Rezension über:

Thomas Foerster (ed.): Godfrey of Viterbo and his Readers. Imperial Tradition and Universal History in Late Medieval Europe (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Aldershot: Ashgate 2015, XIII + 195 S., 6 s/w-Abb., ISBN 978-1-4724-4268-0, GBP 70,00
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Rezension von:
Günther Bernhard
Institut für Geschichte, Karl-Franzens-Universität, Graz
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Günther Bernhard: Rezension von: Thomas Foerster (ed.): Godfrey of Viterbo and his Readers. Imperial Tradition and Universal History in Late Medieval Europe, Aldershot: Ashgate 2015, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 12 [15.12.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/12/27564.html


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Thomas Foerster (ed.): Godfrey of Viterbo and his Readers

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Im Rahmen eines Kongresses des Centre for Medieval Studies (CMS) an der Universität Bergen hatte man 2012 versucht, den vielfachen Ansätzen in Gottfrieds Werken gerecht zu werden. Der hier zu besprechende Sammelband ist die Frucht dieser Tagung. Gerade die mittelalterlichen Leser verstanden Gottfrieds Werk auf verschiedene Art und Weise, wobei das politische Interesse an der Legitimität der römisch-deutschen Kaiser nur ein Aspekt war. Das Pantheon fungierte als eine vortreffliche Quelle im Bereich der Weltgeschichte - Ansätze, welche Thomas Foerster (Godfrey of Viterbo and his readers: Introduction) einleitend im Sammelband anspricht, während M. E. Dorninger (Modern readers of Godfrey) in einer minutiösen Darstellung einen breiten Bogen zu den Werken Gottfrieds, der handschriftlichen Überlieferung, den politischen Ideen, den Editionen und dem wissenschaftlichen Diskurs der letzten 200 Jahre spannt.

J. Dunbabin (The distinctive elements among Godfrey of Viterbo's political ideas) streicht die politischen Ideen in Gottfrieds Werken heraus, wenn sie etwa die Wiedererrichtung der Harmonie zwischen Kirche und Reich preist, gleichsam eine Neuformulierung der gelasianischen Lehre. Eine Quelle für die Ideen Gottfrieds bilden sicher auch die Urkunden Friedrichs I. Barbarossa, besonders im Hinblick auf das epitheton sacrum in Verbindung mit imperium; auch das Römische Recht ist hierfür eine Quelle, stammt es doch nach Gottfried von Jupiter, und schließlich überspannend das genealogische Konzept Gottfrieds, die imperialis prosapia, in welche die staufischen Herrschergestalten eingebettet erscheinen. K. Hering (Godfrey of Viterbo: Historical writing and imperial legitimacy at early Hohenstaufen court) fokussiert auf das unmittelbare Publikum Gottfrieds, den staufischen Hof, für den er auch schrieb, bindet unseren Autor also in das zeitliche und historiographische Gefüge des 12. Jahrhunderts ein und ergründet den Einfluss, den Gottfrieds Werke auf das imperium, auf Friedrich I. Barbarossa und Heinrich VI. ausübten. In diesem Zusammenhang ist natürlich wieder die imperialis prosapia zu nennen, denn beginnend mit Nimrod über Jupiter, Alexander den Großen, Julius Caesar und Karl den Großen ist in dieser Linie auch das staufische Geschlecht positioniert.

T. Foerster (Twilight of emperors: Godfrey's Pantheon and the Hohenstaufen inheritance in thirteenth century Castile and England) beschreibt die Verhältnisse im Reich und Sizilien gegen Ende der staufischen Herrschaft und zeigt auf, wie sich die Protagonisten, die im Zeitalter des Interregnums um die Nachfolge der Staufer rangen, mit staufischer Tradition aus dem Pantheon versorgt wurden. Es zeigt sich nämlich, dass die Handschriften des Pantheon aus dem 13. Jahrhundert, die nicht aus Italien oder Deutschland herrühren, aus Spanien bzw. dem Herrschaftsbereich der Plantagenets stammen. In diesem Zusammenhang sind Alfons von Kastilien, der imperiale Aspirationen hatte, und Richard von Cornwall, der Thronprätendent, zu sehen. V. Žůrek (Godfrey of Viterbo and his readers at the court of emperor Charles IV) thematisiert die luxemburgischen Bestrebungen, sich in die skizzierte genealogische Konzeption einzureihen. Am Beispiel des Chronicon Bohemorum des Johannes von Marignolli, eine von Karl IV. intendierte Verbindung von Weltgeschichte und tschechischer Geschichte und dem von Marignolli beeinflussten Freskenzyklus von Burg Karlstein, wird die Wirkung von Gottfrieds Werken aufgezeigt. So gesehen bereicherte Gottfried also das historische Bewusstsein, wie etwa im Hinblick auf die Karlsverehrung oder die Vorbestimmung der Luxemburger für die Kaiserwürde.

