Die in diesem sehr ansprechend gestalteten Band gesammelten Texte sind das Resultat einer Konferenz, die im September 2016 in den erhaltenen Teilen der Londoner Kartause im Smithfield stattfand. Einleitend skizziert der Herausgeber (1-10) den Zweck des Buches, erstens mehr Informationen zur Geschichte dieses Klosters zur Verfügung zu stellen und zweitens die Bedeutung des Hauses für "English Carthusian culture" zu bestimmen. Weiterführende Fragestellungen, etwa nach der Eigenständigkeit der englischen Kartausen - immerhin Teil eines internationalen Ordens - oder Verweise auf Ergebnisse der vergleichenden Ordensforschung, etwa auf den von Kaspar Elm herausgegebenen Sammelband zu Reform- und Observanzbestrebungen, fehlen.
Anschließend wendet sich Luxford in einem ausführlichen Beitrag (11-54) den Gebäuden der Londoner Kartause und ihrer Ausstattung zu. Im Zentrum steht neben dem Aspekt ihrer Funktion sowohl ihre Bedeutung für die Religiosen als auch die Suche nach einer lokalen Identität. Er zieht dabei auch Material zu den entsprechenden Klöstern in anderen Städten heran (Basel, Köln, Löwen) und verweist auf Traditionen im Orden, so etwa die Darstellung der Anfänge der Gemeinschaft oder die bekannten architektonischen Charakteristika der Gebäude. Zwar sollte sich die Armut des Ordens auch in der architektonischen Gestaltung der Gebäude ausdrücken, aufgrund des Fehlens klarer normativer Regelungen waren allerdings keine deutlichen Grenzen gesetzt, so dass sich lokale Einflüsse ausbilden konnten.
Im zweiten Teil des Aufsatzes werden die einzelnen Einheiten des Londoner Klosters nacheinander beschrieben, der Kreuzgang, der achteckige Wasserspeicher, die Zellen und ihre Ausstattung, die Kirche und ihre Kapellen - ein Gebäude, das nicht für die Größe der religiösen Gemeinschaft ausgelegt war, die sie ab den 1370er Jahren nutzte -, die Sakristei, das Kapitelhaus und schließlich das Refektorium. Dabei werden auch immer wieder Vergleiche mit anderen Kartäuserklöstern gezogen. Als späte Klostergründung in England orientierten sich Architektur und Ausstattung der Baulichkeiten nur teilweise an den Gepflogenheiten des Ordens, zumal ein Teil der Klosteranlage ursprünglich für andere Zwecke bestimmt war.
Glyn Coppack (55-78) befasst sich mit der Wasserversorgung der Kartause im Kontext der Anlagen und Leitungssysteme anderer englischer Häuser des Ordens, deren Besonderheit darin besteht, dass die Infirmerie vor der Küche, den Back- und Brauräumen versorgt wurde, woraus auf rituelle Waschungen der Kranken zu schließen sei. Allerdings habe es auch Alternativen gegeben, etwa in Delft, wo jede Zelle einen eigenen Brunnen hatte. Die frühesten Hinweise auf das System der Wasserversorgung einer Kartause in England stammen aus Hinton und zeigen einen hohen Grad an technischer Kompetenz. Spätere Gründungen wie Beauvale oder Mount Grace wurden bewusst an Wasserläufen angelegt. Die Wasserversorgung des Londoner Klosters ist durch einen Plan aus dem 15. und 16. Jahrhundert besonders gut dokumentiert, so dass nicht nur das System, sondern auch seine Entwicklung beschrieben werden können. Zusätzlich existieren Dokumente, aus denen die Schenkung einer Quelle in Islington (1430) sowie das Recht der Verlegung von Wasserleitungen über das Land der Kanonikerinnen von Clerkenwell sowie der Johanniter hervorgeht.
Marlene Hennessy (79-116) widmet sich in ihrem Beitrag zur Buchproduktion der Londoner Kartause einer Handschrift aus dem frühen 16 Jahrhundert, British Library Egerton 1821, von der Auszüge bereits im Druck vorliegen. Neben einem Psalter enthält diese Handschrift eine Kopie des Rosarium Beatae Mariae Virginis, vier eingeklebte Holzschnitte sowie geschwärzte Seiten, auf denen symbolisch Tropfen vom Blut Christi in roter Farbe aufgetragen sind. Die Texte wurden im Londoner Charterhouse kopiert und Hennessys Absicht besteht darin, auch inhaltliche Verbindungen zu den Kartäusern zu finden. Hingewiesen wird auf Farb- und Marienmetaphern, deren Fokus die Passion Christi ist. Dazu gehören thematisch auch die vier eingeklebten Holzschnitte, die alle mit dem Ablassverkauf in Verbindung stehen. Angesichts einer vielleicht durch regelmäßige rituelle Berührungen abgewetzten Seite wird eine Parallele gezogen zu Benedicta (nicht zu verwechseln mit St Benedicta), einer Frau aus dem Umkreis des hl. Dominikus, die durch Tränen der Reue die Seite einer Handschrift, auf der ihre Sünden verzeichnet waren, reingewaschen haben soll. Als Schreiber der Handschrift wurde ein Londoner Kartäuser identifiziert, der oder die Auftraggeber sind jedoch nicht bekannt. Dem Aufsatz ist ein Appendix mit einer Edition des Textes 'Lilies of the Virgin' beigefügt.
