sehepunkte 25 (2025), Nr. 11

Grischa Sutterer: Die Privatisierung des Krieges

Spätestens seit der Gruppe Wagner - ihrem Einsatz für den russischen Staat, ihrer Meuterei und dem Tod der Führungsriege um Jewgeni Prigoschin -, aber auch schon seit dem Skandal um die US-Militärfirma Blackwater im Jahr 2007, sind private Militärunternehmen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Diese sogenannten Private Military Companies (PMCs) werden von zahlreichen Ländern genutzt, um den Interessen der eigenen Politik, ohne den Einsatz offizieller nationaler Streitkräfte, Nachdruck zu verleihen.

Grischa Sutterer befasst sich in seinem Buch, das aus seiner Dissertation an der Universität Mannheim aus dem Jahr 2023 resultiert, mit dem Einsatz der ersten Generation britischer PMCs während der Dekolonisierung des britischen Empires. Damit schließt der Autor eine Forschungslücke, denn bisher gab es nichts Vergleichbares, was sich mit diesem Thema auf einem so hohen wissenschaftlichen Niveau auseinandersetzt. Dies zeigt allein der Blick auf die Qualität und Quantität der ausgewerteten Quellen. In über 1100 Fußnoten liefert Sutterer detaillierte Belege und weiterführende Informationen. Bemerkenswert sind die benutzten Primärquellen, die sich vor allem aus Archiven verschiedener staatlicher Akteure aus Großbritannien, den USA oder auch den Europäischen Gemeinschaften (EG) zusammensetzen. Private Archive, etwa der Nachlass von Louis Mountbatten, einem Zeitzeugen und militär-politischem Akteur (Chief of Defence Staff von 1959 bis 1965), ergänzen die hervorragende Quellenlage.

Sutterer gliedert sein Buch in die beiden großen Teile "Kontrolle" und "Kontrollverlust" mit insgesamt sechs Kapiteln. In der Einleitung skizziert er verständlich sein geplantes Vorgehen. Da jedoch ein Themengebiet wie auch Regionen behandelt werden, die nicht jedem Leser gleichermaßen vertraut sind, hätte bisweilen eine erneute kurze Einordnung zu Beginn des jeweiligen Kapitels den Einstieg erleichtert. Zudem lässt der Autor eine klare Differenzierung zwischen einer PMC und einer Söldnerorganisation in der Einleitung seines Werkes vermissen. Sutterer sieht den Begriff "Söldner" unter anderem als "Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Gruppierungen zur Ausübung organisierter Gewalt jenseits des nationalstaatlichen Gewaltmonopols" (4). Hier hätte die explizite Nennung der Merkmale eines Söldners, wie sie im Humanitären Völkerrecht vorliegen, dem allgemeinen Verständnis und einer klaren Einordnung und Abgrenzung zu einer PMC gutgetan. In seinen späteren Ausführungen verschwimmen die beiden Begriffe bisweilen ineinander, und der Autor selbst weist am Ende deutlich auf die Problematik hin, ob etwa "die KMS-Contractors als Söldner im völkerrechtlichen Sinn zu klassifizieren waren" (311).

Im Teil I "Kontrolle" blickt Sutterer auf die Entstehung der ersten PMCs während der Dekolonisierung des britischen Empires. Er befasst sich zunächst mit dem Vorläufer der sich später bildenden PMCs, der britischen Spezialeinheit Special Air Service (SAS), und ihrem Wert für die britische Regierung. Darauf folgt der Blick auf den Ursprung der Privatisierung des Krieges und auf die Entstehung und den Einsatz der ersten PMC Watchguard im Jemen. Der Autor macht deutlich, dass die Entstehung nicht durch die britische Regierung initiiert wurde, sie jedoch "an diesem Vorgang im militärischen, außenpolitischen und geheimdienstlichen Bereich beteiligt" (177) war. Wenn Watchguard auch kein Teil des Staatsapparates war, so handelte es sich doch, wie Sutterer mehrfach plausibel darstellt, um ein Instrument desselben (vgl. 337). Vor allem in der Personalrekrutierung einer PMC zeigte sich die enge Verflechtung. Dies galt besonders für die PMC "Keenie Meenie Services" (KMS), die Gegenstand des dritten Kapitels ist. Hier übernahmen aus dem aktiven Militärdienst Ausscheidende nahezu nahtlos Aufträge für KMS (vgl. 294).

