Rezension über:

Keith J. Stringer / Andrew Jotischky (eds.): Norman Expansion. Connections, Continuities and Contrasts, Aldershot: Ashgate 2013, XIII + 261 S., ISBN 978-1-4094-4838-9, GBP 65,00
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Rezension von:
Hubert Houben
Dipartimento di Storia, Società e Studi sull’uomo, Università del Salento, Lecce
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Hubert Houben: Rezension von: Keith J. Stringer / Andrew Jotischky (eds.): Norman Expansion. Connections, Continuities and Contrasts, Aldershot: Ashgate 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/24142.html


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Keith J. Stringer / Andrew Jotischky (eds.): Norman Expansion

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Der Band enthält zehn Beiträge, die aus dem 2008 bis 2011 an der Universität Lancaster durchgeführten Forschungsprojekt 'The Norman Edge: Identity and State-Formation on the Frontiers of Europe, c.1050-c.1200' hervorgegangen sind. Ziel des Projekts war die Erforschung der normannischen Expansion an den peripheren Zonen des christlichen Europas und ihrer Bedeutung für die Prozesse der Entstehung mittelalterlicher Staaten und Identitäten. Gefragt wurde nach der Selbst- und Fremddefinierung "kolonialer Eliten" als Normannen, nach den Herrschaftsinstrumenten der Normannen, ihrem Verhältnis zu den einheimischen Gesellschaften, interkulturellen Beziehungen, einem Gemeinschaftsbewusstsein der Normannen in der "Diaspora", Verbindungen ausgewanderter Normannen zu ihrer Heimat und "transnationalen" Netzwerken. Neben den drei normannischen "Randgebieten" England(-Schottland), Süditalien und Antiochia wird auch Irland (als "alternative perspective") berücksichtigt. In der Einleitung (1-8) betonen die Herausgeber die unterschiedlichen methodischen Ansätze der verschiedenen Beiträge.

Keith Stringers Beitrag "Aspect of the Norman Diaspora in Northern England and Southern Scotland" (9-47) zeigt das außergewöhnlich lange Überleben (bis ins 15. Jahrhundert!) eines normannischen Bewusstseins bei einigen Familien im englisch-schottischen Grenzgebiet. Die Beiträge von Alexander Grant, "At the Northern Edge: Alba and its Normans" (49-85), und Jonathan Gledhill, "From Shire to Barony in Scotland: The Case of Eastern Lothian" (87-113), befassen sich mit den normannischen Zuwanderern in Schottland, die auf Einladung der schottischen Könige kamen und von diesen zur Stärkung ihrer Königsherrschaft benutzt wurden. Etwas aus dem Rahmen fällt der Beitrag von Robin Frame, "Ireland after 1169: Barriers to Acculturation on an 'English' Edge" (116-141), denn hier handelte es sich nicht um Zuwanderer, sondern um englische Eroberer, die zwar von Normannen abstammten, sich aber bereits als Engländer betrachteten und sich zunächst bewusst von der einheimischen Gesellschaft abschotteten.

Ganz anders war die Situation in Süditalien: Catherine Heygate, "Marriage Strategies among the Normans of Southern Italy in the Eleventh Century" (165-186), unterstreicht, dass, wie bereits Graham A. Loud, Patricia Skinner und Joanna H. Drell zeigten, dort durch die Ehen der im 11. Jahrhundert eingewanderten Normannen mit einheimischen Frauen, besonders aus dem langobardisch-lateinischen Kulturkreis, rasch eine Akkulturation und Assimilierung eintrat. Paul Oldfield, "Urban Communities and the Normans in Southern Italy" (187-206), behandelt das Verhältnis der Normannen zu den süditalienischen Städten, das, anders als die ältere Forschung annahm, nicht nur von Konflikten geprägt war, sondern, wie auch die neuere italienische Forschung in den letzten Jahrzehnten herausgearbeitet hat, durchaus Möglichkeiten zu gegenseitiger Kollaboration bot. Léan Ní Chléirigh, "Gesta Normannorum? Normans in the Latin Chornicles of the First Crusade" (207-226), zeigt anhand einiger Chroniken des Ersten Kreuzzugs, dass die süditalienischen Normannen nach 1100 kaum noch als Normannen, sondern meist, wie die von nördlich der Alpen kommenden Kreuzfahrer, als 'Franken' betrachtet wurden. Andererseits vermutet Peter W. Edbury, "The Assises d'Antioche: Law and Customs in the Principality of Antioch" (241-248), dass die Gesetzgebung des 'normannischen' Fürstentums Antiochia, die leider nur in einer armenischen Version einer verlorenen, zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts und dem Jahr 1219 verfassten altfranzösischen Redaktion überliefert ist, normannische oder zumindest anglo-normannische Spuren enthält.

Schließlich behandeln zwei Beiträge aus unterschiedlicher Perspektive das von den Mediävisten in den letzten Jahrzehnten viel diskutierte Konzept der Grenze: Leonie V. Hicks, "The Concept of the Frontier in Norman Chronicles: A Comparative Approach" (143-164), betont den politsch-machtsymbolischen Charakter der Grenzen des Herzogtums Normandie, während Denys Pringle, "Castles and Frontiers in the Latin East" (227-239), im Gegensatz zu Ronnie Ellenblum der Auffassung ist, dass das Kreuzfahrerkönigreich Jerusalem lineare, von Kastellen gesicherte Grenzen besaß.

Der vorliegende Band ist eine willkommene Ergänzung zum gleichzeitig beim selben Verlag erschienenen "Norman Tradition and Transcultural Heritage. Exchange of Cultures in the 'Norman' Peripheries of Mediaeval Europe", herausgegeben von Stefan Burkhardt und Thomas Foerster, der einen stärker kultur- und sozialgeschichtlichen Ansatz hat und dem mediterranen Raum mehr Aufmerksamkeit schenkt.

Hubert Houben