Rezension über:

Donald Sinnema / Christian Moser / Herman J. Selderhuis (eds.): Early Sessions of the Synod of Dordt (= Acta et Documenta Synodi Nationalis Dordrechtanae (1618-1619); Vol. II/2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, XLIV + 961 S., ISBN 978-3-525-57054-8, EUR 200,00
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Rezension von:
Tobias Sarx
Ratzeburg
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Sarx: Rezension von: Donald Sinnema / Christian Moser / Herman J. Selderhuis (eds.): Early Sessions of the Synod of Dordt, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 3 [15.03.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/03/31944.html


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Donald Sinnema / Christian Moser / Herman J. Selderhuis (eds.): Early Sessions of the Synod of Dordt

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1618/19 tagte die Generalsynode der reformierten Gemeinden der Niederlande in Dordrecht, um jahrzehntelange theologische und kirchenpolitische Streitigkeiten beizulegen. Bereits im Vorfeld wurde deutlich, dass die Beratungen für den gesamten Protestantismus reformierter Prägung wegweisend werden könnten. Aus diesem Grund reisten zahlreiche Delegierte aus dem europäischen Ausland (u.a. Großbritannien, Kurpfalz, Hessen, Schweiz) an, und tatsächlich gelang die Verabschiedung einer präzisen Formulierung reformierter Lehre. Die Lehrregeln von Dordrecht (nicht zu verwechseln mit dem Dordrechter Bekenntnis niederländischer Mennoniten von 1632) bilden neben dem Heidelberger Katechismus und der Confessio Belgica bis heute die Glaubensgrundlage vieler reformierter Kirchen weltweit.

Während Verlauf und Ergebnisse der Dordrechter Synode aufgrund ihres Bekenntnischarakters gut überliefert sind (bereits 1620 erschien in Leiden eine Dokumentation unter der Überschrift "Acta Synodi Nationalis"), ist wissenschaftlich bislang kaum erforscht, auf welche Weise hinter den Kulissen um Kompromisse und Einflussnahme gerungen wurde. Das liegt nicht zuletzt an einer fehlenden kritischen Edition der dazugehörigen Quellen.

Pünktlich zum 400. Jubiläum des für den reformierten Protestantismus bedeutsamen Ereignisses versucht die Johannes a Lasco Bibliothek Emden diese Lücke mit einem großangelegten Forschungsprojekt zu schließen: In neun Bänden sollen die wesentlichen zur Verfügung stehenden Dokumente gesammelt werden, die im Umfeld der Dordrechter Beratungen eine Rolle spielten. Der Gesamtumfang lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur erahnen. Während Band 1 mit den offiziellen Akten der Synode mit 646 Seiten überschaubar blieb, umfasst allein der zweite Teil des 2. Bandes 965 Seiten. 298 Dokumente aus 18 Archiven verschiedener Länder (Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Schweiz und Frankreich) ermöglichen einen tiefen Einblick in das Denken der Delegierten und deren Auftraggeber. Neben zahlreichen Briefen finden sich in dem zu besprechenden Band auch Redemanuskripte, Predigten, Empfehlungsschreiben und Stellungnahmen zu verschiedenen Standpunkten.

Zwei historische Ereignisse rahmen die in Band II/2 gesammelten Dokumente: Die offizielle Eröffnung der Synode am 13. November 1618 bildet die Abgrenzung zu Band II/1, der Ausschluss der Remonstranten am 14. Januar 1619 markiert den Endpunkt. Das Eintreffen der Leiter dieser in zentralen theologischen Punkten abweichenden Glaubensrichtung am 6. Dezember 1618 fungiert als Scharnier zwischen Teil 1 "Pro-Acta Sessions" (1-262) und Teil 2 "Procedural Debates with the Remonstrants" (263-925).

Die Feingliederung der beiden Hauptteile in zwölf bzw. zwanzig "Sections" haben die Herausgeber nach inhaltlichen Gesichtspunkten vorgenommen. Auf diese Weise war es möglich, thematisch zusammengehörige Dokumente nah beieinander abzudrucken und der interessierten Leserschaft mittels aussagekräftiger englischsprachiger Überschriften eine rasche Orientierung über das zur Verfügung stehende Material zu gewähren.

Auch auf andere Weise haben die Herausgeber bemerkenswerten Aufwand betrieben, den Quellenband nicht nur dem spezialisierten Fachpublikum zugänglich zu machen: Im ausführlichen Inhaltsverzeichnis finden sich zu jeder der 298 Quellen eine englische Überschrift und als Einleitung der Quelle meist eine kurze inhaltliche Zusammenfassung ebenfalls in englischer Sprache. Am Ende des Buches helfen vier Register bei der Suche nach relevantem Material: Das Namensregister gibt Aufschluss darüber, auf welche Gelehrten die Autoren der Quellen sich in ihrer Argumentation beriefen. Das Bibelstellenregister hilft, wiederkehrende Motive zu identifizieren. Das dritte Register ordnet die verschiedenen Quellen den jeweiligen Archiven zu, aus denen sie stammen, und den Abschluss bildet ein thematischer Index.

Für die Leserinnen und Leser, die sich in die Materie erst einarbeiten müssen, bietet Donald Sinnema (Trinity Christian College, Illinois) eine informative historische Einleitung (XXII-XXVIII). Wertvoll sind auch die editorischen Hinweise des an der Universität Zürich lehrenden Christian Moser (XXIX-XXXIII). Leiter des Gesamtprojekts ist der Kirchenhistoriker Herman J. Selderhuis (Theologische Universität Apeldoorn), der seit vielen Jahren eng mit der Johannes a Lasco Bibliothek Emden zusammenarbeitet. Die dortige Verortung der Quellenedition zeugt von der wachsenden Bedeutung der 1995 eröffneten Bibliothek als wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung des reformierten Protestantismus.

Der zu besprechende Band wird sich gemeinsam mit den nachfolgenden Bänden rasch zu einem Standardwerk entwickeln. Es ist als großer Fortschritt zu werten, dass die wirkmächtigen Dordrechter Lehrsätze nun wesentlich fundierter in ihrer historischen Genese interpretiert werden können. Den Herausgebern ist zu einem gelungenen Werk zu gratulieren - nicht zuletzt, weil sie Nutzerfreundlichkeit mit sorgfältiger und solider Quellenedition verbunden haben.

Tobias Sarx