Mehrere Studien sind in jüngster Zeit über deutsche Einwanderer in den Vereinigten Staaten während der Bürgerkriegszeit erschienen. [1] Dank solcher Arbeiten werden Civil War und Ethnic History der USA zunehmend ihrer Vielschichtigkeit und Transnationalität gerecht. Die Arbeit von Alison Clark Efford ist ein erfreuliches Beispiel dieses historiographischen Trends. Efford untersucht die Entwicklung deutschamerikanischer Ethnizität und analysiert zugleich den unausweichlichen Rekurs deutscher Einwanderer auf ihre alte Heimat. Vor allem nach 1870/71 hatte dieser Rekurs weitreichende, bisher kaum beachtete Folgen.
Deutsche Einwanderer hätten als "new citizens with a transnational perspective" (137) über ein ausgeprägtes Verständnis von Staatsbürgerschaft verfügt, so Effords These. Die Einwanderer ergänzten dadurch die Reconstruction - die politische und gesellschaftliche Wiedereingliederung der besiegten Südstaaten (1863/65 bis 1877) - um nachhaltige Perspektiven.
In sieben chronologischen Kapiteln untersucht Efford die Zeit der frühen 1850er Jahre bis zum Jahr 1877, eine Zeit, in der das US-amerikanische Staats- und Bürgerverständnis historische Weichenstellungen erlebte. Für die Lektüre empfiehlt sich deshalb ein solides Grundwissen zur komplexen Geschichte des US-Wahlrechts und über das Jahrzehnt nach dem Bürgerkrieg. Wer neue Erkenntnisse über die deutschen Einwanderer im Bürgerkrieg erwartet, wird enttäuscht, denn diesen Zeitraum behandelt die Autorin mit sechs Seiten nur sehr kurz.
Das Buch beginnt mit den Folgen der Revolution von 1848, die das deutschamerikanische Staats- und Bürgerverständnis vor dem Bürgerkrieg spürbar prägten. Efford bezeichnet jenes national-liberale Verständnis als "the German language of American citizenship" (17), das im allgemeinen gleichen Wahlrecht (für Männer) das Grundprinzip von Staatsbürgerschaft erkannte und die deutschamerikanische Ethnizität stark beeinflusste. Ebenso entwickelte sich der Kampf gegen die Sklaverei für viele deutsche Einwanderer zur "natural extension of the liberal nationalism they had fought for in Europe" (53-54). Der daraus entstammte Mythos vom "Freedom-Loving German" (53) wurde ebenso ein deutschamerikanisches Identitätsmerkmal.
Ältere Forschungsbeiträge überhöhen oder pauschalisieren häufig die Bedeutung der Deutschamerikaner im Kampf gegen die Sklaverei. Daran ist nicht zuletzt die Publikationswut prominenter Achtundvierziger Schuld, deren idealisierende Autobiographien und Schriften Forschern oft als einzige Quellen dienen. Durch ihre vielfältige Quellenauswahl, darunter über 30 deutschamerikanische Zeitungen, vermeidet Efford solche Verzerrungen. Stattdessen rekonstruiert sie ein angemessen heterogenes Bild der Einwanderer. Zahlreiche Passagen über deutschsprachige Feministinnen, Frühsozialisten und Katholiken füllen das Buch und verweisen auf Menschen, die in anderen Werken zu Deutschamerikanern gerne übersehen werden.
Effords Korrekturgriff reicht noch weiter: Nach Ende des Bürgerkriegs und der Abschaffung der Sklaverei seien Bürger- und Wahlrecht für Afroamerikaner zwar zu einem "German cause" (87) geworden. Doch ging dieser kaum über eine Unterstützung auf dem Papier hinaus. Der im Februar 1870 ratifizierte 15. Verfassungszusatz habe dies bestens veranschaulicht. Mit der konstitutionellen Verankerung des Wahlrechts unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe sei zwar "the culmination of the Forty-Eighters' liberal nationalism" (141) erreicht gewesen. Direkte Hilfe von Deutschamerikanern für die in den Südstaaten von Gewaltakten terrorisierten Afroamerikaner gab es aber so gut wie nie. Eine "strange relationship" (135) zwischen der Forderung nach Bürgerrechten und rassistischen Stereotypen überschattete das Verhältnis zwischen Afro- und Deutschamerikanern dauerhaft.
