Festschriften haben immer wieder die wichtige Aufgabe übernommen, Methodenfragen zu diskutieren oder zumindest Beiträge einer bestimmten methodischen Richtung zu versammeln, sodass hierüber eine Auseinandersetzung möglich wurde. So auch im Fall des Bandes Patronage and Italian Renaissance Sculpture, der sich allerdings sehr diskret und erst auf den zweiten Blick als Festschrift für John T. Paoletti zu erkennen gibt. Auch wenn Paoletti sicherlich nicht als Begründer der Auftraggeberforschung gesehen werden muss, sind ihm doch für den anglo-amerikanischen Raum wichtige Beiträge zu verdanken, weshalb ihm in dieser Form eine Hommage mit neun Aufsätzen zu dem Thema - spezieller noch zu seinem eigentlichen Spezialgebiet, der Auftraggeberforschung in der italienischen Renaissanceskulptur, gewidmet wird. Das Inhaltsverzeichnis liest sich dementsprechend nahezu als who is who der amerikanischen Forschung zur Renaissanceskulptur aus den letzten 30 Jahren, ergänzt um einzelne jüngere und einzelne britische Beiträger.
Doch die Forschung zur italienischen Renaissanceskulptur ist in fast unüberschaubarem Maße angewachsen, weshalb sich vor allem die Frage nach der Geschlossenheit eines derartig auf eine Methode fokussierten Bandes stellt, der immerhin Beiträge zur Skulptur beginnend mit dem späten 13. Jahrhundert bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts versammelt und damit die Entstehung von Kunst in sich radikal wandelnden politischen Umfeldern und unter mindestens genauso radikal veränderten geistesgeschichtlichen Voraussetzungen thematisiert.
Instruktiv zu lesen ist die Einleitung der beiden Herausgeber Wren Christian und Drogin, die den aktuellen Stand der Auftraggeberforschung im anglo-amerikanischen Raum in einer Komplexität zeichnet, wie sie dann leider kaum ein Beitrag des Bandes erreicht. Hier wird nicht nur deutlich auf die partikulären Entstehungsbedingungen von Skulptur hingewiesen, sondern dies auch mit der Frage nach der hierfür notwendigen Rolle und Funktion des Auftraggebers in der frühen Neuzeit verknüpft. Erklärtes Ziel des Bandes ist es, in Einklang mit dieser jüngeren Forschung von einerseits romantischen Modellen sich frei aus dem Genie entfaltender künstlerischer Kreativität wegzukommen, andererseits aber auch die Konzentration auf Eins-zu-eins-Beziehungen zwischen einem großen Künstler und einem bedeutenden Auftraggeber zu hinterfragen und dafür stärker das Kollektiv bzw. eine bestimmte Gesellschaftsschicht als eigentliche Auftraggeber zu erkennen. Das erinnert für deutsche Ohren teilweise befremdend an Modelle der spätmarxistischen Kunstgeschichte und es fragt sich, ob mit einer derartigen Loslösung von Persönlichkeiten etwas substantielles gewonnen wird oder nicht vielmehr eine weitere Atomisierung der Kunstgeschichte in erneut nur noch lokal begrenzte Künstlergeschichten oder Lokalkunstgeschichten befördert wird. Der in seiner Vorrede diesbezüglich erhellende letzte Beitrag des Bandes von Robert W. Gaston bringt es auf den Punkt, was sowohl die Einleitung als auch alle weiteren Autoren gern verschweigen: auch die Auftraggeberforschung ist nur eine Rekonstruktion eines historischen Momentes, die genau so wie andere Methoden eine historische Faktizität für sich beansprucht, ohne indes die nötige historische Fundierung hierfür in Form von Dokumenten zu besitzen.
Über die Rolle des Auftraggebers informiert eben in keinem Fall ein Dokument, sondern es sind in letzter Instanz immer die Werke selbst oder der Vergleich eines Werks mit einem oder mehreren, für einen anderen Zusammenhang oder Ort geschaffenen Werken, der auf einen wie auch immer gearteten Eingriff des oder der Auftraggeber in den Entstehungsprozess einer Skulptur rückschließen lässt. Dies kann nicht einfach umgekehrt werden, wie dies jedoch als gängige Praxis immer wieder in Zuschreibungsfragen unternommen worden ist und in diesem Band besonders den Beitrag von David G. Wilkins zu Donatello in eine methodische Schieflage bringt: aus der (nur durch spätere Quellen gewonnenen) Kenntnis, dass Donatello nicht nur für die Medici, sondern besonders auch für die Familie Martelli gearbeitet hat, werden ihm einfach von den Martelli in Auftrag gegebene Skulpturen zugeschrieben, die ansonsten in seinem Œuvre keinen Platz finden.