S. Burkhardt (A Textbook for emperors? Godfrey and imperial traditions in the Two Italies) geht in seinen Betrachtungen zunächst auf die Wertung Gottfrieds in der Forschung ein und kommt danach auf die handschriftliche Überlieferung der Werke Gottfrieds zu sprechen, wobei auffällig erscheint, dass gerade eine größere Anzahl von Handschriften des 13. Jahrhunderts aus Italien stammt. Gerade dort war man sowohl an den "Geschichten" Gottfrieds interessiert, an der enzyklopädischen Breite der Werke, am Reich und seinen Kaisern, egal, wie man zur staufischen Politik stand, andererseits waren neue "imperiale" Mächte, wie etwa Venedig, am Symbolgehalt der Reichsinsignien interessiert, den Gottfried mit seiner Deutung eindrucksvoll liefern konnte. L. Scales (Purposeful pasts: Godfrey of Viterbo and Later Medieval imperialist thought) untersucht die Attraktivität der Texte Gottfrieds für die politischen Denkschriften des Spätmittelalters, etwa am Beispiel des Lupold von Bebenburg, Alexander von Roes oder Konrad von Megenberg, während G. Vercamer (Godfrey of Viterbo and his perception in Poland in the fourteenth and fifteenth centuries) zwei der in Polen verwahrten 15 Pantheon-Manuskripte der Rezension E bespricht, welche G. Waitz für seine Edition nicht heranzog und die unmittelbar mit Krakau und Gnesen verbunden sind; beide Manuskripte wurden von polnischen Lesern glossiert, sie stammen von hohen Klerikern. Dabei wird das Bild, das Gottfried vom Herrscher im Sinne der höfischen Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts entwirft, sowie sein enzyklopädischer Stil in den Vordergrund gerückt, so dass in der conclusio das Pantheon Gottfrieds als delectatio für eine gebildete Leserschaft gewertet wird, was im Übrigen auch für die eingangs angesprochenen Glossen gilt, denn sie zielen nicht auf die politischen Ideen Gottfrieds ab.

Unter ähnlichem Blickwinkel beschäftigt sich L. Negoi (Godfrey of Viterbo and his many readers: An example from fourteenth-century Aragon) mit einem Beispiel aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als Dominikaner das Speculum historiale des Vincent von Beauvais übersetzten bzw. bearbeiteten - ein Unterfangen, das auf König Peter IV. von Katalonien und Aragon zurückging - und dabei für ihr Werk das Pantheon Gottfrieds benützten. Dieses Werk, Compendi historial, erzählt die Weltgeschichte vom Anfang bis zur Regierung Peters IV. Negoi schlägt einen Bogen vom genannten Compendi zu einem Pantheon-Manuskript (Kathedralbibliothek Tarazona, Rezension C), das in der Regierungszeit Peters IV. entstanden ist und sieht im lebendigen und epischen Stil Gottfrieds die Inspiration für aragonesische Historiographen.

Alles in allem ein gelungener, informativer Band, thematisch breit, aber in sich geschlossen angelegt, der als englischsprachige Publikation sicherlich zur "Globalisierung" der Gottfried Forschungen beitragen wird. Vielleicht ist damit ein wichtiges wissenschaftliches Desiderat angeregt worden, nämlich eine moderne Edition von Gottfrieds Werken.

Günther Bernhard