Eine gedruckte Zusammenstellung "elektronischer Informationsressourcen" wirkt heutzutage auf den ersten Blick anachronistisch. Die Konzeption des anzuzeigenden Bandes zeigt jedoch, dass der Autor sich des Risikos der sofortigen Inaktualität seiner Zusammenstellung durchaus bewusst ist. Klaus Gantert macht schon in der Einleitung klar, dass er nicht eine umfassende Darstellung aller elektronischen Informationsressourcen für Historiker geben möchte: Schon die starke Binnengliederung des Fachgebiets ließe ein solches Anliegen schwierig erscheinen. Dazu kommt das von ihm allerdings nicht angesprochene Problem der ständigen Weiterentwicklung der im Internet verfügbaren Informationsressourcen. Stattdessen geht es Gantert darum, "vor allem die Kenntnis der für Historiker [und Historikerinnern] relevanten elektronischen Informationsressourcen zu vermitteln und ihre Beurteilung zu ermöglichen (Ressourcenkompetenz)" (4). Zielgruppe sind Historiker und Bibliothekare, die sich einen Überblick über vorhandene Ressourcen und deren Anwendung verschaffen möchten. Gantert strebt eine "praxisnahe und praxisbezogene Einführung" in ein Themengebiet an, das trotz seiner Aktualität in der "Hochschulausbildung bis heute leider oft noch stark vernachlässigt wird" (V). Vorweggenommen sei denn auch, dass in diesem Praxisbezug eine der großen Stärken des Buches liegt.
Zunächst ist jedoch anzuzeigen, welche elektronischen Informationsressourcen die vorliegende Publikation behandelt. Gantert beginnt mit einer Einführung in die Grundlagen und Grundfunktionen von Datenbanken sowie deren Bedienung und führt sodann in das Datenbank-Infosystem (DBIS) ein. Darauf folgen ein Exkurs zu National- und Allianzlizenzen sowie die Vorstellung einiger lokaler Fachportale und elektronischer Einführungen.
Grundlegend ist zunächst eine ausführliche Einführung in Bibliothekskataloge, deren Grenzen und Möglichkeiten sowie Tipps zur Recherche in diesen Katalogen. Auch für den Rezensenten bot insbesondere das Kapitel über "moderne Entwicklungen von Bibliothekskatalogen" Hinweise auf ihm bisher unbekannte Funktionalitäten (Recommender-Funktion, Social Cataloging und Social Taging sowie Alert-Dienste (42-46)). Hieran schließt sich ein Überblick über die derzeit verfügbaren Verbundkataloge und deren Erschließungsmöglichkeiten für die Nutzer an.
Zentral ist die Einführung in die wichtigsten derzeit verfügbaren Bibliografien (Nationalbibliografien, Fachbibliografien, Spezial- und Personalbibliografien sowie Regionalbibliografien und landesgeschichtliche Fachportale). Auch hier steht die praxisnahe Beschreibung der jeweiligen Recherchemöglichkeit im Vordergrund.
Der geschichtswissenschaftlichen Zeitschriftenliteratur und deren verschiedenen Erschließungsmöglichkeiten - genannt seien hier beispielhaft nur die Online Contents Geschichte, die Internationale Bibliografie der geistes- und sozialwissenschaftlichen Zeitschriftenliteratur (IBZ) und das Web of Knowledge oder der Arts and Humanities Citation Index - widmet sich ein Kapitel, das ausführlich die Funktionalitäten der verfügbaren Hilfsmittel bei der Suche nach nicht selbstständiger Literatur zeigt. Ein Kapitel über E-Books beschließt den ersten, breiter angelegten Abschnitt der Publikation.
Der Fokus in den nachfolgenden Kapiteln ist deutlich fachspezifischer. So werden nun digitale Bibliotheken mit historischen Schwerpunkten, geschichtswissenschaftliche Informationen im Internet, Fachportale und virtuelle Fachbibliotheken zur Geschichte sowie wichtige Nachschlagewerke für Historiker vorgestellt. Hinweise auf handschriftliches Quellenmaterial - Handschriften, Nachlässe und Autographen - sowie zu Recherchemöglichkeiten bei der Suche von Archiven sowie deren Beständen runden diesen insgesamt guten Überblick ab.
