STELLUNGNAHME ZU

Christoph Ulf: Rezension von: Oliver Grote: Die griechischen Phylen. Funktion - Entstehung - Leistungen, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2016, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 12 [15.12.2017], URL: http://www.sehepunkte.de/2017/12/29642.html


Von Fabian Schulz, Tübingen

Mir bereiten ein paar Schlussfolgerungen in Kapitel 13 Bauchschmerzen. Grote schreibt: "Gremien, in denen die Phylen der Gemeinde repräsentiert waren, dürfen nicht mit bloßen oligarchischen oder aristokratischen Räten gleichgesetzt werden, in denen nur die Mächtigsten und Vornehmsten vertreten waren. Dem steht von vornherein die gleichmäßige Verteilung auf einander gleichgeordnete Segmente entgegen" (248). Vom kretischen Rat, der laut Grote genau wie das Amt der Kosmoi aus Vertretern der Phylen besetzt ja gewählt war (131f.), heißt es aber bei Ephoros: "Those who are appointed to this council are those who have been judged worthy of holding the office of the Kosmoi and are in other respects also deemed distinguished (τἆλλα δόκιμοι κρινόμενοι)." (BNJ 70 F 149 = Strabon X 4,18,22). Ob ein Phylen-Vertreter gewählt wurde, hing also nicht nur davon ab, ob er Kosmos (gewesen) war, sondern auch davon, welches Ansehen er sonst genoss. Was bleibt von gleichgeordneten Segmenten übrig, wenn man aus ihnen die Besten wählt? Dass Grote diese Quelle nicht diskutiert, überrascht, da er den Passus, aus dem sie stammt, kennt (132, Anm. 70). Dagegen, dass die Hierarchien innerhalb der Phylen so flach waren, wie Grote behauptet (260), spricht auch ein Zeugnis aus Sparta, wo die Stammesältesten (τῶν φυλετῶν οἱ πρεσβύτατοι) entschieden, ob Neugeborene aufgezogen oder ausgesetzt wurden (Plu. Lyk. 16,1-2). Wie passen egalitäre Phylen zu hierarchischen Altersklassen, die wir auch aus Kreta kennen?

Anmerkung der Redaktion:
Christoph Ulf hat auf eine Stellungnahme verzichtet.