Die drei folgenden Kapitel, zum Teil II "Kontrollverlust" gehörend, analysieren Entwicklungen und Folgen der sich zunehmend verselbständigenden PMCs für den britischen Staat. Beginnend beim (Bürger-)Krieg in Großbritannien und seinen für das Thema relevanten Entwicklungen (1972-1979), richtet der Autor den Blick auf die Professionalisierung der Privatisierung des Krieges in Afrika mit den beiden Schwerpunkten Angola und Rhodesien (1975-1979). Sehr aufschlussreich ist die Analyse des Einsatzes von KMS in Sri Lanka und für die EG (1979-1982). Was sind die Konfliktlinien? Und wie stärkt eine PMC ihren Einfluss? Das sind die entscheidenden Fragen, die der Autor stellt und umfassend beantwortet. In dieser Abfolge wird dem Leser die "Geschichte des Kontrollverlustes des britischen Staates über die Privatisierung des Krieges" (185) überdeutlich.

Sutterer zeichnet die Entstehung und Entwicklung der verschiedenen PMCs nach, blickt auf ihre Aufträge und gibt darüber hinaus bemerkenswerte Einblicke in das Wesen der Organisationen. So beschreibt er etwa den Einsatz der SAS in Malaya und benennt intensive Probleme dieser Einheit, wie "fehlende formale Korrektheit, übermäßigen Alkoholkonsum und weitere Verstöße gegen die innermilitärische Disziplin" (50). Ähnliche Einblicke in das innere Gefüge einer PMC gibt der Autor auch beim Blick auf Einsätze in Angola. Er stellt fest, dass die ehemaligen Fallschirmjäger "während ihrer Dienstzeit in der britischen Armee gegenüber ihren Offizieren eine soziokulturell begründete Abneigung" hegten, nun "jedoch die Insignien und den Habitus der Offiziersschicht [adaptierten], um innerhalb der Hierarchie der FNLA [Frente Nacional de Libertação de Angola] ein brutales Gewaltregime zu etablieren" (244).

Das Buch folgt einer klaren Linie, und der Autor zieht aus seinen Quellen treffende Schlüsse. Äußerst bemerkenswert und Anreiz für weitere Forschungen sind bisweilen die Informationen, die eher am Rande mitgeteilt werden und den Leser über das Thema hinaus neugierig machen. Wie bekannt ist es, dass die EG auf Sicherheitsdienstleistungen von KMS zurückgriff (vgl. 323), aber darauf verzichtete, "nachdem die Firma durch ihre Aktivitäten in Sri Lanka bei der britischen Regierung in Ungnade gefallen war" (327)? Oder wer weiß etwa über die Kooperation zwischen der britischen Reserve Forces Association und der Bundeswehr 1974 Bescheid? Diese war aus britischer Sicht "notwendig, um Defizite innerhalb der britischen Streitkräfte zu beheben. Die Bundeswehr war im Bereich der psychologischen Kriegsführung personell breiter und qualitativ besser aufgestellt als das britische Militär" (201 f.).

Grischa Sutterer ist eine bemerkenswerte Arbeit gelungen und ihr wissenschaftlicher Wert ist immens, da hier ein weitgehend neues Forschungsfeld der Öffentlichkeit detailliert erschlossen wird und zu weiteren Recherchen anregt. Das Buch ist allerdings weniger für die breite Öffentlichkeit geeignet, sondern richtet sich an ein Fachpublikum, das über Vorkenntnisse der postkolonialen Geschichte verfügen sollte und sich mit Fachtermini auskennt.

Rezension über:

Grischa Sutterer: Die Privatisierung des Krieges. Private Military Companies und die postimperiale Neuordnung der Welt (= Studien zur Internationalen Geschichte; Bd. 57), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2024, VII + 379 S., 10 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-139072-7, EUR 69,95

Rezension von:
Christian Kahl
Trier
Empfohlene Zitierweise:
Christian Kahl: Rezension von: Grischa Sutterer: Die Privatisierung des Krieges. Private Military Companies und die postimperiale Neuordnung der Welt, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 11 [15.11.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/11/39733.html


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