Rezension über:

Annette Kanzenbach: Der Bildhauer im Porträt. Darstellungstraditionen im Künstlerbildnis vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (= Kunstwissenschaftliche Studien; Bd. 139), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, 432 S., 170 Abb., ISBN 978-3-422-06698-4, EUR 68,00
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Rezension von:
Susanne Gierczynski-Richter
Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Susanne Gierczynski-Richter: Rezension von: Annette Kanzenbach: Der Bildhauer im Porträt. Darstellungstraditionen im Künstlerbildnis vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/02/14839.html


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Annette Kanzenbach: Der Bildhauer im Porträt

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Bildhauer, die von ihren Malerkollegen porträtiert wurden, sind selten bei der Arbeit und vielmehr mit handfesten Arbeitsergebnissen posierend wiedergegeben worden. Dieser Eindruck entstammt dem Bildteil der vorliegenden Publikation von Annette Kanzenbach "Der Bildhauer im Porträt", erschienen im Deutschen Kunstverlag, München, Berlin 2007.

Hat die kunsthistorische Forschung dem neuzeitlichen gemalten Bildhauerporträt nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt (13), so nimmt sich Kanzenbach in ihrer Dissertation dieses Desiderates an und listet nicht weniger als 450 Bildnisse von Bildhauern, von der Renaissance bis zu den klassizistischen Bildnissen des berühmten dänischen Bildhauers Berthel Thorvaldsen (1770-1844).

Als zentrale Leistung der Arbeit darf - neben der enormen Sammelleistung über englische, deutsche, dänische, französische, russische und spanische Grenzen hinweg - der Anspruch einer Ordnung des zugrunde liegenden opulenten Bildmaterials in vier unterschiedliche Darstellungsmodi gelten. Signifikant ist demzufolge der Porträttypus, in dem der Dargestellte die Hand auf einen Skulpturen-Kopf legt und mittels dieser Geste die "Körperhaftigkeit der Skulptur" demonstriert (20). Hält der Dargestellte - im zweiten Modus - in der Hand eine "kleine Figur", so gilt die Charakterisierung des Bildhauers als "Modelleur" (21). Beide Varianten sind für das 16. Jahrhundert nachweisbar. Als dritte und vierte Variante schließen sich die Kennung des Bildhauers durch die Darstellung seines Arbeitsplatzes und durch die Darstellung berufsspezifischer Werkzeuge an. In einer "relativ offenen Präsentationsweise 'mit Skulptur im Hintergrund'" (21), so die Autorin, werden die Werkzeuge wiederholt entscheidend für die Entdeckung der Profession des Dargestellten. Schließlich wird jenen Bildnissen ein eigenes Kapitel gewidmet, die innerhalb eines erweiterten ikonografischen Musters mit einer Porträtbüste wiedergegeben werden oder "ungewöhnliche Lösungen" bei der Darstellung eines Bildhauers im Bild anbieten (21).

Bei der Frage nach den "Modi der Bildhauerdarstellung in der Malerei" (13) geht es Kanzenbach um "berufsspezifisch inszenierte Porträts" (20), die den Dargestellten deutlich über Gesten oder Attribute in seiner Funktion als Bildhauer ausweisen. So grundlegend der motivische Anlass ist, so wenig gelingt es der Autorin im Verlauf der Arbeit, gedanklich aus diesem Identifizierungsschema auszusteigen und sich von rein katalogisierenden hin zu interpretierenden Ansprüchen zu entwickeln.

Im Rahmen eines interpretierenden Ansatzes hätte sich die Frage nach dem künstlerischen Selbstverständnis dieser als "berufsspezifisch inszenierten" Porträts angeboten, was im Kontext des Oberbegriffs "Künstlerporträt" Aufschlüsse gegeben hätte. Auch die Frage nach dem Anlass des Auftrags, den Kanzenbach gegen Ende der Untersuchung benennt, hätte ein methodisches Ordnungskriterium hergegeben - denn: "in der Mehrzahl [der Bildhauerporträts handelt es sich] um Freundschaftsgeschenke oder um Akademieaufnahmestücke" (335).

Bei einer umfangreichen Bestandsaufnahme wie der vorliegenden, bedarf es zwangsläufig einiger methodischer Standards. Ohne diese sieht sich der Leser mit der nicht geringen Aufgabe konfrontiert, ein umfangreiches Material seiner Uferlosigkeit zu entreißen, um irgendeinen Sinn und inhaltlichen Zusammenhang herzustellen - was Aufgabe der Autorin gewesen wäre. Stattdessen erscheinen zentrale Äußerungen zur Methodik wie beiläufig in den Text gestreut und verweisen zudem auf schwer nachvollziehbare Wechsel bei der Herangehensweise an das Bildmaterial: "Die große Zahl der überlieferten Bildnisse [für den Zeitraum zwischen 1710 und 1810] macht es notwendig, in deren Vorstellung anders als bisher vorzugehen", so die Autorin. "Die einzelnen Stücke werden nun unter ikonographischem Aspekt überschaubar zu Gruppen zusammengefasst und innerhalb dieser Gruppierung insgesamt knapper besprochen. Das geschieht wiederum chronologisch, gelegentlich aber auch unter regionalen Gesichtspunkten oder anhand motivischer Details." (59) Schließlich sei die Untersuchung eine "typologische" und müsse "unbedingt auf die soweit als möglich vollständige Sammlung und Besprechung des überlieferten Materials bedacht sein" (336). Die Arbeit bleibt im Dickicht des Anspruches einer umfassenden Bestandserhebung verstrickt, wodurch das jeweilige Bildhauerporträt seine motivische und stilistische Akzentuierung einbüßt und statt dessen zu einem schlichten Beleg mal ikonografischer, dann typologischer Beweisführung gerät, um schließlich, ungeachtet jeder Qualitätsprüfung, in den Fundus des sammelnden Kunsthistorikers zu gelangen.

Das Verdienst dieser Untersuchung ist, eine Bildnisgattung, nämlich das Bildhauerporträt, ins Licht gerückt zu haben, die bislang wenig erforscht und präsentiert wurde. In bewährter Ausstattung hat sich der Deutsche Kunstverlag der Publikation angenommen. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit hätten Material und Schreibstil komprimiert und präzisiert und die Konzeption der Arbeit einer klareren Methodik unterworfen werden müssen.

Susanne Gierczynski-Richter