Trevor Burnard (ed.): The Management of Enslaved People on Anglo-American Plantations, 1700-1860, in: Journal of Global Slavery 6 (2021), 1-178.

Von Stephan Conermann, Bonn

Seit Beginn der Jahrtausendwende sehen viele Forscher*innen, die über die Geschichte des Kapitalismus arbeiten, die Sklaverei als einen der Motoren der wirtschaftlichen Umwälzungen des neunzehnten Jahrhunderts. Dabei fasst man insbesondere Plantagenbesitzer*innen als geschäftstüchtige Unternehmer auf, die nicht nur diejenigen Rohstoffe (Zucker, Tabak und Baumwolle) lieferten, die den Aufstieg Europas mit begünstigten, sondern die die treibende Kraft hinter technologischen Neuerungen, dem modernen Finanzwesen, struktureller Ungleichheit und "freien" Arbeitssystemen, die weit in das 20. Jahrhundert hinein repressiv und ausbeuterisch bleiben, darstellen. Diese Interpretation ist vor allem durch Caitlin Rosenthals Buch “Accounting for Slavery. Masters and Management" (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2018) nachhaltig auf eine solide Basis gestellt worden. Anhand einer sehr gründlichen Auswertung der zahlreichen erhaltenen Rechnungs- und Haushaltsbücher von Plantagen auf Jamaika und im amerikanischen Süden verdeutlicht sie, wie Gewalt und die Kontrolle über versklavte Menschen mit unternehmerischer Innovation einhergingen.

An diese Ergebnisse knüpft das von Trevor Burnard, dem neuen Direktor des an der University of Hull angegliederte Wilberforce Institute for the Study of Slavery and Emancipation, herausgegebene Themenheft an. Die sieben Aufsätze erweitern und vertiefen unser Verständnis der Beziehung von Theorie und Praxis des Plantagenmanagements von South Carolina über Louisiana bis nach Jamaika. Ebendort befand sich die kleine Zuckerplantage "Egypt“, auf der Mitte des 18. Jahrhunderts 89 versklavte Menschen lebten. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, doch hat uns ihr Aufseher, ein Mann namens Thomas Thislewood, ein sehr detailliertes Tagebuch aus der Zeit von1751 bis 1767 hinterlassen. Anhand einer sehr genauen Analyse dieser Quelle zeichnet Nicholas Radburn das Leben von 25 Sklav*innen nach. Auf diese Weise entsteht ein sehr gutes Bild des komplexen Soziokosmos und der internen Hierarchien auf der Plantage. Eine Wohnstruktur, die für Plantagenkomplexe weitgehend einzigartig ist, stellt die Garçonnière im Süden von Neufrankreich dar. In diesen Gebäuden brachte man jugendliche oder unverheiratete Söhne von Plantagenbesitzern unter. Andrea Livesey argumentiert in ihrem Beitrag, dass mit den Garçonnières Räume geschaffen wurden, in denen zum einen die Söhne von Sklavenhalter*innen an die Gegebenheiten der Sklaverei herangeführt wurden. Zum anderen bestand in diesen rechtsfreien Gebäuden insbesondere für Sklav*innen stets die Gefahr, vergewaltigt und misshandelt zu werden. Um zwei Sklavenhalter*innen, eine fiktive und eine reale, und deren Präsenz in verschiedenen Genres der Populärkultur (Musik, Romane, Filme, Fernsehsendungen etc.) dreht sich der nächste Artikel. In Rose Hall, dem Haupthaus einer großen Plantage auf Jamaika, spukt der Geist von Annie Palmer, die ihren Mann, den Eigentümer des Anwesens, ermordet haben soll, um an seinen Beitz zu gelangen. Als Herrin etablierte sie, der Legende nach, ein besonders grausames Regime. Auch soll sie sich auf der Plantage eine Reihe von Lustsklaven gehalten haben. Delphine LaLaurie (lebte von etwa 1775 bis ca. 1842) war eine in New Orleans lebende Dame der Gesellschaft. Als ein Feuer in ihrem Haus in der Royal Street 1140 ausbrach, fand man auf dem Dachboden sieben Sklav*innen mit zum Teil schwersten Verletzungen vor. Alle waren von Delphine LaLaurie (und ihrem Mann) misshandelt und gefoltert worden. Am Ende ihres Überblicks kommt Natalie Zacek zu dem m.E. sehr interessanten Schluss: "But as long the Palmer and Lalaurie stories and their ever more numerous cultural representations continue to revel in the spectacle of individualized evil, and present their protagonists as women trying, and failing, to do a man's business of managing enslaved people, they will occlude the considerably less spectacular but far more evil systems that produced them." (76)

