Rezension über:

Hans Peter Isler: Antike Theaterbauten. Ein Handbuch (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften; Bd. 490), Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2017, 3 Bde., 1904 S., 170 Tafeln, zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-7001-7957-3, EUR 300,00
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Rezension von:
Henner von Hesberg
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Henner von Hesberg: Rezension von: Hans Peter Isler: Antike Theaterbauten. Ein Handbuch, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 9 [15.09.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/09/31835.html


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Hans Peter Isler: Antike Theaterbauten

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Das vorliegende Werk bildet so etwas wie das Opus Magnum des Autors, der sich sein wissenschaftliches Leben lang mit antiken Theatern, vor allem im sizilischen Iatas und in Eretria, beschäftigt und auf einer Serie ausgedehnter Reisen auch die meisten der übrigen Theater der antiken Welt besucht hat.

Mit seinen fast 6 kg Gesamtgewicht ist es kaum mehr möglich, das vorliegende Handbuch einfach in der Hand zu halten. Es ist ein gewichtiges Werk, das sich auf 3 Bände verteilt. Der erste bietet den auswertenden Text, der zweite einen Katalog, der sich zusammen mit den durch Inschriften oder in der antiken Literatur überlieferten Theatern auf über 1000 Bauten beläuft. Er umfasst neben den im Gelände noch auffindbaren Anlagen auch die Odeia, also die kleinen überdachten Theater, nicht aber theaterähnliche Anlagen, etwa große Freitreppen vor Tempeln oder Altären. Der dritte Band bietet Abbildungen und Indices.

So ist auf etwa 1900 Seiten mit fast 9000 Anmerkungen und 170 Tafeln (weitere Abbildungen kommen im Katalog hinzu) unser heutiges Wissen zu den antiken Theatern der griechischen und römischen Zeit vom 6. Jahrhundert v.Chr. bis zum 5. Jahrhundert n.Chr. zusammengefasst. Allein schon die kompilatorische Arbeit ist gewaltig. Hinzu kommt die Systematisierung der Aspekte im auswertenden Teil.

Der Zugang zur Materie ist dem Leser auf zwei Wegen möglich. Zum einen findet er im Katalog unter dem entsprechenden antiken Ort schnell das Lemma mit einer vollständigen Bibliografie und Diskussion der Forschungsmeinungen. Die beigefügten Pläne sind dabei nur bedingt eine Hilfe, denn vielfach fehlen Maßstab und Nordpfeil, geschweige denn, dass Phasen oder die Verbindung zur Umgebung deutlich werden. Immerhin belegen die aus der Literatur übernommenen Pläne die unterschiedlichen Formen der Dokumentation.

Der auswertende Band ist in 7 Kapitel gegliedert. Nach der Einleitung, die einen besonderen Akzent auf die Überlieferung bei Vitruv und die Erforschung des Dionysostheaters in Athen legt, folgt ein Überblick über die Theater von ihren Anfängen bis in die Zeit des Hellenismus. Dabei liegt das Interesse vor allem in der Ausprägung des runden Zuschauerraums mit allen Aspekten seiner Monumentalisierung und dem Bühnenhaus mit dem vorgelagerten Proskenion. Das 3. Kapitel widmet sich den Theatern der römischen Zeit in Rom und im Westen und naturgemäß verlagert sich der Schwerpunkt auf die Ausprägung der freistehenden Cavea und korrespondierend damit auf die mehrstöckigen Scaenae Frons der Bühne und das Pulpitum. Das 4. Kapitel behandelt - aufgeführt nach den Großregionen - die Theater der römischen Kaiserzeit im Osten des Reiches; das 5. ist den Odeia gewidmet und das 6. ein wenig überraschend den restlichen Erscheinungen, also den Vela - die Stoffdächer über dem Theaterrund zum Schutz vor Sonne - und den Wasserbecken im Bereich der Orchestra für die entsprechenden Spiele. Im letzten Kapitel werden die Erwähnungen der Theater in antiker Literatur und den Inschriften zusammengefasst, wobei es vor allem um die Stifter mit ihren Leistungen geht und um die Kosten, die sie aufbrachten.

Das Buch stellt eine gewaltige Leistung allein schon in der Sichtung der Fakten dar. Dabei mögen einzelne Dinge fehlen, etwa das jüngst entdeckte Theater in Dimal in Albanien [1], Bemerkungen zum Odeion in Apollonia [2] oder auch ein Vorschlag zur Rekonstruktion des Bühnenhauses des Pompejustheaters [3], und jeder Spezialist dürfte aus seiner Perspektive etwas anderes vermissen, aber das wird auch mit dem Redaktionsschluss 2014 zusammenhängen und fällt bei der Fülle des Materials nicht ins Gewicht.

