Rezension über:

Ellen Kenney: Power and Patronage in Medieval Syria. The Architecture and Urban Works of Tankiz Al-Nāṣirī (= Chicago Studies on the Middle East), Chicago: Chicago Studies on the Middle East 2009, XIV + 257 S., ISBN 978-0-9708199-4-9, USD 80,00
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Rezension von:
Nur Özdilmaç
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Nur Özdilmaç: Rezension von: Ellen Kenney: Power and Patronage in Medieval Syria. The Architecture and Urban Works of Tankiz Al-Nāṣirī, Chicago: Chicago Studies on the Middle East 2009, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 4 [15.04.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/04/23378.html


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Ellen Kenney: Power and Patronage in Medieval Syria

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Ellen Kenney, seit zwei Jahren assistant professor für Islamische Kunst und Architektur an der Amerikanischen Universität in Kairo hat das hier zu rezensierende Buch, eine überarbeitete Fassung ihrer Dissertation, 2011 der Öffentlichkeit vorgelegt. Die Verfasserin stellt uns die umfangreichen architektonischen und städtebaulichen Projekte von Tankiz al-Nāṣirī (gestorben 740/1340) vor, eines lange amtierenden, sehr ambitionierten Gouverneurs (nāʾib as-salṭana) von Syrien. Tankiz galt unter den Zeitgenossen als eine Person, die in der Gunst des dritten Sultans der Mamluken, al-Nāṣir Muḥammad (gestorben 741/1341), stand.

Al-Nasir Muhammad, der außergewöhnlich lange regierte, unterstützte seinen erfolgreichen Statthalter in Damaskus, dessen Macht und Reichtum beständig zunahmen, nachhaltig und offenbar bedingungslos. Diesem personalen Zusammenspiel an der Spitze des Reiches war es zu verdanken, dass während dieser Epoche die wichtigsten Städte in Syrien und Ägypten blühten und es auch in der Peripherie zu Bauvorhaben und infrastrukturellen Verbesserungen kommen konnte. Tankiz ließ sich bei seinen Projekten durch seine jährlichen Besuche in Kairo inspirieren. Gleichzeitig schaffte er es, die von ihm verwalteten Stiftungsanlagen zu vergrößern, so dass ihm letzten Endes mehr Geld für die Subventionierung vieler von ihm eigeleiteten Vorhaben zur Verfügung stand. Zu den mit diesen Mitteln geförderten Projekten gehörten etwa die Reparatur, Instandsetzung und Reinigung der Wassersysteme, der Bau und die Restauration von Moscheen, Mausoleen, palastartigen Residenzen, öffentlichen Bädern, karitativen Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten sowie die Erweiterung des Straßennetzes und die Vergrößerung öffentlicher Plätze. Man kann sagen, dass es während seiner Statthalterschaft in Syrien zu weitreichenden Urbanisierungsmaßnahmen und einer deutlichen Revitalisierung von Damaskus gekommen ist (21). Ellen Kenney beschreibt auf den 250 Seiten ihres Werkes, das zudem über 80 Abbildungen verfügt, nicht nur das volle Ausmaß des Bauprogramms von Tankiz (und al-Nasir Muhammad), sondern kann auch sehr schön zeigen, wie diese beiden Persönlichkeiten die mamlukische Politik und Gesellschaft für eine Generation geprägt haben.

Das Buch besteht aus vier Kapiteln, denen neben Listen der Illustrationen, Abkürzungen und Referenzen, vor allem eine substantielle Einleitung, eine kurze, aber prägnante Zusammenfassung, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Register der Personen- und Ortsnamen beigegeben sind. Jeder der vier Hauptteile beginnt mit einer kurzen Einführung in das Thema und endet mit einem Resümee. Lediglich das Fehlen eines Inhaltsverzeichnisses erschwert das schnelle Wiederfinden der Objekte und Städte; leider ist auch das Kartenmaterial sehr dürftig. Abgesehen davon ist das gesamte Buch überaus leserfreundlich gestaltet.

In ihrer Einleitung geht Kenney zunächst umfassend auf die Biographie Tankiz ein und berichtet von den Zeitumständen und seinen Ambitionen zu Beginn seiner Karriere in Kairo. Vor diesem Hintergrund schildert die Verfasserin die administrativen und politischen Aufgaben sowie den historischen Kontext seiner Zeit als nā'ib al-shām in Damaskus. In dem sich nun anfügenden ersten Kapitel befasst sich die Autorin ausschließlich mit Tankiz Bauprojekten in Damaskus, seiner offensichtlichen Frömmigkeit, seinen Amtspflichten, seinen administrativen Reformen und mit den politischen Unruhen während seiner Regierung. Kenney geht detailliert auf die Erschließung des Hikr al-Summāq, die Anstrengungen bei der Restauration der Umayyaden-Moschee und auch auf ihren Wiederaufbau nach dem Brand im Jahre 740/1340 ein. Weiter beschreibt sie ausführlich die Entstehung des Palastes (Dār al-Dhahab ehemals Dār al-Fuls) und die dabei zu beobachtende Wiederverwendung von Materialien aus früheren Bauten. Einige Seiten sind dann dem Ribāt Sitt Sutaytah und einem Hospiz für Frauen gewidmet, das Tankiz zu Ehren seiner Gattin Khawand Sutayta bint Kawkabay al-Mansuri errichten ließ. Ferner bespricht sie noch die Restauration des Bāb Tūmā wie auch die Ersetzung des Ḥammām al-Suwayd durch das Dār al-Qur'ān wa-al Ḥadīth al-Tankizīyah.