Im Anschluss an eine erhellende Analyse jamaikanischer Nachlassinventare aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert, die unser Verständnis von der Sklaverei in der britischen Karibik erweitert sowie die bürokratischen und buchhalterischen Techniken verdeutlicht, die zur Verwaltung der Sklav*innen zur Anwendung kamen, (Christer Petley: "Open Access Managing 'Property'. The Colonial Order of Things within Jamaican Probate Inventories", 81-107) zeigt Justin Roberts eindrucksvoll, dass es nicht die Peitschenhiebe und andere Bestrafungen gewesen sind, die die versklavten Frauen, Männer und Kinder am Ende auszehrten und für ihren oftmals vorzeitigen Tod sorgten, sondern die tagtäglichen Arbeiten, zu denen sie gezwungen wurden.

Bis vor kurzem ist die Existenz und Rolle weiblicher Sklavenhalter von der Forschung nicht hinreichend zur Kenntnis genommen worden, da man es für eine marginale und daher zu vernachlässigende Erscheinung hielt. Anhand der Geschichte der Rechtsprechung in South Carolina in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die in das Sklavengesetz von 1740 mündete, dokumentiert Inge Dorman, dass Sklavenhalterinnen seit dem Beginn der englischen Herrschaft in den Gesetzen South Carolinas zur Sklavenhaltung ausdrücklich erwähnt wurden. Herrinnen fanden explizit neben Herren Erwähnung. Die geschlechtsneutrale Rubrik "Eigentümer" umfasste beide Geschlechter, man davon ausging, dass der uneingeschränkte Besitz über versklavte Menschen in weiblicher Herrschaft ebenso verwurzelt war wie in männlicher. Neben Sklavenhalterinnen standen lange Zeit auch Plantagenaufseher*innen nicht im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. [1] Grundsätzlich hat sich aber das Centre for the Study of the Legacies of British Slave-ownership (seit Mai 2021: Center for the Study of the Legacies of British Slavery, www.ucl.ac.uk/lbs/) dieses Themas angenommen.

In dem letzten Aufsatz des Themenheftes befassen sich Laura Sandy und Gervase Phillips jedoch mit einer sehr spannenden Personengruppe, nämlich mit Aufsehern, die unter den Sklaven selbst, rekrutiert wurden: "Enslaved overseers have largely been neglected in the extant historiography of plantation slavery. At best they have been pushed to the margins of the literature, their numbers and their significance downplayed. Yet, as large plantations diversified over the latter years of the eighteenth century, and as relations between established planters and independently minded and aspirational white overseers became prone to mistrust and friction, many prominent modernizing planters, including both Washington and Jefferson, began to experiment with unfree managers." (156)

Die Beiträge in diesem interessanten Themenheft untermauern in vielerlei Hinsicht die These, dass die Plantagensklaverei ein modernes Wirtschaftsunternehmen war, dessen Arbeitsmethoden spätere Formen des Industriekapitalismus vorwegnahmen.

Anmerkung:

[1] Siehe dazu die Monographie von Laura Sandy: The Overseers of Early American Slavery: Supervisors, Enslaved Labourers, and the Plantation Enterprise, New York: Routledge 2020.