Insgesamt werden in den einzelnen Abschnitten sorgfältig die bisherigen Meinungen referiert und gegeneinander abgewogen. Naturgemäß können trotz Autopsie der Befunde nur selten eigene Beobachtungen zur Korrektur dienen, denn die Fragen sind in aller Regel allzu komplex, als dass sie ohne zusätzliche Grabungen, Aufmaße und Dokumentationen lösbar sind. Das wird nicht zuletzt in den Grundrissen deutlich, die nur allgemeine Eindrücke übermitteln. Sie werden auch nicht untereinander konfrontiert oder zu Gesamtumrissen ergänzt. Die Abbildungen auf den Tafeln bieten nie Details, sondern Überblicksbilder, aber möglicherweise wird der Mangel durch die Bilddatenbank in Zürich aufgewogen, die auf Anfrage zugänglich sein soll (auf der Homepage des Instituts ist sie allerdings bisher nicht ausgewiesen).

Die Argumentation stützt sich also auf die vorliegenden Analysen in der Literatur. Vielfach dominieren dabei Listen, etwa wenn es um einzelne Erscheinungen in der Gestaltung der Bauten geht. In diesen Fällen - also etwa den Treppen oder Umgängen im Zuschauerraum oder den Umgängen als Abschluss der Cavea - werden dann alle einschlägigen Anlagen aufgezählt und die Ausnahmen eigens gewürdigt.

Diese Form der Darlegung hat etwas ermüdendes, weniger weil sie so umfangreich ist, sondern weil oft eine Zielrichtung nicht recht deutlich wird. So besteht ein Abschnitt über die "Theater der Kaiserzeit in Italien" aus langen Listen und kommt am Ende zu dem Schluss, dass "Theaterbauten in Italien ein fester Bestandteil einer städtischen Siedlung gewesen sind" (534). Das wird man gerne glauben, aber im Einzelnen wäre die Individualität einzelner Erscheinungen, die auch angesprochen werden, zusätzlich zu klären. Dies geschieht aber nun ähnlich pauschal, vor allem wohl deshalb, weil man dazu die Perspektive ändern und das Gesamtbild einer Stadt, eines Epochenabschnitts oder die Interessen einer sozialen Gruppe stärker in den Blick nehmen müsste. Spätestens eine derartige Vorgehensweise hätte aber den Rahmen des Werkes vollends gesprengt. Dennoch bleibt hier die Frage, ob die Erkenntnis lediglich aus den Bauten und ihrer Gestaltung selbst zu gewinnen ist, so entscheidend selbstverständlich deren Klärung ist.

Es bleibt ein zweiter Punkt: die Arbeit dürfte für jemand außerhalb des eigentlichen Faches kaum zu lesen sein, und selbst ein Studierender dürfte damit Schwierigkeiten haben. Die Ausführungen richten sich also vornehmlich an den ausgewiesenen Experten, der auf diese Weise schnell Zugang zu den einschlägigen Fragestellungen und auch zu den Monumenten gewinnt. Damit stellt sich die Frage, ob angesichts der heutigen Möglichkeiten nicht eine elektronische Vorlage eine zeitgemäße Lösung dargestellt hätte, in der immer wieder Nachträge ohne größere Schwierigkeiten eingebracht werden können.

So bleibt ein zwiespältiger Eindruck: ein gewaltiges Werk, das unser Wissen zu den Theatern der Antike zusammenfasst! Aber es bleibt offen, ob diese große Anstrengung neue Impulse der Forschung oder im Umgang mit den Monumenten freisetzt.


Anmerkungen:

[1] Michael Heinzelmann / Belisa Muka / Norbert Schöndeling: Dimal in Illyrien - Ergebnisse eines deutsch-albanischen Gemeinschaftsprojekts (2010-2012), in: Kölner und Bonner Archaeologica 2 (2012), 121-123, Abb. 6, 12-14.

[2] Henner von Hesberg / Werner Eck: Die Transformation des politischen Raumes. Das Bouleuterion in Apollonia (Albanien), in: RM 116 (2010), 257-287.

[3] Fedora Filippi / Henner von Hesberg: Frammenti architettonici decorati dal Campo Marzio occidentale: la scenae frons del teatro di Pompeo?, in: Stefano Bruni / Giuseppina Carlotta Cianferoni (a cura di): Δόσις δ'ολίγη τε φίλη τε: studi per Antonella Romualdi, Florenz 2013, 323-340.

Henner von Hesberg