Das zweite und umfangreichste Kapitel thematisiert das Wirken Tankiz in Jerusalem und Hebron, den beiden Städte, die von den Zeitgenossen gerne als ein Pendant zu Mekka und Medina gesehen wurden. Als Hauptanliegen des Sultans in Jerusalem sieht Kenney im Wesentlichen den Wiederaufbau der Zitadelle, die Installation einer neuen Wasser-Infrastruktur, die Reparatur und Verschönerung des Ḥaram al-Sharīf und der zugehörigen Bauten sowie den Bau neuer Straßennetze für den Markt. Unter anderem beschäftigt sich die Verfasserin mit der Ribāṭ al-Nisā', der Tankizīyah Madrasah, einigen Khānqāhs, dem Dār al-Ḥadīth, den beiden Bädern Ḥammām al-Shifāʾ und Ḥammām al-ʿAyn sowie mit den Toren Bāb al-Ṭahārah und Ḥawḍ al-Sabīl. Darüber hinaus geht sie auf die Masjid al-Aqṣá und das Minarett des Bāb al-Silsilah, den Sūq al-Qaṭṭānīn und dem Ḥaram al-Khalīl ein. Sehr schön präsentiert und interpretiert sie dabei die Dekor- und Inschriftenprogramme und die jeweils erkennbare Formensprache. Ausführungen zu dem verwendeten Material und zu auffälligen Parallelen in Hebron, Jerusalem und Damaskus runden den Teil ab.

Kapitel 3 thematisiert eingehend die Bauten im weiteren Umfeld von "Syrien" (bilād al-Shām). Das sich daran anschließende, lediglich rund 30 Seiten umfassende vierte Kapitel greift dann die bisher behandelten Bauten auf und stellt sie in einen Gesamtzusammenhang von Macht und Herrschaft. Viele Gebäude von Tankiz sind den Kunsthistorikern gut bekannt, Kenney wählt jedoch einen neuen Weg, diese zu erforschen. Zunächst zeigt sie Bauten auf, die schon vor dem Amtsantritt Tankiz errichtet worden waren und dann in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Daraufhin konzentriert sie sich auf neue Objekte, die unter seiner Schirmherrschaft entstanden. Im nächsten Schritt analysiert sie mit großer Sorgfalt formale Aspekte, architektonische Formen, ornamentale Motive und (wieder-) verwendete Materialien, um sie dann in einen räumlich-zeitlichen Entwicklungszusammenhang zu stellen.

Kenney beschreibt die von ihr ausgewählten Gegenstände sehr akribisch, klar und bildhaft. Details wie die Ablaq-Technik oder Glas-, Mosaik- und Marmorarbeiten werden gründlich erklärt und gedeutet. Ihre Analysen basieren auf architektonischen Überresten, Inschriften, mittelalterlichen Quellen sowie auf der Auswertung der vorhandenen Sekundärliteratur. Anhand weniger historischer Angaben sowie von einigen Beschreibungen, Photographien und Plänen von Wulzinger und Watzinger (1924), Sauvagent (1932) und anderen gelingt es Kenney, einen Überblick darüber zu geben, wie sich die Infrastruktur der jeweiligen Stadt umgestaltet und entwickelt hat. Trotz des Unterschieds zwischen dem historischen Wissen und dem heutigen Wissenstand versucht sie, die Architektur so präzise wie möglich zu rekonstruieren. Die gewählten Photos und die historischen Illustrationen sind passend ausgewählt und gut in den Text integriert. Kenneys Beschreibungen sind insgesamt sehr anschaulich, und der Leser hat das Gefühl, durch die Straßen und Maydāns von Damaskus zu schlendern und dabei sehen zu können, wie ganze Straßenzüge von geschäftigen Treiben befreit, ausgebessert und erweitert werden, um sie für Händler, Pilger und die Repräsentanten der Macht zugänglicher zu machen (42). Bei allen Gebäuden macht der Leser quasi Halt, betritt sie, schließt die Augen und stellt sich vor, wie sie einmal ausgesehen haben. Anschließend öffnet er die Augen wieder und sieht, was heute an der Stelle zu finden ist und spürt ihre Resonanz in der Gegenwart. Über die Stadtgeschichten hinaus erlaubt uns Kenney einen Einblick in die unterschiedlichen Niveaus architektonischen Arbeitens, in die Arbeitsweise der Handwerker, in die Funktionsmechanismen des Mäzenatentums sowie in die Symbolkraft der Orte und Stätten. Zusätzliche Kommentare verpackt Kenney in Fußnoten und gibt somit dem Leser ein Maximum an Informationen, ohne ihn in seinem Lesefluss zu stören.

Ellen Kenney hat insgesamt eine ausgezeichnete und umfangreiche Studie zur Baugeschichte insbesondere in Syrien und Jerusalem in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vorgelegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch für den Nichtfachmann sehr informativ und für den Spezialisten reich an wertvollen Erkenntnissen ist und eine Bereicherung für die Mamlukenforschung darstellt.

Nur Özdilmaç