentlichung einer umfassenden Publikation für Kinder über die Geschichte der Museen und speziell der Kindermuseen wagen, die bislang noch ein Desiderat darstellt.

Heike Kreutzer