Rezension über:

Robin Streppelhoff: Gelungener Brückenschlag. Sport in den deutsch-israelischen Beziehungen (= Studien zur Sportgeschichte; Bd. 10), Sankt Augustin: Academia Verlag 2012, 220 S., ISBN 978-3-89665-579-0, EUR 22,00
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Rezension von:
Stefan Hübner
Historisches Institut, Universität der Bundeswehr München
Redaktionelle Betreuung:
Amit Das Gupta
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Hübner: Rezension von: Robin Streppelhoff: Gelungener Brückenschlag. Sport in den deutsch-israelischen Beziehungen, Sankt Augustin: Academia Verlag 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/12/23181.html


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Robin Streppelhoff: Gelungener Brückenschlag

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Trotz der moralischen Verpflichtung der Bundesrepublik aufgrund der Shoah dauerte es bis 1965, bis diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen wurden. Politische und wirtschaftliche Interessen im Nahen und Mittleren Osten, erstere vornehmlich verbunden mit der Bonner Deutschlandpolitik, ließen die Bundesrepublik lange zögern, um es sich mit den arabischen Staaten nicht zu verscherzen. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass auch Formen des kulturellen Austauschs wie der Sport zunächst eine Vielzahl an (politischen) Hindernissen überwinden mussten. Die nun in Buchform erschienene, von Robin Streppelhoff an der Deutschen Sporthochschule Köln eingereichte, Dissertation setzt sich die Erforschung dieses bisher vernachlässigten Themas zum Ziel.

Der Fokus liegt klar auf einer akteurszentrierten Kombination von transnationaler und internationaler Geschichte, die je nach Kapitel teils einen stark organisationsgeschichtlichen, teils einen diplomatiegeschichtlichen Zuschnitt erfährt. Im methodisch-theoretischen Teil der Einleitung hätte man sich daher eine etwas detailliertere Einordnung von Sport in die internationalen bzw. transnationalen Beziehungen gewünscht. Dass der Sport auch problematische Seiten haben und zu nationalistischen Exzessen führen kann, wird zwar berücksichtigt. Allerdings werden Internationalismus und Egalitarismus, die durch Sport explizit kommuniziert werden können (jedoch nicht müssen) und dadurch politisch instrumentalisierbar sind, unzureichend berücksichtigt. Nicht-sportspezifische methodisch-theoretische Studien zu internationaler bzw. transnationaler Geschichte hätten hier Abhilfe schaffen können. [1] Sachlich nicht nachvollziehbar ist auch die Einordnung von zwei Exkursen in die nachfolgenden zwei Kapitel, die jeweils die Chronologie durchbrechen. Zum einen wurde in die Übersicht zur politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Annäherung von Bundesrepublik und Israel seit 1949 (Kapitel 2) ein Exkurs zum "Jüdischen Leben in Deutschland vor 1945" eingebaut. Zum anderen beginnt der Überblick zum jüdischen Sport in der Bundesrepublik nach der Shoah (Kapitel 3) mit einem Exkurs zu Deutschland und der jüdischen Sportbewegung vor 1945. Ungeachtet der unbestrittenen Relevanz dieser Exkurse wäre ein chronologischer Aufbau grundsätzlich sinnvoller gewesen.

