Rezension über:

Michael Printy: Enlightenment and the Creation of German Catholicism, Cambridge: Cambridge University Press 2009, VIII + 246 S., ISBN 978-0-521-47839-7, GBP 45,00
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Rezension von:
Christoph Nebgen
Katholisch-theologische Fakultät, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Johannes Wischmeyer
Empfohlene Zitierweise:
Christoph Nebgen: Rezension von: Michael Printy: Enlightenment and the Creation of German Catholicism, Cambridge: Cambridge University Press 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 9 [15.09.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/09/17010.html


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Michael Printy: Enlightenment and the Creation of German Catholicism

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Die auf dem Buchrücken vereinten Kurzrezensionen - neudeutsch: blurbs - zu Michael Printys Studie "Enlightenment and the Creation of German Catholicism" versprechen dem Leser einiges: Die dort zu lesenden (nordamerikanischen) Historikerstimmen resümieren, dass hier ein wichtiges, jedoch bislang nicht beachtetes Thema in den wissenschaftlichen Fokus genommen werde, erkennen eine scheinbare "contradiction in terms" in Bezug auf den Begriff der katholischen Aufklärung, der in diesem Werk nun seine Aufarbeitung finde, und kündigen schließlich an, bei der Lektüre dieses Buches könne man mehr über die Zusammenhänge zwischen katholischer Aufklärung und deutscher Nationalstaatsbildung im 19. Jahrhundert erfahren. Diese Versprechungen lassen neugierig werden, welches neue Licht der Autor auf die Thematik geworfen haben mag.

