sehepunkte 13 (2013), Nr. 12

Sarah Galletti: Le Palais du Luxembourg de Marie de Médicis (1611-1631)

Für eine Baumonografie darf diese Arbeit als vorbildlich gelten: erfreulich genau sind die einzelnen Entstehungsphasen des königlichen Palais anhand von Dokumenten und ikonografischen Zeugnissen dargestellt, spätere Eingriffe bis zum heutigen Zustand kritisch ausgewertet, durch Fotos, historische Zeichnungen, Stadtpläne und Rekonstruktionen großzügig illustriert. So tritt dem Leser die Metamorphose des Bauwerks klar vor Augen, von den Eingriffen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis hin zu den tiefgreifenden Umstrukturierungen anlässlich der Einrichtung des Senats, die eine neue Fassade nach Süden nach sich zogen, die Ehrentreppe opferten und im Hof die Arkaden schlossen. Durch Baron Haussmann wurde der Garten umgestaltet und vom umliegenden Stadtviertel isoliert.

Mehr als zwanzig Jahre lang sollte Maria von Medici, die Witwe Heinrichs IV., diesem Palast ihr Interesse und ihr Geld widmen. 1611 bat sie die Großherzogin Christine von Lothringen um die Übersendung von Zeichnungen des von Bartolomeo Ammannati in eine prachtvolle Residenz umgebauten Palazzo Pitti in Florenz, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Kurz darauf schickte sie den Architekten Métezeau (Louis oder seinen Bruder Clément II.) in die toskanische Hauptstadt, damit er sich vor Ort mit dem Bau vertraut mache.

Erst im Januar 1615 wurde die Pariser Baustelle unter Salomon de Brosse eröffnet, dem sowohl der Entwurf wie die Bauleitung oblag. Wenn Pierre Le Muet im Oktober 1616 für ein Holzmodell bezahlt wurde, so lässt es darauf schließen, dass zwei oder drei Architekten gleichzeitig tätig waren, wie bei königlichen Aufträgen im Frankreich des frühen 17. Jahrhunderts üblich. Auch sollten mehrere Verwalter und künstlerische Berater den Bauprozess begleiten, darunter auch der Kardinal de Richelieu, seit 1619 surintendant de la maison de la reine, der gerade in diesen Jahren zum bedeutenden Kunstmäzen wurde. Den Entwurf zerstörte wahrscheinlich einer der Brände in den königlichen Archiven, nur sechs Zeichnungen haben sich aus der Zeit vor dem Tod Marias im Jahr 1642 erhalten; sie betreffen die Ehrentreppe, Innendekorationen in der Galerie Heinrichs IV., einen Entwurf für den Garten, die Orangerie und zwei vues.

Der Bau entstand im Zeitraum von 1615 und 1631 in drei Kampagnen. Obwohl sich während Marias Exil von 1617 bis 1620 der Ablauf verunklärt, lassen sich die Arbeiten unter de Brosse seit 1615 dank eines 700 Seiten umfassenden Protokolls aus dem Jahr 1623 nachvollziehen (Le procès verbal des visites et mesures des ouvrages du pallais du Luxembourg). Weit fortgeschritten war zu diesem Zeitpunkt der westliche Teil einschließlich des corps de logis, während der östliche wegen des erst jüngst erworbenen Grundstückes kaum über die Fundamente hinaus gediehen war. Durch die Erstattung einer Summe von 200 000 Dukaten von Seiten des toskanischen Großherzogs war jedoch schon im Frühjahr 1626 der Rohbau unter der Leitung des Marin de la Vallée vollendet. Verträge und Briefe offenbaren, dass die Innendekorationen in den frühen zwanziger Jahren auf Hochtouren liefen, sodass die Witwe sich zwischen 1628 und 1629 in ihrem Palast einrichten konnte.

Sara Galletti legt überzeugend dar, dass der Bau an die politische Legitimation Marias gebunden ist, die unmittelbar nach dem Attentat auf Heinrich IV. am 14. Mai 1610 als Regentin des minderjährigen Louis die Zügel der Staatsgeschäfte in die Hand nahm. Nachdem dieser am 2. Oktober 1614 als Dreizehnjähriger den Thron bestiegen hatte, ließ sie sich kurzerhand zur Leiterin des Conseil ernennen und genoss noch bis 1617 die Vorzüge einer weiteren Regentschaft. Das Palais du Luxembourg ist von zentraler Bedeutung innerhalb ihrer ikonografischen Strategie, die ostentativ eine Macht vorspiegeln sollte, die aber von kurzer Dauer war und ihren Ambitionen nicht genügte.

Wenn sich der Bau typologisch an die Tradition des französischen Schlosses des 16. Jahrhunderts anschließt, so wollte Maria damit ihre Zugehörigkeit zur Dynastie der Valois und der Bourbon sichtbar machen, von der sie als Ausländerin ausgeschlossen war. Der Autorin gelingt eine neue Deutung der Innendistribution und insbesondere der Funktionen der beiden mächtigen Pavillons, die als eigenständige Volumina den Haupttrakt an beiden Enden ergänzen. Vertraute Besucher konnten vom zur Straße gerichteten Flügel aus die Galerie durchqueren, von dort aus die privaten Räume der Königin im ersten Pavillon erreichen, ohne die offizielle Raumfolge zu betreten, die an der Ehrentreppe des rückwärtigen Flügels ihren Ausgang nahm. Der südwestliche und zum Garten gerichtete Pavillon erfüllte offizielle Funktionen und beherbergt Räume für Audienzen und Staatsgeschäfte und ist von einem Grand Cabinet beherrscht. Zwischen den beiden mächtigen Pavillons vermittelt eine Antichambre, die unmittelbar mit dem Saal und der Ehrentreppe in Verbindung steht. Mit Recht wird auf Analogien mit dem Appartement der Königinmutter im Erdgeschoss des Südflügels im Louvre verwiesen, wie auch mit den von Katherina von Medici geplanten Tuilerien, einem Doppelpalast, der die symmetrische Anlage mit zwei Galerien vorbildet.

