Das 18. Jahrhundert gilt gemeinhin als eine Epoche, in der die überkommenen Formen monarchischer Repräsentation zunehmend säkularisiert wurden. An die Stelle einer Sakralmonarchie, die sich durch den Bezug auf das Gottesgnadentum und durch die Betonung der "persona mixta" des Herrschers, der zugleich weltlicher Regent und Inhaber geistlicher Autorität und einer durch die Krönung und Salbung übertragenen spirituellen Kraft war, legitimierte, trat das sehr viel nüchternere Königtum der Aufklärungsepoche, das noch am ehesten durch das persönliche Charisma des Herrschers als Feldherr oder als Philosoph (oder Philosophin wie im Falle Katharinas d. Gr.) auf dem Thron einen spezifischen Nimbus gewann. Gegen diese Darstellung sind allerdings in der Vergangenheit Einwände vorgebracht worden. So hat Jens Ivo Engels darauf verwiesen, dass die offizielle Sprache des Gottesgnadentum ebenso skeptisch betrachtet werden müsse wie die großen Staatsrituale, in der die nahezu magische Kraft des Königtum gefeiert wurde, bis hin zu den "Wunderheilungen", die die Könige von England noch im 16. und 17. und, im Falle Frankreichs, sogar noch im späten 18. Jahrhundert vollbrachten. Die Masse der Bevölkerung habe ein eher weltlich-bodenständiges Bild des Königtums vor Augen gehabt, zumal in dieser Epoche an Personen, die wunderheilende Kräfte für sich in Anspruche nahmen, mochten sie nun eine Krone tragen oder nicht, kein Mangel war. Da es jenseits der Rhetorik von Hofpredigten und der feierlichen Inszenierungen des Herrschertums bei Krönungen, Beerdigungen oder zu ähnlichen Anlässen ein Sakralkönigtum nie gegeben habe, habe die Aufklärung auch keine Entzauberung der Monarchie bewirkt. [1]
Skeptisch in Frage stellen will auch der vorliegende Band die These von einer Entzauberung der Monarchie im 18. Jahrhundert. Die Tendenz der meisten Beiträge geht allerdings eher dahin, das Fortleben der religiösen Dimension monarchischer Herrschaft - wenn auch in gewandelter Form - zu betonen und nicht den sakralen Charakter der Monarchie im Zeitalter vor der Aufklärung zu relativieren. Am stärksten revisionistisch angelegt ist der die Einleitung von Michael Schaich ergänzende Beitrag von Jonathan Clark (The Re-enchantment of the World? Religion and Monarchy in Eighteenth-Century Europe). Clark polemisiert gegen eine liberale oder marxistisch inspirierte Geschichtsschreibung, die die Geschichte des 18. Jahrhunderts in teleologischer Perspektive gedeutet habe. Für Clark ist eine Interpretation, die das Ancien Regime zwangsläufig in einer säkularisierten "Hochmoderne" untergehen läßt, am Ende durch Tautologien und einen Zirkelschluß geprägt. Säkularisierung wird als notwendige Bedingung, aber auch unausweichliche Folge von Modernisierung verstanden, aber zugleich werde die inhaltliche Definition von Moderne am Ende ausschließlich oder überwiegend auf den Begriff der Säkularisierung reduziert. Das heißt nach Clark auch, dass für diese Interpretation die Vollendung des Prozesses der Säkularisierung, wie sie vor dem 11. September scheinbar erreicht war, das Ende der Geschichte war und der Beginn einer Post-Histoire universeller Beliebigkeit. Clarks Argumente sind polemisch überspitzt, aber er verweist zurecht auf die bleibende Bedeutung der konfessionellen Dimension des Politischen im 18. Jahrhundert und darauf, dass in dieser Epoche zwar der Glaube an Wunder schwand, aber nicht der Glaube an eine die Geschichte lenkende göttliche Vorsehung (providence). Im Namen einer solchen Vorsehung zu handeln, nahmen auch noch die Monarchen des 18. Jahrhunderts für sich in Anspruch (69), und ihnen sollten die cäsaristischen Herrscher des 19. und 20. Jahrhunderts folgen.
Die anderen Beiträge zu Monarchy and Religion sind sehr viel zurückhaltender im Ton als die Polemik von Clark. Sie konzentrieren sich vor allem auf religiöse Rituale wie zum Beispiel Krönungen und Beerdigungen, aber auch auf die Rolle des Klerus am Hof, der allein vier Beiträge gewidmet sind, und auf den Wandel der persönliche Religiosität der Herrscher respektive die Formen, in denen diese Religiosität inszeniert wurde.