Überhaupt Donatello - seit Ames-Lewis' einschneidend-polemischem Aufsatz [1] scheint jegliche stilkritische Annäherung an das Œuvre und generell für die Renaissanceskulptur diskreditiert. Diese Prämisse wirkt bei nahezu allen Autoren des Bandes nach, die, obwohl sie sich auf Werke beziehen, selten deren Entstehungskontext und lokale Traditionen einbeziehen, sondern durch Ausblendung oder Marginalisierung dieser eigentlich entscheidenden Kriterien die Rolle des Auftraggebers auf-, ja oft überbewerten. Umgekehrt folgt aus dem Trugschluss, dass ein bedeutender Auftraggeber auch für die Entstehung eines bedeutenden Kunstwerks verantwortlich sein müsse, vielfach eine irreführende Dekontextualisierung der behandelten Werke, was besonders bei den Beiträgen von Drogin und Zuraw auffällt. Gerade angesichts der bescheidenen Qualität der hier behandelten Grabmonumente in Bologna und Rom ist die Frage nach den Intentionen ihrer Auftraggeber viel stärker an dem lokalen Produktionsniveau zu messen, was dann allerdings zu eher ernüchternden Schlüssen hinsichtlich der Bedeutung der Monumente führen würde. Gerade in dieser Hinsicht sind die von Zuraw diskutierten römischen Grabmonumente ein - letztlich wenig überraschendes - Paradebeispiel dafür, was dabei herauskommt, wenn mehrere Auftraggeber ein Monument bei Bildhauern in Auftrag geben, die ihrerseits dann auch noch arbeitsteilig operieren: wie bei öffentlichen Aufträgen heute siegt dabei weder Qualität noch Originalität, und insbesondere das Brusati-Monument ist selbst gemessen an dem insgesamt bescheidenen Niveau römischer Skulptur der Zeit ein schwaches Werk.
Der Beitrag von Roger J. Crum eröffnet dann die letztlich für das Quattrocento zentrale Perspektive auf die Florentiner Skulptur in und vor allem außerhalb von Florenz. Doch entgegen des Obertitels geht es hier weniger um die Auftraggeber als um die Aufträge und die Frage, was unter diesen Umständen als 'Florentinisch' gelten könne. Wie Wilkins' Artikel zu Donatello bietet auch Crum einen guten Überblick über die verschiedensten Aufträge, doch entsteht dadurch kein wirklicher Erkenntnisgewinn für den Leser.
Die letztlich entscheidende Frage, wie denn der Prozess der Aushandlung einer Werkgestalt zwischen Auftraggeber und Bildhauer vorzustellen sei, spricht jedoch kein einziger Beitrag an. Pincus' lesenswerte Miniatur zu Pietro Lombardos Dante-Grabmal in Ravenna argumentiert hier stattdessen auf zwei Ebenen: einer kontextorientierten, auf der sie überzeugend die Rolle des Auftraggebers Bernardo Bembo bei der Etablierung eines neuen Dantebildes zwischen Florenz und Venedig herausarbeitet, und einer künstlerischen, auf der sie recht oberflächlich auf die Rolle der Physiognomie und des Porträts im Œuvre Pietro Lombardos hinweist. Wie diese Ebenen konkret zusammengekommen sein sollen bleibt ungeklärt, denn das Vorhandensein von Prototypen wie Michelinos Dante-Bild im Florentiner Dom reicht für sich kaum aus, um zu erklären, wie ein venezianischer Bildhauer, konfrontiert mit den neuen abstrakten Vorstellungen der Florentiner Intellektuellen zur Bedeutung Dantes, ein in gleicher Weise neuartiges Porträt des Dichters geschaffen haben soll.
