Rezension über:

Kristina Deutsch / Claudia Echinger-Maurach / Eva-Bettina Krems (Hgg.): Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit. Gestalt und Funktion, Berlin: de Gruyter 2017, 360 S., 18 Farb-, 160 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-050168-1, EUR 79,95
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Rezension von:
Michaela Völkel
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Michaela Völkel: Rezension von: Kristina Deutsch / Claudia Echinger-Maurach / Eva-Bettina Krems (Hgg.): Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit. Gestalt und Funktion, Berlin: de Gruyter 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 1 [15.01.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/01/30042.html


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Kristina Deutsch / Claudia Echinger-Maurach / Eva-Bettina Krems (Hgg.): Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit

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Dass das Leben an den europäischen Höfen der Frühen Neuzeit, denen Nobert Elias eine federführende Rolle im Prozess der Zivilisation zuschrieb, mit der Kultivierung der Lebensformen einherging, steht außer Zweifel. Die geringe Zahl an erhaltenen höfischen Bädern und eine selektive Rezeption zeitgenössischer Schriftquellen führten jedoch zu der Annahme, dass die Körperpflege von diesem Prozess ausgenommen geblieben sei. Zur Langlebigkeit des Narrativs von der parfümierten aber ungewaschenen höfischen Gesellschaft tragen bis heute zahllose Schlossführungen bei, obwohl nicht nur Ulrika Kibys umfassender Überblick über die Geschichte des Bades längst eines besseren belehrt. [1] Dass Wellness- und Körperkultur keine Errungenschaften der Moderne sind und im höfischen Kontext nicht nur als Mittel zur Regeneration sondern auch zur Repräsentation genutzt wurden, belegt nun eindrucksvoll auch ein von Kristina Deutsch, Claudia Echinger-Maurach und Eva Bettina Krems herausgegebener Sammelband, der die Vorträge einer 2014 vom Institut für Kunstgeschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster veranstalteten Tagung vereint.

Mit elf von sechzehn Beiträgen richtet die Publikation ihr Hauptaugenmerk auf das 15. und 16. Jahrhundert und damit auf die adeligen Badeanlagen, die ihre Existenz der Lektüre Vitruvs, der Auseinandersetzung mit den Überresten antiker Thermen und der Kenntnis islamischer Bäder verdankten (deren Vorbildfunktion im vorliegenden Band allerdings nur im Beitrag Stephanie Hankes diskutiert wird). Hubertus Günther konfrontiert eingangs die einschlägigen antiquarischen und architekturtheoretischen Studien Albertis, Filaretes und Raffaels mit den zur selben Zeit in Rom, Genua, Mantua und Ragusa realisierten Badeanlagen. Am Beispiel Neapel erinnert Günther allerdings auch daran, dass die höfische Badekultur nicht überall erst mit der Renaissance begann, sondern zum Teil auf mittelalterlichen lokalen Traditionen fußt. Da neben den in den Boden eingelassenen Becken auch der Gebrauch transportabler Badewannen verbreitet war, wagt Günther abschließend am Beispiel der Mantuaner Camera degli Sposi den Versuch, auch Räume ohne entsprechende Installationen anhand der Ikonografie ihrer Ausstattung als Orte zu identifizieren, die dem Baden gewidmet waren. Mit der Auseinandersetzung mit den Ausführungen Vitruvs zu Badeanlagen, die das Dampf-, Schwitz- und Wannenbad ermöglichen, und deren praktischer Umsetzung im Quattro- und Cinquecento beschäftigt sich auch Jens Niebaum. Ein entsprechendes Appartement des bains gab es auch in Fontainebleau. Zwar lässt sich die Ausstattung dieses Appartements, das Franz I. 1535-1543 unter seiner berühmten Galerie anlegen ließ, nicht mehr eindeutig rekonstruieren, da es bereits 1697 umgebaut wurde, Claudia Echinger-Maurach zufolge knüpfte man dort jedoch nicht nur mit der Abfolge verschiedener dem Nass- und Schwitzbad gewidmeter Räume, sondern auch mit der beweglichen und wandfesten Ausstattung typologisch, technisch und ikonografisch an das Altertum an.

