"Vergessen Sie alles, was Sie bisher über den römischen Triumph zu wissen glaubten; verstehen Sie ihn als literarisches Konstrukt antiker Geschichtsschreiber, dessen einheitliche Konzeptionalisierung als Ritual allein systematisierungswütigen Altertumsforschern anzulasten ist." So könnte man - wenn auch in leichter Überspitzung - Beards Grundaussage zusammenfassen.
Beard hat sich eine ambitionierte Aufgabe gestellt: "opening up and exploring the triumphal culture of Rome in the late Republic and Principate" (57).
Im 1. Kapitel (7-41) vermittelt Beard anhand von Pompeius' gut bezeugtem Triumphzug 61 v.Chr. einen ersten Eindruck von dessen vielen Elementen und den verschiedenen Quellen dazu.
Das 2. Kapitel (42-71) greift weit über den Tag des Triumphes hinaus, indem es dessen Auswirkungen auf verschiedenste Lebensbereiche beleuchtet: so die Triumphbögen, die opulenten Bankette danach, die Memorierung der Triumphe in den Fasti sowie die Einstellung der Römer zum Luxus.
Im 3. Kapitel (72-106) zeigt Beard die Widersprüchlichkeit der Nachrichten über Triumphe bis zum 3. Jahrhundert v.Chr. auf und beginnt dann, die Quellengrundlage zahlreicher Elemente, welche die Forschung bisher als konstitutiv für einen Triumphzug vorstellte, in Frage zu stellen: so für die toga picta des Triumphators oder für den Sklaven hinter diesem mit der Mahnung des memento mori. Schließlich weist sie ausführlich nach, dass der Weg des Triumphzuges seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. keineswegs unverändert geblieben ist - was nicht überrascht.
Die Kapitel 4 und 5 (107-186) beleuchten die Funktion der Zurschaustellung der Gefangenen sowie der - bei den meisten Triumphen wenig beeindruckenden - Beute. Gerade die vorgeführten besiegten Herrscher und ihre Angehörigen stellten laut Beard durch das Mitleid, das sie bei den Zuschauern erregen konnten, ein schwer kalkulierbares Risiko für den Triumphator dar.
Im Zentrum des 6. Kapitels (187-218) steht die Variabilität und Zeitgebundenheit der Regeln, nach denen der Senat Triumphe gewähren konnte. Auch wenn Beard am Fall von Ciceros Bemühungen um einen Triumph seit 51 die wichtige Rolle von persönlichen Verbindungen des Aspiranten herausarbeitet, unterschätzt sie doch die starke Politisierung einer Triumphbewilligung, die von Pompeius' und Caesars Anhängern im Senat gelenkt worden sein dürfte, was auch den - von Beard (198) nicht wahrgenommenen - starken Rückgang der Anzahl von Triumphen zwischen 68 und 47 v.Chr. erklären könnte. [1]
Das 7. Kapitel (219-256) zieht den primär religiösen Charakter des Triumphzuges in Zweifel, den man bisher an der Kleidung des Triumphators, seinem rotgefärbten Gesicht oder dem von weißen Pferden gezogenen Triumphalwagen festmachen zu können glaubte. Erst für die späte Republik konstatiert Beard eine Identifizierung des Triumphators mit dem Gott.
Das 8. Kapitel (257-286) ist um die Abgrenzung des Triumphrituals bemüht, u.a. gegenüber der ovatio und dem triumphus in monte Albano. Unter den seit der Triumviratszeit immer stärker ausgeweiteten triumphähnlichen Zeremonien führt sie den Friedensschluss zwischen Bürgerkriegsgegnern, die Rückkehr des Kaisers in die Stadt oder auch später den Umzug zum Amtsantritt der Konsuln auf.
Im Schlusskapitel (287-330) weist Beard u.a. am Problem der spolia opima die Rückprojektionen späterer Autoren als Mittel zur Erfindung von Traditionen nach. Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen inschriftlichen Fasten mit Triumphalnotizen machten deutlich, "that no single history of this ritual ever existed" (305). Beards ausführliche Analyse der archäologischen Zeugnisse, die als Belege für den etruskischen Ursprung des Triumphrituals angeführt werden, führt sie zur Ablehnung dieser These. Der Triumph fand aufgrund der Bindung zentraler Elemente an die Sakraltopografie Roms im christlichen Konstantinopel keinen eigenen Platz mehr und verschmolz u.a. mit dem kaiserlichen adventus-Zeremoniell.