Allerdings vermag es kaum zu überzeugen, dass der östliche Teil des Palais du Luxembourg dem verstorbenen König vorbehalten gewesen sein soll, auf dessen virtueller Präsenz sich die Legitimierung Marias stützte. Demnach hätte sich Ludwig XIII. der Räume allenfalls als eines "Appartement du Roi" bedienen können, wie es im Schloss eines jeden Adeligen von Rang zur Verfügung stand. Selbst wenn sich die Themen in der dort angelegten Galerie um die Heldentaten des Herrschers drehen und auch am Außenbau seine Embleme und Devisen von dominanter Rolle sind, lässt sich die Hypothese eines halbleeren Memorialbaus kaum mit den politischen Gegebenheiten und insbesondere mit der wenig wohlwollenden Haltung der Franzosen gegenüber der Machtgier und den Aufwendungen der Italienerin vereinbaren. Ein Blick auf die Typologie des Doppelpalastes in Italien, wie er im unvollendeten Palazzo Farnese in Piacenza zu großartiger Ausprägung kommen sollte, hätte hier nützlich sein können.

Der historische Standpunkt der Autorin verunklärt sich, wenn sie Bauten der Frührenaissance wie Bury oder Chambord anführt, wo doch der Architekt an die typlogischen und stilistischen Neuerungen der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts anknüpfte. Bedauerlicherweise bleiben Parallelen und Unterschiede mit ihrer Vorgängerin Katharina von Medici im Hintergrund, die als Witwe ebenfalls zu einer der bedeutendsten Bauherrinnen ihrer Zeit wurde und sich wie Maria in der Figur der Königin Artemisia wiedererkannte, die nach dem Tod des Gatten Staat und Dynastie heroisch bewahrte. Allerdings folgte Katharina diesem Vorbild mit größerer Konsequenz und baute zu Ehren des verstorbenen Herrschers ein Mausoleum, die Rotonde des Valois, das alle Grabkapellen der Renaissance in den Schatten stellte. Bevor sie ihre Pariser Residenz plante, hatte sie gleichfalls in Florenz um Zeichnungen des Palazzo Pitti gebeten.

Überzeugend ist hingegen der Teil des Buches, der sich mit der Umdeutung des Palazzo Pitti und dessen geschickter Annäherung an französische Traditionen und klimatische Eigenheiten auseinandersetzt. Ein hohes Dach bekrönt die Flügel, die kraftvolle Rustika Ammannatis ist in eine flache und ornamentale Gliederung mit Doppelpilastern verwandelt und anstelle des antiken Systems von drei Geschossen mit Arkaden zieht de Brosse differenzierte Etagen mit durchlaufender Wandfläche und rechteckigen Fenstern vor, wobei das oberste einer Attika ähnelt. Treten im Palazzo Pitti die Halbsäulen wie schwellende Arterien aus der Wand hervor, so bindet sie der französische Architekt wie Teile eines dekorativen Gewebes in die Gliederung ein und vermindert ihr Relief allmählich nach oben hin. In Paris war die homogene rustizierte Epidermis mit ihren Schattierungen und Differenzierungen ein Novum und de Brosse verstand es, ihr durch die ornamentale Behandlung reizvolle Effekte unter dem nördlichen Himmel zu entlocken. Zahlreiche Elemente erinnern an die Louvre-Fassade des Pierre Lescot, eine Anspielung auf das "goldene Zeitalter" Heinrich II., während die nüchternen und eher kanonischen Details den Einfluss Vignolas verraten und mit der Opulenz des Stils der späten Valois brechen.

Die symmetrische Anlage, die geometrische Klarheit der Baukörper und die regelmäßige Artikulierung der Ordnung steht in der italienischen Bautradition, sodass der "Pitti parisien" gleichzeitig das Erbe der Medici und der Valois und somit die doppelte Identität der Bauherrin widerspiegelt. Städtebaulich setzte diese schließlich die Bemühungen Heinrichs IV. fort, der durch die Pont Neuf die Beziehung zum Louvre hergestellt und durch die rue Dauphine die Urbanisierung der rive gauche eingeleitet hatte.

All diesen komplexen Phänomenen wird das Buch gerecht. Auch wenn man sich bei der Deutung einen schärferen historischen Fokus und einen weiteren Blick über die französische Grenze gewünscht hätte, setzt mit der gründlichen Arbeit Sara Gallettis eine neue Phase in der Erforschung des Palais du Luxembourg ein.

Rezension über:

Sarah Galletti: Le Palais du Luxembourg de Marie de Médicis (1611-1631), Paris: Éditions A. et J. Picard 2012, 292 S., ISBN 978-2-7084-0935-4, EUR 48,75

Rezension von:
Sabine Frommel
École Pratique des Hautes Études, Paris
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Frommel: Rezension von: Sarah Galletti: Le Palais du Luxembourg de Marie de Médicis (1611-1631), Paris: Éditions A. et J. Picard 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de/2013/12/24530.html


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