sehepunkte 12 (2012), Nr. 11

Panagiotis P. Iossif / Andrzej S. Chankowski / Catharine C. Lorber (eds.): More than Men, Less than Gods

Der umfangreiche und gehaltvolle Band geht auf ein lebhaftes Athener Kolloquium zurück, welches Aspekten des antiken Herrscherkultes galt. Die siebzehn Referate wurden für den Druck verarbeitet, oft (und in einigen Fällen erheblich) erweitert und um einen einführenden Beitrag zum Forschungsstand von Chankowski sowie um abschließende und ausblickende Bemerkungen von Iossif und Lorbeer ergänzt. Neun verschiedene Register (713-735) erhöhen die Nützlichkeit des Werkes.

Die grundsätzliche Gliederung ist chronologisch. Zuerst umfasst eine Einheit (drei Beiträge) vorderasiatische / vorhellenistische Formen / Elemente von Herrscherkult (15-155), der dann die zwei Haupteinheiten zu hellenistischen und kaiserzeitlichen Erscheinungen dieses historischen Phänomens folgen (jeweils sieben - 157-455 - und sechs - 457-647 - Aufsätze), während auch die Peripherie der klassischen Welt durch einen Artikel zu Parthien (649-690) vertreten ist. Wie immer bei Kolloquien darf man natürlich auch hier keine Behandlung aller Hauptpunkte und -varianten des Oberthemas erwarten. Dem Band gelingt es aber sehr oft, zumindest wichtige Impulse zu kritischen Aspekten der untersuchten Problematik zu liefern. Zwei besondere Merkmale wirken tonangebend und positiv bei dieser Studienpalette: (a) eine betont multi- und interdisziplinäre Herangehensweise, die schriftliche und ikonographische Quellen berücksichtigt; (b) die systematische Erhellung der 'lokalen', d.h. vor allem der nicht-griechischen Substrate und Komponenten des hellenistischen und kaiserzeitlichen Herrscherkults.

Im Bereich der vorhellenistischen Zeugnisse zum Herrscherkult wird insbesondere aufgrund der achämenidischen Ikonographie (Darstellungen des Dariusgrabes interpretiert in Zusammenhang mit Siegelmotiven aus den Persepolis-Archiven) die religiöse Untermauerung der Position des persischen Großkönigs durch häufige Bezüge auf die Vertreterfunktion des staatlichen Oberhaupts gegenüber Auramazda aufgezeigt (M.B. Garrison). Dabei ist aber meistens von einer Assimilierung (65) von Gott und König zu sprechen, ein regelrechter iranischer Königskult ergibt sich hingegen nicht (vgl. 66-67). Die Feststellung einer Annäherung königlicher und göttlicher Repräsentationsformen auf Münzen Palästinas (bes. Samarias) unter achämenidischer Herrschaft (H. Gitler) kommt ebenfalls einer auch symbolischen Identifikation von Auramazda und persischem König nicht gleich. Insgesamt unterstreichen diese Studien eher den ikonographisch-religiösen Nimbus des persischen Königs ohne die traditionelle These seiner vom iranischen Hauptgott völlig abhängigen Dienerfunktion zu revidieren. Bei den Teukriden aus dem zyprischen Salamis, Euagoras' Familie, kann man auch nach ausführlicher Untersuchung des relevanten weiteren Materials (C. Baurain) keine Spuren einer über die Tradition griechischer Verehrung von 'Großeuergeten' und ihrer literarischen Erhöhung (Isokrates) gehenden Kultpraxis feststellen. Die Interpretation des Rituals am Grabhügel 77 von Salamis kann übrigens auch in die frühhellenistische Zeit inhaltlich zu verorten sein (ich habe anderswo seine Interpretation in Zusammenhang mit Grabehren des Demetrios Poliorketes für seinen Vater Antigonos Monophthalmos einige Zeit nach Ipsos vorgeschlagen).

Im Bereich des Hellenismus kommt man dann mit dem Ithyphallos für Demetrios Poliorketes in Athen auf festeren, anscheinend bisher gut erforschten Boden. Eine brillante neue Analyse dieses einmaligen Gedichts (A. Chaniotis) wirkt sowohl synthetisch in Bezug auf die frühere Forschung wie auch innovativ, indem der zeitliche (Koinzidenz mit den eleusinischen Mysterien) und rituelle (Verbindung mit Dionysos und dem Theater) Rahmen dieses Textes viel besser erläutert wird. Eine dabei angeschnittene Frage ist der Begriff isotheos/-oi und sein Verständnis (181, 183), worauf noch zurückzukommen ist. Den Seleukiden gelten zwei gekonnte Studien: einerseits wird einleuchtend die Stiersymbolik auf den Münzenporträts der Seleukiden als eng mit der indigenen babylonischen und iranischen Tradition interpretiert (O.D. Hoover), während die Projektion des Apollo-Toxotes-Motivs auf den seleukidischen Münzen als eine Annäherung der Dynastie an die Selbstdarstellung orientalischer Herrscher seit akkadischer und bis in die achämenidische Zeit (P.P. Iossif) gedeutet wird. Freilich dürfte man im ersten Fall auch die Bedeutung des 'Hornporträts' Seleukos' I. als ebenfalls wichtige Verbindung mit dem ähnlichen Münzbild Alexanders berücksichtigen, im zweiten die Datierung der ganzen diesbezüglichen Propaganda in die Zeit Antiochos' I. wohl bestreiten. Den Ptolemäern ist eine gleichwertige Trilogie gewidmet. Die ptolemäische aigis wird eingehend in ihrem ägyptischen Anspielungsgehalt, Alexander aigiochos als das Hauptsymbol des dynastischen Kultes der Ptolemäer und der letzteren Aufnahme dieses Symbols in ihre Münz- und sonstige Repräsentationstypologie als ein geschickter Verweis auch auf das religiöse Repertoire Ägyptens, besonders auf den Horuskult, erkannt (C.C. Lorber). Die Kalenderreform unter Euergetes I. (Kanoposdekret) wird in den Rahmen der herrscherlichen Selbstdarstellung dieses Königs und Berenikes II. als kosmische Gottheiten eingeordnet und mit interessanten Bemerkungen zum Scheitern jener Reform (einheimischer 'Widerstand' oder blosse Beamtenlethargie?) gekoppelt (H. Hauben). Eine ablehnende Haltung gegenüber der oft angenommenen ikonographischen Identifikation der Ptolemäerinnen (vor allem Kleopatatras III.) mit Isis empfiehlt das genaue Studium der Kunstdenkmäler, insbesondere des reichen Materials von Siegelabdrücken aus Edfu (D. Plantzos). Eine sehr nützliche Zusammenstellung und erste Besprechung der ehrenden hellenistischen Königsbeinamen auf Münzen (F. De Callataÿ - C.C. Lorber) führt zu einigen wichtigen Schlüssen (wie die Häufigkeit solcher Zusätze im Seleukidenreich und in Parthien, während Ähnliches in den westlicheren Monarchien fehlt). Das gesammelte Material erscheint hier auch in der Form tabellarischer Anhänge, allerdings mit manchmal fehlerhaften Stichwortangaben, z.B. Epiphanes (statt Epiphanous) Dionysou.

