Rezension über:

Anne Dunan-Page / Marie-Christine Munoz-Teulié: Les Huguenots dans les Îles britanniques de la Renaissance aux Lumières. Écrits religieux et représentations (= Vie des Huguenots; 43), Paris: Editions Honoré Champion 2008, 266 S., ISBN 978-2-7453-1675-2, EUR 45,00
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Rezension von:
Susanne Lachenicht
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Susanne Lachenicht: Rezension von: Anne Dunan-Page / Marie-Christine Munoz-Teulié: Les Huguenots dans les Îles britanniques de la Renaissance aux Lumières. Écrits religieux et représentations, Paris: Editions Honoré Champion 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 9 [15.09.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/09/14554.html


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Anne Dunan-Page / Marie-Christine Munoz-Teulié: Les Huguenots dans les Îles britanniques de la Renaissance aux Lumières

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Nachdem Anne Dunan-Page bereits 2006 einen Teil der Vorträge der internationalen Tagung "Les Huguenots dans les îles britanniques et les colonies américaines, 1550-1789" (Montpellier März 2004) publizierte [1], hat sie nun gemeinsam mit ihrer Ko-organisatorin Marie-Christine Munoz-Teulié einen vor allem französischsprachige Tagungsbeiträge umfassenden zweiten Sammelband herausgebracht.

Das Vorwort zum vorliegenden Band ist von keinem Geringerem als dem französischen Theologen und anerkannten Spezialisten des Refuge Hubert Bost (EPHE, Paris) verfasst, der etliche Jahre das Institut Protestant de Théologie in Montpellier leitete, welches wiederum gemeinsam mit Dunan-Page und Munoz-Teulié für die Organisation der hochkarätig besetzten Tagung verantwortlich zeichnete.

Entsprechend den Forschungsinteressen der beiden Herausgeberinnen vereint "Les huguenots dans les îles britanniques" etliche Beiträge von Vertretern der englischen Philologie. Dass die beiden Herausgeberinnen selbst nicht Spezialisten des Refuge sind, zeigen Fehleinschätzungen wie etwa "On compte, au nombre des pays protestants qui leur [den Hugenotten] font bon accueil, l'Angleterre, désireuse d'aider des compagnons dans la foi d'une part et de tirer par ailleurs un profit économique de l'apport de travailleurs expérimentés et qualifiés [...]" (20). Eine profunde Kenntnis der bereits Jahrzehnte alten Forschungen von Tagungsteilnehmern wie Robin D. Gwynn etwa oder die Beachtung der 2008 erschienenen Dissertation von Ulrich Niggemann [2] hätten diese (und andere) doch etwas naive(n) Aussage(n) verhindern helfen können.

Im ersten Teil des Bandes, "Refuge et Culture", beschäftigt sich Marie-Claude Tucker mit den "Emblèmes ou devises chrétiennes", d.h. mit hugenottischer Kalligraphie im englischen Refuge der Mitte des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts. Sie ordnet die Manuskripte von Georgette de Montenay und Esther Inglis in Prozesse des intellektuellen Transfers in diesem so genannten ersten Refuge ein. Allerdings bleibt die Studie in vielen Bereichen positivistisch und gliedert den minutiösen Vergleich der Manuskripte nicht in den politischen und kulturellen Kontext ein. Auch Richard Hillmans Studie zu Christopher Marlowes "The Massacre at Paris (ca 1593)" bleibt sehr stark dem literarischen Vergleich verhaftet. Ganz anders Laurent Bérec in seinem Beitrag zu einem kulturellen Mittler des ersten Refuge, dem Linguisten, Sprachlehrer und Begründer privater Sprachschulen in London Saliens: Bérec kann an diesem Beispiel für die hugenottische pädagogische Tradition im Refuge typisch werdenden Elemente des Kulturtransfers in der Diaspora aufzeigen.

Mit dem zweiten Teil "Refuge et Controverses" wenden sich Christine Ronchail in ihrem Beitrag "La famille Du Moulin et la monarchie anglaise de Jacques Ier à Charles II" und Michel Monteil in seiner Studie zur Etablierung des französischen Kalvinismus auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey intellektuellen bzw. theologischen Auseinandersetzungen zwischen hugenottischen Glaubensflüchtlingen und Angehörigen der Anglikanischen Kirche zu. Um eine 'querelle des mots' geht es auch in den Beiträgen von Christophe Tournu und James Brown zu Claude Saumaise.

Unter dem Stichwort "Refuge et Identité" (Teil 3) beschäftigen sich Françoise Moreil mit "Le Théâtre des Révolutions" von Jean Convenent, d.h. mit hugenottischer Identitätsbildung im Fürstentum Orange und den Narrativen, die von den geistlichen Führern dieser späten Diaspora geschaffen wurden. Während Convenents "Théâtre des Révolutions" zu den vielen Schriften zu rechnen ist, die in England die Barmherzigkeit von Staatsoberhaupt und Kirche heraufbeschwören sollten, beschäftigt sich Moreil mit einem anderen, ebenso wichtigen Aspekt, nämlich wie die Orangeois selbst auf Convenents Darstellung der Ereignisse im Fürstentum Orange reagierten. Yves Krumenackers Beitrag zu den "French Prophets" in England eröffnet weitere Perspektiven zu den internationalen Verflechtungen von radikal-pietistischen Protestanten bzw. so genannten 'Propheten' in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Pauline Duley-Haours' Beitrag zum "Comité Londonien" zeigt auf, wie problematisch die Fürsorge und Eingliederung französischer Réfugiés auch noch im London des späteren 18. Jahrhunderts war und ordnet sich damit, ebenso wie Krumenackers Studie, in eine profunde Beschäftigung mit zentralen Aspekten des Refuge in kultur- und sozialhistorischer Perspektive ein.

Insgesamt hätte man sich bei diesem Sammelband eine höhere Kohärenz der Beiträge untereinander und eine bessere Einbettung in den aktuellen Forschungsstand gewünscht, ein Desiderat, das die beiden Herausgeberinnen nicht einlösen.


Anmerkungen:

[1] Anne Dunan-Page (ed.): The Religious Culture of the Huguenots, 1660-1750, Aldershot 2006.

[2] Ulrich Niggemann: Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens. Die Hugenottenansiedlung in Deutschland und England (1681 - 1697), Köln / Weimar / Wien 2008. Vgl. Guido Braun: Rezension von: Ulrich Niggemann: Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens. Die Hugenottenansiedlung in Deutschland und England (1681-1697), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: http://www.sehepunkte.de/2009/02/14782.html

Susanne Lachenicht