STELLUNGNAHME ZU

Christiane Moll: Rezension von Robert M. Zoske: Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose. Eine Biografie, München: C.H.Beck 2018; Jakob Knab: Ich schweige nicht. Hans Scholl und die weiße Rose, Stuttgart: Theiss 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 1 [15.01.2019], URL: http://www.sehepunkte.de /2019/01/31413.html


Von Robert M. Zoske, Hamburg

Erstaunlich ist, mit welcher Erregung auch heute noch über die Weiße Rose gestritten wird. Von einer Rezension kann man aber eine sachliche Argumentation erwarten, doch davon ist die Autorin in ihrer emotionalisierten Besprechung meiner Biografie "Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose" (Verlag C.H.Beck München 2018) in "sehepunkte" 19 (2019), Nr. 1 weit entfernt.

In ihrem kurzen Text unterlaufen der Autorin zudem zahlreiche sachbezogene Fehler, von denen ich nur diese nenne:

Sie behauptet, Scholl sei 1938 "freigesprochen" geworden. Das ist falsch. Das Verfahren wurde aufgrund eines Amnestiegesetzes "eingestellt". Zuvor war durch das Gericht die Übertretung des Paragraphen 175 und damit - nach nationalsozialistischer Gesetzgebung - die Schuldhaftigkeit festgestellt worden. Es gibt Menschen, die lieben Frauen und Männer gleich, auch zeitgleich, und Virilität ist keine ausschließlich homosexuelle Eigenschaft. Zum Glück überschritt auch Hans Scholl jede heterosexuelle Normierung. Rückblickend nannte der neunzehnjährige Soldat seine weit über ein Jahr dauernde Beziehung zu Rolf Futterknecht "Liebe", ja, seine "große Liebe". Er versuchte nicht, sie als pubertäre Notlösung zu bagatellisieren.

Die Rezensentin behauptet, in der Biografie würde die Briefedition Schmorell/Probst nicht angeführt und somit ihr Name als Herausgeberin nicht genannt. Das ist unzutreffend. Die "Gesammelten Briefe" werden unter "Quellen und Literatur" auf S. 363 des Buches mit "Schmorell, Alexander / Probst, Christoph" geführt.

Sie behauptet, im Buch werde die Empfängerin der Schreiben Schmorells, Angelika Probst, verh. Knoop, "unterschlagen". Das ist nicht richtig. Auf S. 338 wird in den Anmerkungen zu Fußnote 31 darauf verwiesen, dass die Briefzitate Schmorells den Briefen an seine Freundin entnommen wurden.

Die Autorin behauptet, bei Flugblatt 5 fehle der neue Titel und ich verwechsele bezüglich der Verbreitung das fünfte mit dem sechsten Flugblatt. Beides ist falsch. Eine alternative Anrede ("Deutsche Studentin! Deutscher Student!" statt "Kommilitoninnen und Kommilitonen!") gab es nur bei Flugblatt 6 und meine Angaben zur Auflagenhöhe geben die teils divergierenden Aussagen der Studenten bei der Gestapo-Vernehmung eindeutig und korrekt wieder. Die nächste Auflage meiner Biografie korrigiert in den Anmerkungen lediglich zwei Seitenverweise.

Die Verfasserin behauptet, in meinem Buch würden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und missbräuchlich verwendet. Als Beispiel nennt sie einen Brief Schmorells vom 20. Dezember 1941, in dem er seine außerordentlich enge Beziehung zu Hans Scholl schildert. Dieses Schreiben, so die Autorin, sei doch an Angelika Knoop gerichtet. Das stimmt. Allerdings nennt Schmorell darin seine Träumereien von ihr "nur Gedankenspiele, keine Wirklichkeit". Es sei "bitter, wenn man aufwacht, und sich dann in der eiskalten Wirklichkeit findet. Dann werden sie [die Gedankenspiele] sehr, sehr bittere." Danach schildert er seine tiefe Seelenverwandtschaft mit Hans Scholl.

Die Autorin reduziert die Weiße Rose auf eine politisch motivierte Widerstandsgruppe. Das ist tatsächlich ein überholtes Konstrukt aus einer Zeit, die nur solchem Widerstand Relevanz zumaß, der aus einem gesellschaftskritischen Bewusstsein heraus handelte. Bei Hans Scholl markierten aber eindeutig persönliche Kränkungen (Kriminalisierung seiner Jungenpädagogik und seine Bisexualität) den Beginn der Distanzierung vom Regime. Dass der christliche Glaube für seinen späteren - dann auch politischen ¬- Freiheitskampf konstitutiv war, belegen zahlreiche Schriftstücke und dass nach dem Krieg namhafte Interpreten (Ricarda Huch, Romano Guardini, Heinrich Mann, Inge Aicher-Scholl) es genauso sahen, spricht nicht gegen, sondern für die Richtigkeit dieser Analyse. Wie gut, dass es für diese religiöse Sicht der Weißen Rose heute wieder - da hat Frau Moll recht - reichlich "fruchtbaren Boden" gibt.

Im übrigen verweise ich auf die Website von C.H.Beck mit einer Vielzahl von Pressestimmen zu meiner Biografie: https://www.chbeck.de/zoske-m-flamme-sein_/product/21921731.


Anmerkung der Redaktion: Christiane Moll hat auf eine Replik verzichtet.