Eine vergleichbare, nun allerdings um einen zentralen Raum gruppierte Raumfolge sollte auch ein freistehender Badepavillon beherbergen, den der 1541 nach Fontainebleau berufene Sebastiano Serlio für den Park des Schlosses entwarf. Wie Sabine Frommel darlegt, verdankt Serlio diese mehrfach variierte Grundrissfindung einer Idee seines Lehrers Perruzzi, die Frommel ebenfalls als Entwurf für einen Garten- und Badepavillon identifiziert. Zum Spezialisten für Nassbereiche geworden, wurde Serlio vom Adel und der Krone mit der Planung weiterer Badeanlagen betraut, die in den folgenden beiden Jahrzehnten ihrerseits vorbildhaft auf weitere Bauten der Île-de-France wirkten. Vom privaten Bad als lokaler Modeerscheinung, die sich einer vergleichbaren gegenseitigen Beeinflussung verdankt, kann man auch in Genua sprechen, wie Stephanie Hanke in ihrem Aufsatz aufzeigt. Hier richtete Galeazzo Alessi um 1550 ein erstes, in Vasaris "Viten" ausführlich beschriebenes Bad für die Grimaldi ein, das in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Patrizierfamilien zum Einbau eigener Baderäume animierte. Durch Peter Paul Rubens' Stichwerk wurden die in zahlreichen "Palazzi di Genova" anzutreffenden Bäder europaweit bekannt. Auch das Bad, das sich Vespasiano Gonzaga in seinem im Mezzanin des Palazzo Ducale von Sabbioneta gelegenen Appartement einrichten ließ, orientierte sich womöglich an entsprechend gelegenen Genueser Beispielen, wie Jan Pieper vermutet. Teilweise ans Bett gefesselt, genoss der Bauherr vom traditionell für die Unterbringung der Diener genutzten Mezzanin aus den Blick über die Stadt. Über diesen praktischen Nutzen hinaus deutet Pieper die Wahl des Geschosses zum einen als Demutsgeste, während das krönende Belvedere der Wohnung auf der anderen Seite die Anmutung eines Geschlechterturms verleihen und damit nobilitieren soll.

Etwa zur gleichen Zeit entstand im Neuen Anbau der Burg Trausnitz ein Bad für Erbprinz Wilhelm (V.) von Bayern und Renata von Lothringen, das Kristina Deutsch in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt. Aufgrund ihrer malerischen bzw. stuckierten Ausstattung kann Deutsch auch alle horizontal wie vertikal an dieses Badezimmer anschließenden Gemächer als Räume identifizieren, die der Gesundheitspflege und Rekreation gewidmet waren. Der Neue Anbau, dessen Funktion der Forschung bislang Rätsel aufgab, entpuppt sich auf diese Weise als Badeturm, der sich als persönlicher Bereich des Erbprinzenpaares funktional und ikonografisch von den Repräsentationsräumen im angrenzenden Fürstenbau unterschied. Die künstlerische Leitung des Baus hatte der Erbprinz Friedrich Sustris anvertraut, der in Florenz zuvor an der Ausstattung des Palazzo Vecchio beteiligt gewesen war - und zwar genau zu der Zeit, in der dort an einem repräsentativen Bad für Cosimo I. gearbeitet wurde. Für Ilaria Hoppe zeugt Cosimos Bad zusammen mit der für Maria Magdalena von Österreich um 1620 im Palazzo Pitti eingerichteten Sala della stufa und dem kleinen Badezimmer der Villa Poggio Imperiale davon, dass die Zeit der Gegenreformation entgegen einer verbreiteten Forschungsmeinung, zumindest in der Toskana, keine Zäsur für die Badekultur all'antica darstellte. Für die Zeit zwischen ca. 1420 und ca. 1780 weist Hoppe hier eine kontinuierliche Tradition privater Baderäume nach. Neben der Rezeption antiker Architektur und Architekturtheorie verdankte sich der dortige Hang zum eigenen Bad laut Hoppe auch der Kenntnis von der therapeutischen Nutzung des Bades im Altertum und dem von einem medizinischen Diskurs begleiteten Thermalbädertourismus der Region. Auch das teilweise mit Fresken und Springbrunnen ausgestattete Badeappartement, das nach 1564 in Schloss Ambras für Philippine Welser eingerichtet wurde, ist sowohl von der Beschäftigung mit Vitruv als auch vom Interesse der Bauherrin an Heilkunde geprägt, wie Margot Thuna-Rauch in ihrem Beitrag darlegt.