Sehr informativ ist ein umfassendes Kapitel über die Informationsressourcen zu historischen Hilfswissenschaften. Wichtig und aktuell angesichts der zunehmenden Bedeutung der heutigen Massenmedien ist das Kapitel über Geschichte in den Massenmedien. Gantert stellt hier das ganze Spektrum an E-Ressourcen von gedruckten Zeitungen über Bild- und Tonmaterial sowie von Ton- und Filmmaterial vor. Ein Kapitel zu Rezensionen im Internet und zu Kommunikationsplattformen steht am Ende des Buches.
Der Autor wagt in seiner Aufstellung einen Rundumschlag, wobei die Vermittlung von Recherche- und Informationskompetenz im Vordergrund steht. So stellt sich denn auch die Frage, warum er als Zielgruppe neben Historikern und Bibliothekaren nicht auch die Studierenden der Geschichtswissenschaft mit einbezogen hat. Gerade in der universitären Lehre entsteht zunehmend der Eindruck, dass die oftmals als digital natives bezeichnete jüngere Generation angehender Historikerinnen und Historiker mitnichten besser mit den verfügbaren elektronischen Informationssystemen umgehen kann oder von Haus aus über besondere Recherchekompetenz verfügt. Die Vermittlung des Bewusstseins, dass Recherche mehr bedeutet als die Eingabe eines einzigen, oft statischen Begriffs in eine einschlägige Suchmaschine oder die Online-Enzyklopädie Wikipedia gehört heute zu den wichtigsten Aufgaben der Propädeutik. Denn gerade für Studierende der Geschichtswissenschaft stellt dies eine der Kernkompetenzen dar, die beim späteren Berufseinstieg - auch und insbesondere außerhalb von Forschung und Lehre - von zentraler Bedeutung sein wird. Hier hätte sich also eine wichtige Baustelle aufgetan, zu der das Buch einen erheblichen Beitrag hätte leisten können - eben als Handbuch für Studierende.
Trotz der praxisnahen Erklärung der Funktionalitäten der beschriebenen Ressourcen taugt das vorliegende Buch gerade dafür aber nur bedingt. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang nämlich ein ausführlicherer Abschnitt zum Thema Informationsüberflutung und Informationskompetenz gewesen. Bedenklich ist überdies die bisweilen nicht zur Reflexion anregende Auflistung von Informationsressourcen, die eine besondere Anforderung hinsichtlich der Bewertung der jeweiligen Suchergebnisse stellen. Wenn "Informationsressourcen" wie Google (185), Google Books (180) oder Wikipedia (226) neben den wissenschaftlichen Hilfsmitteln wie der IBZ, den Jahresberichten für deutsche Geschichte oder dem Web of Knowledge stehen, wäre eine Einführung oder zumindest ein Hinweis auf die Notwendigkeit von Medienkompetenz und des kritischen Umgangs mit Medien unbedingt erforderlich gewesen. Informationen dazu sucht der Leser jedoch vergeblich.
Dennoch und auch wenn die Druckpublikation einer Einführung in elektronische Medien wohl kaum eine Haltwertzeit von mehr als 5-10 Jahren haben dürfte, gehört das vorliegende Buch gerade wegen seiner Praxisnähe in die Lehrbuchsammlung einer historischen Bibliothek. Neben dem Literaturverzeichnis erleichtert nicht nur ein Orts-, Sach- und Personenverzeichnis das schnelle Nachschlagen einzelner Hilfsmittel, sondern auch eine in den Anhang angefügte alphabetische Liste aller behandelten Informationsressourcen. Klaus Gantert hat damit eine Publikation vorgelegt, die sowohl erfahrenen Historikern und Bibliothekaren ein schnelles Nachschlagen ermöglicht als auch für Nachwuchshistoriker und die universitäre Lehre - freilich mit den genannten Einschränkungen - nützlich sein kann.
Klaus Gantert: Elektronische Informationsressourcen für Historiker (= Bibliotheks- und Informationspraxis; 43), Berlin: De Gruyter 2011, XII + 428 S., mit 120 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-023497-8, EUR 59,95
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