Die zehn Beiträge dieses Sammelbandes, der Ergebnisse einer 1999 in Fürstenfeldbruck abgehaltenen Tagung vereinigt, konzentrieren sich auf die verschiedenen Fassetten des mittelalterlichen Landfriedens. Der Band steht damit im Gegensatz zum 1996 erschienenen und von Johannes Fried herausgegebenen Tagungsband "Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter", der sich ganz allgemein mit der Friedensproblematik in dieser Zeit auseinandersetzt. Die Herausgeber wollten jedoch in ihrem rund 250 Seiten starken Band stärker differenzieren, als dies bei einer allgemeinen Friedensthematik möglich gewesen wäre (7). Um ihrem Ziel gerecht zu werden, haben sie einen sehr vielversprechenden Ausgangspunkt gewählt, indem sie die Landfrieden nicht nur als "Manifestationen mittelalterlicher Friedensideen" (7) begreifen, sondern sie auch als Quellen des mittelalterlichen Rechts ansehen wollen, in denen sich ein ganzes Spektrum von Herrschaftsorganisation und Herrschaftsinstrumentarien erkennen lässt.
Diesen Anspruch löst der von Rechtshistoriker und Historikern verfasste Band voll und ganz ein. Die einzelnen Beiträge reichen von der Behandlung ganzer Themenkomplexe bis zu Forschungen zu Spezialfragen. Dabei nimmt man auch Europa in den Blickwinkel. So fordert Hanna Vollrath, neben der Einordnung der Friedenstexte in die zeitgenössische Vorstellung von Recht und Gericht den gesamteuropäischen Kontext des Landfriedens zu berücksichtigen (13). Sie zeigt, dass sich in dem Umgang mit dem Landfrieden große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern feststellen lassen, stellt aber gleichzeitig einen Mangel an Quellen fest.
Mit dem Landfriedensrecht beschäftigt sich Elmar Wadle. Er hinterfragt dabei die These Angermeiers, der in den Landfriedensgesetzen nur Ausdrucksformen der Landfriedenspolitik sieht (74). Wadle fordert dagegen ein zeitgenössisches Verständnis der Texte. Er legt sein Augenmerk besonders auf die zur Friedenswahrung eingesetzten Elemente. Damit einher geht eine neuartige Beschäftigung mit den Textinhalten, die auch das geistige Umfeld berücksichtigt (77). Wadle verlangt in diesem Zusammenhang eine neue Quellenkritik und kann im Gegensatz zu Vollrath keinen Mangel an Quellen erkennen: "Vollrath hat gewiss insoweit Recht, als man sich zunächst mit den Friedenstexten selbst beschäftigen muss, mit ihrem Inhalt, ihrem Zustandekommen, ihrer Überlieferung, vor allem auch ihrer Einordnung in die zeitgenössischen Vorstellungen von Recht und Gericht. Solche Bemühungen um die Texte selbst sind unverzichtbar. Man sollte bei ihnen aber nicht stehen bleiben, sondern sorgfältig die gesamte Überlieferung, die Informationen über das Geschehen zur Landfriedenszeit bereithält, nach einschlägigen Hinweisen durchkämmen" (77) - eine Anschauungsart, die vielversprechende Ergebnisse verspricht, aber vertieft werden sollte.
Hans-Werner Goetz gibt eine ausführliche und kenntnisreiche Zusammenfassung über die neusten Erkenntnisse zum Thema und zeigt die Forschungsdefizite auf. So konstatiert er: "Die Gottesfrieden sind bisher entweder zu isoliert oder in bezug auf einzelne Elemente beschränkt, Ziele und Charakter der Bewegung meist eher behauptet oder vorausgesetzt als bewiesen und oft auch überspitzt worden. Zum andern ist die Bewegung viel stärker als bisher in ihrer Entwicklung zu betrachten" (54).
Arno Buschmann fordert in seinem Beitrag die spezifisch rechtsgeschichtliche Betrachtungsweise der Landfriedenstexte. Er weist nach, dass das Landfriedensrecht einen eigenen geschlossenen Rechtskreis des hoch- und spätmittelalterlichen Rechts bildete, das neben anderen Rechtskomplexen bestand (121).
Schubert untersucht in seinem Beitrag die Mechanismen des Landfriedens zwischen den verschiedenen Territorien.
Konkrete Beispiele der Durchführung von Landfrieden zeigen die Aufsätze von Heinz Dopsch, Martina Stercken und Michael Vollmuth-Lindenthal. Während sich Dopsch mit dem Alpen-Donauraum beschäftigt, untersucht Stercken das westliche Herrschaftsgebiet der Habsburger. Vollmuth-Lindenthal dagegen forscht über ein nördliches Territorium, das Erzbistum Magdeburg. Dabei betont er die spezifischen territorialen Unterschiede und stellt fest, dass im Magdeburger Gebiet der Landfriede nur ein Strukturelement war (230).
Mit zwei Spezialthemen befassen sich Sellert und Hehl. Ernst-Dieter Hehl fragt nach dem Landfrieden als Fall des gerechten Krieges. Dabei erkennt er, dass strikt zwischen "potestas legitima" und "privata" unterschieden wird. Infolgedessen erscheint Gewalt für die Durchsetzung eines inneren Ordnungs- und Friedenszustandes als gerechtfertigt ( 72). Wolfgang Sellert beschäftigt sich mit dem Problem der Geiselnahme und Pfändung im spätmittelalterlichen Landfrieden, wobei er eine Entwicklungslinie von 1235 bis zum Wormser Landfrieden 1495 aufzeigt.
Fazit: Insgesamt handelt es sich um einen verdienstvollen und hervorragenden Band, der den Absichten der Herausgeber voll und ganz gerecht wird und den aktuellen Forschungsstand mit Ergebnissen und auch Forschungsdefiziten widerspiegelt. Grundsätzlich fordern fast alle Beiträge eine neue Betrachtungsweise der Quellen und eine verstärkte Sicht im historischen Kontext. Ein Ansatz, der rundum zu begrüßen ist und hoffentlich auch in der Zukunft weiter verfolgt wird. Leider schmälern zwei Wermutstropfen diesen ausgezeichneten Eindruck: So hat man sich bei der redaktionellen Bearbeitung nicht einheitlich auf die alte oder neue Rechtschreibung geeinigt. Ungleich schwerer wiegt aber, dass der Landfrieden kaum in den Kontext der Entwicklung der Reichsverfassung gestellt wurde.
Arno Buschmann / Elmar Wadle (Hgg.): Landfrieden - Anspruch und Wirklichkeit (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft. Neue Folge; Bd. 98), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2002, 254 S., ISBN 978-3-506-73399-3, EUR 72,80
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