Die Folgen des Deutsch-Französischen Kriegs trübten dieses Verhältnis noch mehr, wie Efford im fünften und sechsten Kapitel darlegt. Der Sieg gegen Frankreich und die Reichsgründung wurden von den Deutschen in den USA begeistert aufgenommen. Doch das vormals national-liberale Staats- und Bürgerverständnis vieler Deutschamerikaner erlebte durch 1870/71 eine ähnliche "Rechtswendung", wie sie Thomas Nipperdey für den Nationalismus in Europa zur gleichen Zeit beschrieb. [2] Efford argumentiert, dass der Deutsch-Französische Krieg eine "new era of transnational comparisons" (168) eingeläutet hätte, was die Autorin anhand der "Liberal Republican Transition" (171) überzeugend veranschaulicht.
Die Liberal Republicans, eine 1870 gestartete Bewegung abtrünniger Republikaner unter Führung von Carl Schurz, erklärten die Aussöhnung mit den Südstaaten auf Kosten der Emanzipation der Afroamerikaner zum Primat ihrer politischen Agenda. Eine "rigid racial hierachy" (173) prägte den Diskurs innerhalb der Liberal Republicans und schnell auch den der deutschamerikanischen Öffentlichkeit. Zweifel wurden laut, ob Afroamerikaner überhaupt fähig seien, achtbare Staatsbürger zu werden oder ob sie der Aussöhnung mit den weißen Südstaatlern nicht eher im Wege stünden. Die nationale Einheit erhielt zunehmend Vorrang vor der Freiheit des Einzelnen. Bismarcks Annährung an die Nationalliberalen wurde für die Liberal Republicans wegweisend: Um die regierende Republikanische Partei zu schwächen, näherten sich die Liberal Republicans den Demokraten an, der traditionellen Partei der ehemaligen Sklavenhalter. Bei der Präsidentschaftswahl 1872 stellten Demokratische Partei und Liberal Republicans einen gemeinsamen Kandidaten, der jedoch deutlich unterlag. Die transnationale Perspektive deutscher Einwanderer - das macht Efford im vorletzten Kapitel deutlich - hatte einen kläglichen Nebeneffekt: Der Rekurs auf Deutschland verknüpfte das Liberal Republican Movement und die Geisteshaltung vieler Deutschamerikaner mit der "international eclipse of liberal nationalism" (193).
Dieser Ideologiewechsel festigte sich im weiteren Verlauf der Reconstruction. Das Eintreten für Freiheit und Bürgerrechte, das politische und religiöse Differenzen zwischen den Deutschamerikanern für beinah zwei Jahrzehnte nivellierte, wich neuen Allianzen. In Folge der wirtschaftlichen Depression seit 1873 spalteten Diskurse zu ökonomischen und religiösen Fragen deutschstämmige Liberale und Sozialisten, Protestanten und Katholiken. Viele Einwanderer wie etwa Carl Schurz, seit 1877 Innenminister der USA, waren am Ende der Reconstruction nicht mehr "emissaries of national change", sondern "bulwarks of national stability" (235). Somit waren sie der weiteren Emanzipation der afroamerikanischen Mitbürger nicht mehr förderlich.
Der positive Gesamteindruck des Buches wird etwas vom mangelnden Definitionsraum für zentrale Begriffe (ethnicity, race) getrübt. Eingehende Exkurse zur historischen Semantik dieser Begriffe und deren zeitgenössische Verwendung hätten der Lektüre gutgetan. Gleichwohl legt Alison Clark Efford eine innovative Arbeit vor. Der transnationale Nexus, den die Autorin zwischen der deutschen Reichsgründung und dem ideologischen Umschwung der Deutschamerikaner nachweist, ist besonders hervorzuheben. Er birgt neue, spannende Sichtweisen auf die innenpolitische Geschichte der Vereinigten Staaten und auf den illiberalen Kurs, den der Nationalismus beiderseits des Atlantiks seit den 1870er Jahren einschlug.
Anmerkungen:
[1] Mischa Honeck: We are the Revolutionists: German-Speaking Immigrants and American Abolitionists after 1848, Athens 2011; Daniel Nagel: Von republikanischen Deutschen zu deutsch-amerikanischen Republikanern: Ein Beitrag zum Identitätswandel der deutschen Achtundvierziger in den Vereinigten Staaten 1850-1861, Mannheim 2012; Susanna J. Ural (ed.): Civil War Citizens: Race, Ethnicity, and Identity in America's Bloodiest Conflict, New York 2010.
[2] Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 2, München 1998, 256.
Alison Clark Efford: German Immigrants, Race, and Citizenship in the Civil War Era, Cambridge: Cambridge University Press 2013, X + 267 S., ISBN 978-1-107-03193-7, GBP 60,00
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