Die spektakulärste Badeanlage in einem Schlossbau des 17. Jahrhunderts war sicher das nicht erhaltene, durch zeitgenössische Beschreibungen und Entwurfszeichnungen jedoch gut dokumentierte Appartement des bains Ludwigs XIV. in Versailles, dem Sophie Mouquins Beitrag gilt. Anhand zahlreicher Quellen weist die Autorin akribisch nach, auf welche Weise und mit welchen Sorten von Marmor die Anlage einst ausgestattet war. Mit der Łazienka in Warschau und der Badenburg im Nymphenburger Schlosspark behandelt Vera Herzog zwei Lusthäuser des 17. und 18. Jahrhunderts, die zugleich als Bad, Ort festlicher Zusammenkünfte und, der Autorin zufolge, auch als Bedeutungsträger fungierten: Die Badenburg interpretiert Herzog als Männerbad, das zugleich als Kurbad genutzt beziehungsweise wahrgenommen wurde und in dieser Doppelfunktion als Jungbrunnen der Dynastie (258) dekodiert werden sollte. Eine ähnliche Deutung legte in Warschau die Ikonografie der Ausstattung nahe, so Herzog. Um ein Lusthaus für kurze Aufenthalte, das mit Festsaal und Küche für kleinere Feiern, vor allem aber auch für das Baden genutzt wurde, handelte es sich auch bei der ab 1768 nach Plänen Nicolas de Pigages errichteten Maison de bain Kurfürst Carl Theodors im Schwetzinger Park, der sich Ralf Richard Wagners Beitrag widmet. Der von den Zeitgenossen als "Therm Théodoriques" bezeichnete Bau, der mit seiner halbrunden Säulenhalle erstmals bereits im Eingangsbereich antike Vorbilder zitiert, wurde durch ein aufwendiges System aus Pumpen, Leitungen, Öfen und schließlich auch durch Handarbeit mit Wasser versorgt, wie Wagner anschaulich beschreibt. Der Zu- und Ablauf des Wassers ist durch Baubefunde und zeitgenössische Schilderungen auch im Falle des zwischen 1722 und 1729 als freistehender Pavillon errichteten, ursprünglich wohl als Teil einer größeren Anlage geplante Marmorbads in der Kasseler Karlsaue gut nachvollziehbar, wie Antje Scherner in ihrem Aufsatz darlegt. Das Marmorbad steht dabei in einer langen Tradition beheizbarer und mit Wasserleitungen ausgestatteter Bäder, die Scherner für die landgräflichen Schlösser im Allgemeinen und die Karlsaue im Besonderen bis ins 16. Jahrhundert zurückführen kann. Scherner widerlegt damit die geläufige These, das Marmorbad sei ein reines Schaubad gewesen.

Dort, wo in den Palästen der frühen Neuzeit Badeappartements entstanden, die neben Tauchbecken auch Räume für Dampf- und Schwitzbäder umfassten, folgten diese vor allem antiken, zuweilen aber auch islamischen und lokalen Vorbildern. So ließ sich Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, die als Katharina II. seit 1762 Zarin von Russland war, im Winterpalast um 1773 ein Appartement des bains einrichten, das ein Schwitzbad nach russischem Brauch ermöglichte, wie Guillaume Nicoud ausführt. Die nicht erhaltene Raumfolge ist durch eine Serie von Aquarellen dokumentiert, die vermutlich in Form von Kupferstichen publiziert werden sollten, um der internationalen Öffentlichkeit Einblick in die technischen Voraussetzungen des als gesundheitsfördernd geltenden russischen Bads zu geben. Katharina war offensichtlich nicht nur von dessen therapeutischer Wirkung überzeugt, mit dem Saunieren nach russischer Tradition demonstrierte sie darüber hinaus ihre Verbundenheit mit der russischen Kultur.

Nicht den Badeanlagen selbst, sondern der Darstellung von Badenden sind zwei weitere Aufsätze gewidmet. Anne Bloemacher befasst sich mit einer Illustration für die "Historia Friderici et Maximiliani", die den späteren Kaiser Maximilian I. unmittelbar nach seiner Geburt im Bade zeigt. Ungewöhnlicher Weise steht das Neugeborene ohne jede Hilfe aufrecht im Badezuber, ein Motiv, das, wie Bloemacher zeigt, auf die Vita des Heiligen Nikolaus zurückgeht und auch in der "Historia Maximiliani" auf eine besondere Laufbahn vorausweisen soll. Sigrid Rubys Untersuchungen gelten dem um 1570 im Umkreis des französischen Hofs entstandenen Bildtypus der mit nacktem Oberkörper im Badezuber eines vornehmen Gemachs sitzenden Dame au bain. Ruby identifiziert die dargestellten Frauen aufgrund der sie umgebenden Gegenstände als Aristokratinnen, die als Badende ihre Kultiviertheit und ihr reproduktives Potenzial zur Schau stellen (galten Bäder doch als der weiblichen Fruchtbarkeit zuträglich), während das Sujet gleichzeitig auch Gelegenheit zur Darstellung des makellosen Körpers bot. Bei den Dames au bain handelt es sich daher um eine "dezidiert weibliche Repräsentation des Adels", so die Autorin.

Der Band stellt erwartungsgemäß keine bislang unbekannten höfischen Bäder vor, mit einer Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil ambitionierter Deutungsansätze lösen die Autorinnen und Autoren das selbstgesteckte Ziel, die "greifbaren Beispiele" über die Bestandserforschung hinaus "in ihrer Bedeutung für die höfische Kultur zu analysieren" (18), allerdings auf inspirierende Weise ein.


Anmerkung:

[1] Ulrika Kiby: Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock, Köln 1995. Einen ausgezeichneten, achtseitigen Überblick über die wissenschaftliche Literatur zum Thema Bad und Baden liefert die Einleitung des rezensierten Bandes.

Michaela Völkel