Rezension über:

Christine Hatzky: Kubaner in Angola. Süd-Süd-Kooperation und Bildungstransfer 1976-1991 (= Studien zur Internationalen Geschichte; Bd. 28), München: Oldenbourg 2012, 380 S., ISBN 978-3-486-71286-5, EUR 64,80
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Rezension von:
Anne Dietrich
Leipzig
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Anne Dietrich: Rezension von: Christine Hatzky: Kubaner in Angola. Süd-Süd-Kooperation und Bildungstransfer 1976-1991, München: Oldenbourg 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 4 [15.04.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/04/23518.html


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Christine Hatzky: Kubaner in Angola

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Zum angolanischen Unabhängigkeitskonflikt und der kubanischen Unterstützung der MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) wurde bereits einiges publiziert. Dabei stand zumeist das militärische Vorgehen der kubanischen Regierung im Zentrum der Betrachtungen, welches in der jüngeren Forschungsliteratur vor allem im Kontext des globalen Kalten Krieges dargestellt wurde. [1] Diesem an sich vielversprechenden Ansatz globaler Geschichtsschreibung, welcher mit seiner Neuinterpretation des Kalten Krieges zu einer Relativierung der Wirkungsmacht von UdSSR und USA beitragen kann, sind aber auch seine Grenzen gesetzt, da ein Mangel an entsprechenden Quellen und Untersuchungen eine Einschätzung der Bedeutung lokaler und regionaler Akteure erschwert. Eigene Interessen, Motive, Ziele und Perspektiven der kubanischen und angolanischen Regierung wurden im Fall des kubanischen Engagements in Angola leider allzu oft ausgeblendet, weil häufig kein Zugang zu deren Archiven bestand. [2]

Die Innovation der Studie von Christine Hatzky besteht nun darin, dass sie nicht nur erstmalig den Fokus auf die zivile Zusammenarbeit zwischen Kuba und Angola richtet, sondern es ihr durch einen Rückgriff auf Zeitzeugeninterviews - dort, wo Behördendokumente nicht vorliegen oder nicht aussagekräftig sind - auch gelingt, den Wahrnehmungen und Nachwirkungen dieser Süd-Süd-Kooperation auf einer mikrogeschichtlichen Ebene nachzuspüren. Hatzky konzentriert sich hierbei auf die Zusammenarbeit im Bildungsbereich, da Kuba durch die Erstellung von Lehrplänen, Entsendung von Lehrkräften und die Aufnahme angolanischer Schüler und Studenten an kubanischen Bildungseinrichtungen einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau bildungspolitischer Strukturen im postkolonialen Angola leistete. Die Autorin stellt gut nachvollziehbar dar, dass die kubanische Regierung damit entscheidend zur Machtkonsolidierung der MPLA im krisenbehafteten Angola beitrug.

Im ersten Teil ihrer Studie erläutert Christine Hatzky die Hintergründe der angolanisch-kubanischen Bildungskooperation. Sie beginnt mit einem kurzen Überblick der historischen Entwicklung Angolas bis 1976. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Kampf der Unabhängigkeitsbewegungen MPLA, FNLA (Frente Nacional de Libertação de Angola) und UNITA (União Nacional para a Independência Total de Angola) um die Vormachtstellung im postkolonialen Angola, aus welchem die MPLA letztlich siegreich hervorging, und das vor allem aufgrund der Unterstützung des kubanischen Militärs. Daran anknüpfend erklärt sie, welche ideologischen Voraussetzungen und außenpolitischen Weichenstellungen bei der Entscheidung der kubanischen Regierung, sich nicht nur militärisch, sondern auch zivil in Angola zu engagieren, grundlegend waren. Neben Kubas außenpolitischer Strategie des Internationalismus sei vor allem der von Fidel Castro initiierte Mythos einer "lateinamerikanisch-afrikanischen Nation" zu nennen, auf welchen die Regierung auch bei der Mobilmachung der Zivilbevölkerung Bezug nahm. Dass sowohl für die kubanische Regierung als auch für individuelle Kooperationsteilnehmer bei ihrer Entscheidung für Angola neben diesen propagandistischen auch pragmatischere Motive, nämlich wirtschaftliche Vorteile und soziale Aufstiegsmöglichkeiten, eine Rolle spielten, ist eine wichtige Feststellung ihrer Untersuchung. Teil I der Studie endet mit einer Beschreibung des kubanischen Bildungssystems und einer Darstellung der Herausforderungen, die mit dessen Transfer ins postkoloniale Angola verbunden waren.