Michael Sargent (117-151) untersucht die Verbreitung einiger Werke zweier bedeutender englischer Autoren, des Walter Hilton und des Kartäusers Nicholas Love, durch Angehörige des Kartäuserordens in England. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf Hiltons in England recht weit verbreiteter 'Scale of Perfection' und 'De utilitate et prerogativis religionis' sowie auf Loves 'Mirror of the Blessed Life of Jesus Christ'. Bei der Überlieferung der Handschriften spielten englische Kartäuser eine wichtige Rolle. Allerdings zeigen inhaltliche Varianten der Texte, dass ihre Buchproduktion nicht systematisch organisiert war. Zahlreiche Handschriften und frühe Drucke zeugen von der Popularität von Nicholas Loves 'Mirror', einer gegen Lollarden gerichteten Schrift, die auf dem Traktat eines italienischen Franziskaners basiert. Dem Aufsatz sind vier Anhänge beigegeben, ein kurzer Bericht über die Edition von Hiltons 'Scale of Perfection', eine Übersicht über die erhaltenen Handschriften und Inkunabeln dieses Werkes sowie ein Stemma und eine Zusammenstellung der erhaltenen Handschriften von Loves 'Mirror'. Sargent erinnert daran, dass angesichts ihrer geringen Zahl und der recht bescheidenen Verbreitung des Ordens in England die Kartäuser einen bedeutenden Beitrag zur englischen Literatur geleistet hätten.
In einem sehr detaillierten Beitrag vermutet Vincent Gillespie (152-204), dass Bücher der Kartäuser eher zufällig und auf keinen Fall systematisch an Laien weitergegeben wurden. Ann Hutchinson (205-224) betont den Modellcharakter, den die Kartäuser für Birgitta von Schweden bei der Entwicklung ihrer Form religiösen Lebens hatten. Dazu gehörte neben der Marienverehrung die strenge Lebensweise der Nachfolger des hl. Bruno. Auch waren die Kartäuser nicht von Verfallserscheinungen betroffen, die bei anderen Orden im Spätmittelalter beobachtet werden konnten. Diese Affinität sei besonders in England sichtbar geworden.
Dermaid MacCulloch (225-239) betont in seinem exzellenten Beitrag, dass die Expansion der Londoner Kartause in den drei Jahrzehnten vor 1530 mit ihren zahlreichen Religiosen, Konversen und Dienern, das Merkmal einer blühenden religiösen Gemeinschaft gewesen sei. Dennoch habe sich die durch die Politik der englischen Krone verursachte Spaltung der Gesellschaft bis in die Gemeinschaft dieses Klosters fortgesetzt, so dass es sich bei der Opposition gegen die Kirchenpolitik Heinrichs VIII. nicht um eine geschlossene Front gehandelt habe. Dem königlichen Minister Thomas Cromwell sei es sogar noch nach der Hinrichtung von drei Kartäuserprioren 1535 gelungen, den Generalprior des Ordens zu veranlassen, die englischen Brüder zur Unterstützung der staatlichen Kirchenpolitik aufzurufen; so habe jedenfalls ein englischer Ordensbruder berichtet, den er zur Grande Chartreuse geschickt habe. Auch nachdem es zu weiterem Widerstand und folglich auch zu weiteren Hinrichtungen gekommen war, hatte Cromwell noch versucht, die verbleibende Gemeinschaft des Hauses zum Einlenken zu bewegen, doch das sei nur teilweise gelungen. Diese differenzierte Darstellung erinnert daran, dass es sich bei den englischen Kartäusern nicht durchweg um Märtyrer gehandelt habe.
James Carley (240-260) untersucht die soziale Zusammensetzung der Nachbarschaft des Klosters in der Zeit vor und nach dessen Auflösung. Im Zentrum steht dabei der Antiquar John Leland, ein Günstling Wolseys und später Cromwells, der durch seine Aufzeichnungen und Recherchen in vielen Klosterbibliotheken bekannt ist. Leland bewohnte einen Teil des ehemaligen Klosters, dessen ruhige und doch zentrale Lage am Stadtrand Londons es zu einem begehrten Wohngebiet machte. Zu den Bewohnern zählten Angehörige der Londoner Elite sowie die spätere Königin Catherine Parr.
Peter Cunich (261-281) fügt dem Band eine Biographie des Kartäusermönches Maurice Chauncy hinzu, einem der letzten Novizen der Londoner Kartause, der zwar das Supremat des englischen Königs über die Kirche in seinem Reich anerkannte - ein Zugeständnis, das er bis ins Alter bereute -, später aber bei den Kartäusern von Val de Grace in Brügge eintrat und dort eine Geschichte der Verfolgung der im Londoner Smithfield ansässigen Gemeinschaft schrieb, die mehrfach gedruckt wurde. Mit dem Beginn der Regierungszeit von Maria Tudor ging Chauncy mit anderen Mitgliedern des Ordens zurück nach England, doch ihre Zeit dort endete bereits 1559 mit dem Amtsantritt von Königin Elisabeth. Erneut im Exil setzte Chauncy seine schriftstellerische Tätigkeit fort. Von seiner 'Historia' exitieren vier Versionen, die auf verschiedene Lesergruppen zugeschnitten waren. So erreichte er, dass die Geschichte der Kartäusermärtyrer Englands nicht nur in den Niederlanden oder im Orden bekannt wurde, sondern auch in Rom.
Der letzte Text des Buches, vielleicht ungewöhnlich für einen wissenschaftlichen Sammelband, ist der Abdruck einer anlässlich der Tagung im Charterhouse von Martyn Percy gehaltenen Predigt. Der Band enthält einen Index.
Julian Luxford (ed.): The Capital's Charterhouses and the Record of English Carthusianism (= Papers in Mediaeval Studies; 36), Turnhout: Brepols 2023, XVI + 300 S., 23 Farb-Abb., ISBN 978-0-88844-836-1, EUR 97,00
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