Ein dialektisches Meisterstück ist dagegen William Wallace geglückt, weist er doch nach, warum Michelangelo nie Auftraggeber hatte oder besser: wie es ihm zunehmend gelang, sich von jeglicher Einflussnahme von Seiten potentieller Auftraggeber frei zu machen. Den eindeutigen Sonderstatus Leonardos und Michelangelos betonend, kann Wallace so einerseits zeitgenössische Erwartungshaltungen hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten aufzeigen, andererseits aber auch die Strategien, mit denen Michelangelo konsequenter noch als Leonardo gegen diese Erwartungshaltungen arbeitete, analysieren. Dadurch entsteht nicht nur geradezu nebenbei ein für die Michelangelo-Forschung neues Bild, das Wallace aus seiner jüngsten Biografie des Meisters bezieht [2], sondern er zeigt zugleich auch die Grenzen der Auftraggeberforschung auf. Denn in vielen Fällen der frühen Neuzeit könnte man auf Seiten der Künstler die gleichen Intentionen wie die Michelangelos rekonstruieren, woraus kaum überraschend deutlich wird, dass eine zu große Einflussnahme der Auftraggeber die künstlerische Kreativität behindert.
Doch auch hier gibt es Ausnahmen, zu denen sicherlich das Monument des Frühabsolutismus schlechthin gehört, Giambolognas Reiterstandbild Cosimos I. Dieses steht im Mittelpunkt des Beitrags von Sarah Blake McHam und mit ihm die Frage nach den Intentionen seines Auftraggebers Ferdinando I. Dem deutschen Leser ist das Monument durch die auch von McHam zum Teil zitierten Beiträge von Dietrich Erben grundlegend in seiner politischen Sinndimension erschlossen worden, eine Reihe deutscher Publikationen zu Reiterdenkmälern aus den letzten Jahren gipfelt in dem Monument oder schließt es doch zumindest an prominenter Stelle mit ein. [3] All das sucht man jedoch in dem Beitrag von McHam vergebens, die in ihrer Auseinandersetzung mit den Intentionen des Auftraggebers Ferdinando I. und der Programmatik der hierfür entscheidenden Sockelreliefs teilweise hinter den von Erben erarbeiteten Stand der Forschung zurückfällt.
Robert W. Gastons abschließender Aufsatz zu Pirro Ligorios Neapolitaner Manuskript über Wasser und Brunnen im antiken Rom sprengt dann letztlich nicht nur die thematische Einheitlichkeit des Bandes unter dem Gattungsbegriff der Skulptur, sondern geht zudem auch nur am Rande auf die Frage nach Ligorios Auftraggebern ein. Der ansonsten lesenswerte Beitrag lässt erkennen, welches Geflecht aus antiquarischer Rekonstruktion und Argumentation im päpstlichen Rom des mittleren Cinquecento den Bau vorgeblich antikennaher Nymphäen anregte.
Wie alle Festschriften hinterlässt der Band den Leser etwas ratlos. Denn neben innovativen Ansätzen zur Auftraggeberforschung und substantiellen Beiträgen zur italienischen Skulptur des 15. und 16. Jahrhunderts finden sich nicht nur in epochaler, sondern auch in thematischer Hinsicht Ausbrecher, darüber hinaus aber auch Beiträge, die schlichtweg auf ein längst überwundenes Niveau der Diskussion zurückfallen, wie etwa der Aufsatz von Ames-Lewis zu Giovanni Pisanos Inschriften oder McHams Beitrag zum Cosimo-Monument. Wie sich zeigt, sind die Beiträge letztlich zu disparat gestreut, um sich zu einem Gesamtbild zusammenschließen zu können, dennoch vermittelt der Band ein aufschlußreiches Bild der gegenwärtigen Auftraggeberforschung im anglo-amerikanischen Raum, wo diese Richtung ja ohnehin eine weitaus größere Geltung genießt als in der deutschen Forschung.
Anmerkungen:
[1] Francis Ames-Lewis: Art history or "Stilkritik"? Donatello's bronze David reconsidered, in: Art history 2 (1979), 139-155.
[2] William E. Wallace: Michelangelo. The artist, the man, and his times, Cambridge (u.a.) 2010.
[3] Joachim Poeschke / Thomas Weigel / Britta Kusch-Arnhold (Hgg.): Praemium Virtutis III, Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus (= Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme; Bd. 22), Münster 2008; Volker Hunecke: Europäische Reitermonumente: ein Ritt durch die Geschichte Europas von Dante bis Napoleon, Paderborn (u.a.) 2008.
Kathleen Wren Christian / David J. Drogin (eds.): Patronage and Italian Renaissance Sculpture, Aldershot: Ashgate 2010, XVII + 267 S., ISBN 978-0-7546-6842-8, GBP 55,00
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