Im zweiten Teil ihrer Studie widmet sich die Autorin der Analyse der kubanisch-angolanischen Bildungskooperation auf einer institutionellen Ebene. Dies geschieht vorrangig anhand von Behördendokumenten und Experteninterviews, aus welchen Hatzky die wiederholten Kritikpunkte des angolanischen Erziehungsministeriums an den kubanischen Transferleistungen extrahiert. Dass es sich dabei tatsächlich um vergütete Leistungen (Kuba ließ sich den Einsatz seiner zivilen Fachkräfte von der angolanischen Regierung mit Devisen bezahlen) und nicht um eine solidarische Entwicklungshilfe handelte, erklärt den relativ hohen Handlungsspielraum der Angolaner, welche selbstbewusst Forderungen an die in ihren Augen ebenbürtigen Kooperationspartner stellten.

Auf die Wahrnehmungen der kubanischen Zivilisten auf der Mikroebene der Bildungskooperation geht Christine Hatzky im dritten Teil ihrer Studie ein. Sowohl Erinnerungen an den (Arbeits-)Alltag als auch traumatische Erfahrungen von Krieg, Hunger, Armut und Tod finden dabei Berücksichtigung. Dass ein Großteil der damaligen zivilen Fachkräfte ihre Traumata bis heute nicht verarbeitet hat, liegt auch an der Erinnerungspolitik Kubas, da die Deutungshoheit der kubanischen Regierung neben der offiziellen Erfolgsgeschichte vom kubanischen Einsatz in Angola keine alternativen Narrative zulässt. Hatzky schließt ihre Betrachtungen mit einem Blick auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kubaner in Angola, wobei sie zu dem Ergebnis kommt, dass neben kulturellen Unterschieden vor allem die von der kubanischen Zivilverwaltung in Angola strikt vorgenommene räumliche Trennung zwischen Kubanern und Angolanern eher eine Abgrenzung als eine "Verbrüderung" zwischen den beiden Parteien beförderte.

Eine wesentliche Qualität der Studie ist ihr multiperspektivischer Ansatz. Durch die Einbeziehung von Textquellen und Sekundärliteratur aus kubanischen, angolanischen, US-amerikanischen und portugiesischen Archiven und Bibliotheken gelingt es Christine Hatzky, eine einseitige Darstellungsweise zu vermeiden. Informationslücken, die durch eine eher dürftige Quellenlage beziehungsweise einen erschwerten Zugang zu Behördendokumente entstanden sind, versucht die Autorin durch Aussagen aus Experten- und biographischen Interviews zu schließen. Hier zeigt sich die eigentliche Stärke von Hatzkys Studie, welche in ihrer Konzentration auf eine akteurszentrierte Perspektive begründet liegt. Durch diese gelingt es ihr, individuelle Motive, Wahrnehmungen und Erinnerungen der am zivilen Einsatz in Angola Beteiligten aufzudecken und diese von der offiziellen Propaganda der kubanischen Regierung abzugrenzen. Diese Herangehensweise hätte eine noch stärkere Gewichtung finden können. Aufgrund der offensichtlich mit viel Aufwand verbundenen Befragungen der damaligen kubanischen Lehrer und Pädagogen, welche sich am zivilen Einsatz in Angola beteiligten, und deren ehemaliger Schüler wäre ein größerer Anteil des dritten Teiles am Gesamtumfang der Arbeit wünschenswert gewesen. In diesem Zusammenhang wäre auch eine ausführlichere Beschreibung des genauen Vorgehens bei der Interviewführung und der angewandten Methode der Oral History hilfreich gewesen.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass Hatzkys Studie einen entscheidenden Beitrag zu einer neuen globalen Geschichtsschreibung kubanischer Außenpolitik leistet, welche über nationalistische Erfolgsnarrative einerseits und eine bloße Fixierung auf die Großmächte andererseits weit hinausgeht. Was die Frage nach dem Erfolg des kubanischen Einsatzes und der Bedeutung der kubanisch-angolanischen Interaktion im globalen Machtgefüge des Kalten Krieges betrifft, gelangt die Autorin demzufolge zu facettenreichen Ergebnissen. Darüber hinaus ist Christine Hatzky eine gut lesbare Arbeit gelungen, welche auch dem themenfremden Leser einen interessanten Überblick über die Entwicklung der zivilen Aufbauarbeit im postkolonialen Angola bietet.


Anmerkungen:

[1] Beispiele dafür sind Edward George: The Cuban Intervention in Angola, 1965-1991. From Che Guevara to Cuito Cuanavale, London 2005; Piero Gleijeses: Kuba in Afrika 1975-1991, in: Bernd Greiner / Christian Th. Müller / Dierk Walter (Hgg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg 2006, 469-510; Odd Arne Westad: The Global Cold War, Cambridge / New York 2005.

[2] Piero Gleijeses beispielsweise gilt als einer der wenigen ausländischen Historiker, dem Zugang zu kubanischen Regierungsarchiven gewährt wurde.

Anne Dietrich