Michael Printy stammt aus der Schule Thomas A. Bradys an der kalifornischen Berkeley-Universität und promovierte dort mit der vorliegenden Arbeit im Jahr 2002. In der Einleitung seiner Studie konstatiert er eine der preußischen Geschichtsschreibung geschuldete lange währende Nichtbeachtung des aufgeklärten Katholizismus. Printy möchte helfen, dieses Ungleichgewicht in der Geschichtsschreibung ("imbalance") zu korrigieren. Er möchte seinen Blick darauf richten, wie Vertreter des Katholizismus ("German catholic thinkers") im Laufe des 18. Jahrhunderts das Verhältnis von Kirche, Staat und Gesellschaft im Sinne einer aufgeklärten Geisteshaltung neu justieren wollten. Zugleich kündigt er an, hiermit neue Bezüge zwischen "erstem" und "zweitem" konfessionellem Zeitalter herstellen zu können ( 7). Die Gliederung orientiert sich an zwei Untersuchungsfeldern. Im ersten Teil setzt sich der Autor mit dem besonderen Kontext der Reichskirche auseinander. Er problematisiert die juristische und institutionelle Verknüpfung der deutschen Ortskirchen mit Rom vor dem Hintergrund des speziell deutschen Phänomens geistlicher Landesherrschaft. Wie wurden gallikanische Einflüsse in die juristische Theoriebildung der katholischen Aufklärer aufgenommen und wie gestaltete sich das Verhältnis Staat-Kirche im Lichte katholisch-aufgeklärter Denkart? Im zweiten Teil versucht Printy einen Blick auf die Konkretisierung aufgeklärter Kirchenpolitik zu werfen. Entwicklungen im katholischen Erziehungswesen, in der Gestaltung der Liturgie und in Bezug auf die Klosterpolitik sollen aufgezeigt werden (insbesondere Kapitel 7). In Kapitel 9 schließlich versucht Printy den Ausblick auf das "Vereinigungspotential", das eine nach aufgeklärten Maßstäben agierende katholische Reichskirche nach Meinung zeitgenössischer Denker für das konfessionell wie politisch zersplitterte Deutsche Reich besessen habe. Printy überschreibt dieses Kapitel mit dem Titel "Gallican Longings" und zieht Parallelen zu französischen Verhältnissen. Der Autor lässt an vielen Stellen von ihm ausgewählte Stimmen des 18. Jahrhunderts sprechen, deren Werke er zumeist in Paraphrase über mehrere Seiten resümiert. Zu diesen Stimmen gehört obligatorischerweise Nikolaus von Hontheim, weiterhin aber auch Johann Kaspar Barthel, Adam Contzen, Johann Adam von Ickstatt, Peter von Osterwald oder Georg Neuberg. Andere Stimmen fehlen: so etwa Vitus Pichler, Franz Schmier, Wiguläus Xaverius von Kreittmayr oder aber Joseph Valentin Eybel. Das von Printy nicht benutzte Werk von Matthias J. Fritsch [1] bietet hier einen weitaus systematischeren Einblick in die Vielzahl juristischer Traktate, die sich das Thema Kirche-Staat vor dem Hintergrund aufgeklärter Ideen zum Thema machten, als es der Verfasser getan hat. Es gelingt Printy nur bedingt, die vorgestellten Schriften und ihre Autoren in die verschiedenen Strömungen aufgeklärt denkender Katholiken einzuordnen. Die Entwicklungen in den geistlichen Kurfürstentümern, die Wurzeln josephinischer Reformabsichten, die wichtigen geistigen Zentren Banz oder Polling werden in Auswahl nebeneinander gestellt, ohne sie historisch zu differenzieren, bzw. jeweils eigene Ansätze zu identifizieren und zu erklären. Auf diese Weise wird zwar ein Panorama der "educated German Catholics" des 18. Jahrhunderts und ihrer Ansichten zum Verhältnis Kirche-Staat gezeichnet, aber seine Umrisse bleiben genauso unscharf wie Printys Definition dessen, was er nun eigentlich genau unter dem Begriff der "educated German Catholics" alles subsumiert und was nicht. Ähnliches begegnet dem Leser im zweiten Teil der Arbeit. Statt einer systematischen Darstellung verschiedener Reformansätze werden wiederum einige, offenbar wahllos ausgesuchte Maßnahmen aus Österreich, dem Erzbistum Mainz oder dem Bistum Würzburg nebeneinander gestellt. Printys Vorhaben, den aufgeklärten deutschen Katholizismus insbesondere in seinem Verhältnis zum Nationalen als Brücke zwischen den beiden konfessionellen Zeitaltern zu präsentieren, scheitert letztlich daran, dass er den Wirkungen und Spuren der Reformideen im 19. Jahrhundert gar nicht weiter nachgeht und somit seine Thesen faktisch nicht belegt werden. Kritisch anzufragen bleibt ebenso die Nichtberücksichtigung wirtschaftlicher, pastoraler, schlicht: praktischer Beweggründe für die aufgeklärten Denker und ihre Reformideen. Pauschale Urteile, die allein aus Aussagen einzelner, zeitgenössischer Publikationen abgeleitet und dann verallgemeinert werden, lassen den Leser oft unzufrieden zurück (etwa 220 "As we have seen in Schmidt's history ... "). Zugleich versucht Printy an vielen Stellen, Bezüge zu Passagen der Dokumente des Zweiten Vatikanums oder aber zu einzelnen Aussagen Ignaz von Döllingers herzustellen, die verdeutlichen, dass viele als modern erscheinende Gedanken und Vorstellungen innerhalb der katholischen Welt ihre Ursprünge im geistigen Umfeld einer europäischen, katholischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts besitzen. Hier würde es sich lohnen, den einzelnen Gedankenflüssen nachzuforschen und diese klarer freizulegen. Zum Formalen muss noch bemerkt werden: Auffallend sind die unzähligen Rechtschreibfehler insbesondere in den deutschen Zitaten ("Die deutsche Domkapital", "Humburger Edition", "Max-Placnk-Institut"), und einige Formatierungsfehler in den Fußnoten, die bei der Lektüre als sehr störend auffallen.


Anmerkung:

[1] Matthias J. Fritsch: Religiöse Toleranz im Zeitalter der Aufklärung, Hamburg 2004

Christoph Nebgen