Die Beiträge sollen hier nicht im Einzelnen aufgezählt werden. Insgesamt bestätigen sie zunächst einmal überwiegend das Bild eines Statusverlustes der Geistlichkeit am Hof und einer abnehmenden Bedeutung der religiös geprägten großen Staatsrituale. Traditionelle Krönungsgottesdienste entfielen entweder ganz oder wurden in einer Weise inszeniert, die erkennen ließ, dass man die Symbolsprache der Tradition nicht mehr verstand oder nicht mehr als adäquat empfand, wie dies etwa 1775 die Krönung Ludwigs XVI. von Frankreich (dazu der Beitrag von Chantal Grell) oder schon vorher die Krönung Joseph II. zum römischen König respektive zum designierten Kaiser in Frankfurt erkennen ließen. Die groß inszenierten Beerdigungsfeierlichkeiten für verstorbene Herrscher wurden an vielen Höfen obsolet oder wurden in die "private" Sphäre des Hofstaates verlegt wie Schaichs eigener Beitrag zu England deutlich macht. Zugleich ist jedoch eine Verinnerlichung monarchischer Religiosität zu verzeichnen, die durchaus mit einer Intensivierung des religiösen Engagements einhergehen konnte; eine Tendenz, die besonders im protestantischen Bereich stark ausgeprägt war und etwa bei Friedrich Wilhelm I. von Preußen oder bei Georg III. von England, mit dem sich Clarrissa Campbell Orr auseinandersetzt, erkennbar wird. Ein Verzicht auf die theatralische Inszenierung des Religiösen in der Öffentlichkeit und ein bewußter Demutsgestus des Fürsten ließen freilich die persönliche Frömmigkeit des Monarchen auch glaubwürdiger werden. Und eine solche Frömmigkeit stellte dann wiederum ein wichtiges Identitätskapital für das Königtum und die Dynastie dar, die zum Garanten des Konfessionsstaates im keineswegs obsolet gewordenen Kampf gegen rivalisierende religiöse Richtungen oder gegen einen "subversiven" Atheismus werden konnten.
Umgekehrt gibt es auch Beispiele für eine sich vom Christentum lösende Religiosität, die eher in einer Vernunftreligion und im Freimaurertum nach Erleuchtung suchte, wie bei Friedrich d. Großen deutlich wird. Dessen Beerdigung wurde freilich - gegen die testamentarischen Anweisungen des Königs - in großem Stil inszeniert, trug aber schon Züge eines Genie- und Heroenkultes, der sich vom Christentum gelöst hatte, wie der Beitrag von Eckhart Hellmuth unterstreicht. Die religiöse Praxis der französischen Bourbonen in Frankreich blieb im Vergleich dazu sehr viel konventioneller und traditionsbewußter, auch wenn die lange übliche Mätressenwirtschaft immer wieder zu Konflikten mit den Beichtvätern des Monarchen führte. Überdies hatte sich auch hier ein auf die Formensprache der Antike zurückgreifender "civic cult" des Königtums jenseits des Christentums entwickelt, der etwa in den Einweihungszeremonien für die zahlreichen Standbilder und Denkmäler der Könige seinen Ausdruck fand. Gérard Sabatier sieht in seinem Beitrag in solchen Zeremonien die politischen Rituale der Französischen Revolution und ihrer Zivilreligion vorgebildet. Dieser revolutionäre Staatskult trug noch Züge des Religiösen, hatte sich aber vom Christentum emanzipiert und stellte nun endgültig den abstrakten Staat und die Nation in den Mittelpunkt, nicht mehr Herrscher und Dynastie.
Schaich ist es gelungen einen anregenden Sammelband vorzulegen, der den Akzent auf die rituelle Inszenierung des Religiösen und die Rolle des Klerus setzt und dabei auch Rußland dezidiert einbezieht, während z. B. Spanien und Italien eher vernachlässigt werden. Vielleicht hätte man sich mehr Analysen zur Rolle heterodoxer religiöser Bewegungen und ihres Verhältnisses zur Monarchie gewünscht. Die Spannungen zwischen den Jansenisten und dem Königtum in Frankreich werden kaum erwähnt, und das außerhalb Preußens oft schwierige Verhältnis der Pietisten oder anderer Erweckungsbewegungen zu den Herrschern des 18. Jahrhunderts (Württemberg wäre dafür ein Beispiel, aber vielleicht auch das revolutionäre Amerika) wird nicht thematisiert. Schließlich wird auch das Problem der Fürstenkonversion, die im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert von großer Bedeutung war und die erst nach der Jahrhundertmitte abnehmende große Anziehungskraft des Barockkatholizismus für viele Herrscher erkennen lässt, (man denke an die Stuarts, deren Exilhof allerdings von Edward Gregg behandelt wird, oder an die sächsischen Wettiner) nicht wirklich angesprochen. Trotz dieser thematischen Beschränkung, die natürlich auch eine stärkere Homogenität der Beiträge verbürgt, wird Monarchy and Religion ein wichtiger Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wandel der Monarchie im 18. Jahrhundert sein, ein Wandel der, wie Schaich und seine Mitstreiter gezeigt haben, eben keineswegs auf den einfachen Nenner einer durchgehenden Säkularisierung oder einer Entzauberung des Königtums gebracht werden kann.
Anmerkung:
[1] Jens Ivo Engels: Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, Bonn 2000.
Michael Schaich (ed.): Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteen-Century Europe, Oxford: Oxford University Press 2007, ix + 500 S., ISBN 978-0-19-921472-3, GBP 60,00
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