In der Folge werden Aufnahme und Entwicklung der Sportbeziehungen bis zum Anfang der 1970er Jahre en detail aufgearbeitet. Der Hauptteil des dritten Kapitels zeigt, dass der organisierte jüdische Sport in Nachkriegsdeutschland durch die massive Auswanderung der Überlebenden fast völlig zum Erliegen kam. So begann erst vier Jahre nach der 1965 erfolgten Gründung von Makkabi Deutschland als Dachverband für jüdische Sportler regelmäßig ein westdeutsches Team an den Makkabiah-Spielen teilzunehmen, einem jüdischen Äquivalent zu den modernen Olympischen Spielen. Thema des vierten Kapitels ist das Problem der "Wiedergutmachung" bzw. Entschädigung: Die neunzig jüdischen Makkabi-Sportvereine hatten während des Nationalsozialismus durch Enteignung Geldvermögen und Sportanlagen im Wert von schätzungsweise bis zu zwei Millionen Reichsmark verloren. Nach langen Verhandlungen kam es schließlich 1970 zu einem Vergleich: Die Bundesrepublik zahlte 2,5 Millionen DM Entschädigung, die Makkabi Deutschland und die Maccabi World Union untereinander aufteilten. Anschließend behandelt das fünfte Kapitel den Beginn von Reisen der westdeutschen und der israelischen Sportjugend in das jeweils andere Land. Vorreiter war hierbei die Landessportjugend Nordrhein-Westfalen, die 1962 eine erste eigenständige Fahrt nach Israel organisierte. In der Folgezeit nahm die Zahl der Besuche zu und 1971 kam es zu einem vorläufigen Höhepunkt, als 92 Sportjugend-Gruppen in die Bundesrepublik bzw. nach Israel fuhren. Das sechste Kapitel wiederum untersucht die Zusammenarbeit bei Ausbildung und Austausch von Sportlehrern und Trainern. Die erste Israelfahrt einer Studierendengruppe der Deutschen Sporthochschule Köln im Jahre 1963 erwies sich als bahnbrechend: Danach verstärkten sich die Kontakte zum israelischen Ansprechpartner, dem Orde Wingate Institute for Physical Education and Sports bei Netanya. Dies führte 1971 zum Abschluss eines offiziellen Austauschprogramms zwischen den beiden Hochschulen. Das siebte Kapitel widmet sich der "Normalisierung der Sportbeziehungen", die Streppelhoff im Zeitraum zwischen 1969 und 1971 ausmacht. Im Jahr 1969 erfolgte die Auflösung des israelischen Interministerialen Ausschusses für die Beziehungen mit Deutschland, der bis dahin zumindest de jure dem gesamten kulturellen Austausch hatte zustimmen müssen. Dies führte auf Seiten Israels zur Normalisierung der Sportbeziehungen. In diesem Sinne verstand dann auch die Botschaft der Bundesrepublik in Israel die Einladung einer deutschen Delegation zu den neunten Hapoel-Spielen 1971. Abschließend wird im achten Kapitel auf die Olympischen Spiele 1972 in München eingegangen. Doch selbst die Geiselnahme von Teilen des israelischen Teams durch palästinensische Terroristen, die Ermordung der Sportler sowie die spätere Freilassung der überlebenden Täter im Austausch für die Passagiere eines entführten Lufthansa-Flugzeugs hatten trotz der heftigen israelischen Kritik keinen langfristigen negativen Einfluss auf die bereits "normalisierten" Sportbeziehungen.

Bedauerlich ist, dass hiernach nicht mehr auf die Integration Israels in europäische Sportstrukturen eingegangen wird, wandelte es sich doch in den 1970er Jahren von einem "asiatischen" zu einem "europäischen" Land, nachdem es auf Druck von arabischen Ölstaaten 1974 von Wettkämpfen der Asian Football Confederation und ab 1978 von den Asian Games ausgeschlossen wurde. [2] Hier stellen die von Streppelhoff genannten Archivsperrfristen in Deutschland und Israel sicher ein Problem dar.

Insgesamt liefert die Studie eine gute und wichtige Grundlage zur geschichtswissenschaftlichen Erfassung der bis dahin kaum untersuchten Aufnahme und Normalisierung der Sportbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. Nach größeren Schwächen in der Einleitung und den ersten Kapiteln sind Streppelhoff Darstellung und Analyse durchaus geglückt.


Anmerkungen:

[1] Siehe dazu u.a. Akira Iriye: Global Community. The Role of International Organizations in the Making of the Contemporary World, Berkeley 2002; Ders.: Cultural Internationalism and World Order, Baltimore, London 1997.

[2] Uriel Simri: "Israel and the Asian Games.", in: Uriel Simri / Sarah Lieberman (eds.): Sport and Politics: Proceedings of the 26th ICHPER World Congress 1983, Wingate Institute, Israel. Bd. 2, Jerusalem 1984, 87-93.

Stefan Hübner