Der Herrscherkult in der römischen Welt weist im Band eine größere thematische und geographische Variation auf. Eine Studie zur Ehrung des Marcus Antonius in Thessaloniki kann über interessante Hypothesen (Bezug zum Dionysoskult anderswo) und gute topographische Bemerkungen (zum Vardartor) nicht hinausgehen (Em. Voutiras). Die simple These eines Gegensatzes zwischen einem staatlichen Impositionsmodell des Kaiserkults im Westen des Reiches gegenüber einer freiwilligen Gründung solcher Kultformen im Osten wird ausführlich zurückgewiesen und durch ein nuanciertes Bild ersetzt (F. Lozano), wonach oft beide Faktoren im ganzen Reich zusammenwirkten. Die lokalen Traditionen als oft mit entscheidendes Fundament des Kaiserkults stellt schön eine vergleichende Studie der relevanten Daten von Pergamon, Athen und Ephesos heraus (M. Kantirea), während eine detaillierte (manchmal übersystematische) Studie den Formularvarianten von Dedikationstexten (z.B. zum Sinn der verschiedenen Kasus zur Angabe des Honoranden) in Zusammenhang mit dem Kaiserkult gilt (M. Kajava). Das sorgfältig verarbeitete numismatische Material aus dem kaiserzeitlichen Phönizien ergibt wenig zum Thema (Z. Sawaya), dafür werden aber kritische Aspekte des Kaiserkults in Ägypten erhellt: so zur Mitsteuerung des Kults durch die Statthalter und ihre Untergeordneten, zu Tempeln des Kaiserkults, über spezifische (Feier-)Tage für die Kaiserehrung, zum Gebrauch des Kaisernamens bei Eiden und zur Auswahl von Adjektiven in der kaiserlichen Titulatur und ihrer Entwicklung, die u.a. die zunehmende 'Sakralisierung des Kaisertums' mit bezeugt (J. de Jong). Über die parthische Beziehung zum Herrscherkult lässt sich schließlich wenig Sicheres gewinnen: Der Bericht (A. Invernizzi) über die Ausgrabungen in der Hauptburg der Arsakiden ('Alt-Nisa') enthält zwar einiges über einen dortigen heroonartigen Bau (sog. 'Round Hall'), dessen genauere Funktion aber unklar bleibt.

Der fachliche Gesamtgewinn von diesen Arbeiten ist beachtlich und lädt zu weiterer Forschung ein. Schon der Titel des Bandes, Mehr als Menschen, weniger als Götter, bleibt eine fragliche Stellungnahme: denn die Herrscher wurden eben durch den Kult auf göttliche Ebene gebracht (der Sinn von isotheoi!), sie scheinen eher vielen ihrer Zeitgenossen als Götter (anders hier, 697) gegolten zu haben, wenn auch verschiedener Art von den traditionellen Göttern des ständig ergänzungsfähigen griechisch-römischen Pantheons. Auch die antike 'politische Theologie' ist nicht zu unterschätzen.

Rezension über:

Panagiotis P. Iossif / Andrzej S. Chankowski / Catharine C. Lorber (eds.): More than Men, Less than Gods. Studies on Royal Cult and Imperial Worship. Proceedings of the International Colloquium Organized by the Belgian School at Athens (November 1-2, 2007) (= Studia Hellenistica; 51), Leuven: Peeters 2011, XVII + 735 S., ISBN 978-90-429-2470-3, EUR 97,00

Rezension von:
Kostas Buraselis
Fachbereich Geschichte und Archäologie, Universität Athen
Empfohlene Zitierweise:
Kostas Buraselis: Rezension von: Panagiotis P. Iossif / Andrzej S. Chankowski / Catharine C. Lorber (eds.): More than Men, Less than Gods. Studies on Royal Cult and Imperial Worship. Proceedings of the International Colloquium Organized by the Belgian School at Athens (November 1-2, 2007), Leuven: Peeters 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11 [15.11.2012], URL: https://www.sehepunkte.de/2012/11/21025.html


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