Ein Bild mag Beards Umgang mit anderen Forschermeinungen illustrieren: Bevor all die - nach ihrer Auffassung! - unzulässigen Verallgemeinerungen der antiquarischen Forschung, die haltlosen Spekulationen der Studien zu den Ursprüngen des Triumphes sowie die Banalitäten der Ritualforschung der Vergessenheit anheimgegeben werden, dienen ihre Urheber in Beards Triumphzug noch als "Kriegsgefangene". Und wie im "echten" Triumphzug werden deren Waffen, d.h. die Thesen und Argumente, in ganzen Haufen, aber getrennt von ihren früheren Trägern vorgeführt, so dass erst im durchaus ausführlichen Anmerkungsanhang die "besiegten" Forscher zu identifizieren sind. Die Schau stiehlt der triumphatrix über - wie es scheint - die gesamte moderne Forschung so weder einer der Gefangenen noch einer der eigenen Verbündeten, die sie nur einer summarischen Erwähnung würdigt. [2]
Beard gelingt es, die verbreitete Vorstellung von einem über die Jahrhunderte konstanten und uniformen Triumphritual zu erschüttern. Die - keineswegs neue - These, dass Livius, Plinius d.J., Flavius Josephus u.a. durch Rückgriffe auf frühere Autoren zentrale Elemente eines Siegeszuges, dessen sie selbst womöglich niemals ansichtig geworden sind, verdichtet hätten zu einem "ritual in ink" - dies das Schlüsselwort zum Verständnis des Buches -, das mit dem jeweiligen tatsächlichen Ablauf oft nur noch wenig gemein hatte, überzeugt - soweit es die Diskursebene betrifft.
Allerdings ist dieses Ritual keineswegs erst auf dem Papyrus entstanden, sondern über Jahrhunderte auf den Straßen Roms zur Symbolisierung seiner Sieghaftigkeit vollzogen worden. Warum zigtausend Römer das taten und welche gesellschaftlichen Funktionen das Ritual erfüllte, eine Erklärung dafür bleibt Beard weitgehend schuldig. Dieses grundlegende Defizit erklärt sich aus ihrem Konzept einer "Roman triumphal culture", der sie - allein schon durch den Kultur-Begriff sowie durch die Überschätzung der Intertextualität - eine solch hohe Autonomie gegenüber anderen öffentlichen wie auch privaten Zeremonien der Römer zumisst, dass sie deren Gegenüberstellung mit den circensischen Spielen, den ludi Romani und anderen Umzügen, besonders den pompae funebres, rundheraus ablehnt (280-286). Dabei hätte ihr Vergleich im Hinblick auf die Stationen des Umzuges, die teilnehmenden Gruppen sowie die gefeierten Personen und Leistungen ein ganzes Raster von Normen und Idealen aufgezeigt, an dem die ganz spezifischen Wirkungsweisen des Triumphrituals abgelesen werden könnten. [3] Die nur vergleichsweise selten gefeierten Siegesumzüge konnten sich u.a. deshalb erst zu einem Ritual entwickeln, weil sie sich auf Elemente der anderen pompae und ludi bezogen, die weit häufiger begangen wurden.
Beards Buch liefert wertvolle Analysen zu den antiquarischen Details und zum literarischen Diskurs und macht diese durch ein ausführliches und gut gegliedertes Register (424-434) leicht zugänglich. Dennoch steht das Fehlen einer Einordnung des Triumphes in die politische Kultur Roms seinem Avancement zum textbook über den römischen Triumph entgegen. Die Forschung ist in zentralen Bereichen schon weiter fortgeschritten.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Schol. Bob. Cic. Vat. 30.
[2] Direkt vor der Bibliografie (394). Darunter ist Tanja Itgenshorst: Tota illa pompa. Der Triumph in der römischen Republik (= Hypomnemata; Bd. 161), Göttingen 2005 hervorzuheben, die schon einen erklecklichen Anteil an der Dekonstruktion antiker Triumphberichte beigesteuert hat.
[3] Vgl. Karl-Joachim Hölkeskamp: Pomp und Prozessionen. Rituale und Zeremonien in der politischen Kultur der römischen Republik, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 2006 (2007), 35-72 mit ausführlichen Literaturverweisen. Dass Beards Ansatz dafür nicht die nötige Trennschärfe aufweist, zeigt ihre Bemerkung (333): "The triumph [...] may well have had a role in the complicated trade-offs in Rome between individual prestige and the interests of the communality. But was not that the case with almost every form of public ritual?"
Mary Beard: The Roman Triumph, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2007, 434 S., ISBN 978-0-674-02613-1, USD 29,95
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