STELLUNGNAHME ZU

Peter Dinzelbacher: Rezension von: Michael Clement: »In te consistito!«. Selbststand, Verantwortung und christlicher Glaube bei Bernhard von Clairvaux, Münster: Aschendorff 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 1 [15.01.2018], URL: http://www.sehepunkte.de/2018/01/30716.html


Von Michael Clement

Ein Kommentar zu einer Rezension, die bereits vor fast fünf Jahren veröffentlicht wurde, erscheint spät. Doch manche Antworten erfordern eine längere Reaktionszeit, insbesondere wenn der Rezensent eine so hohe fachliche Reputation genießt wie Prof. Peter Dinzelbacher.

Dieser schreibt in der Rezension meiner Dissertation: "Man kann diese Schrift [De consideratione] als Summe seines [Bernhards] Menschenbildes, aber auch seiner Psychologie verstehen, wobei vielfach ethische Maximen aufgestellt werden, die auch ohne religiösen Hintergrund nachvollziehbar erscheinen." Es ist für mich eine große Freude, dass ein Experte der mittelalterlichen Frömmigkeitsgeschichte hier den Kerngedanken meiner Dissertationsschrift zustimmend aufnimmt: Der Rezensent geht mit meiner methodischen Unterscheidung (nicht Trennung!) konform, in einem ersten Schritt das auch ohne den christlichen Glauben psychologisch zugängliche Menschenbild Bernhards zu erheben und erst in einem zweiten Schritt zu beschreiben, wie dieses vom Gottesbild umfasst wird. Er bestätigt so meine Dissertationsschrift in ihrer Grundanlage und Gliederung. Ebendiese in De consideratione anzutreffende Unterscheidung am Gesamtwerk Bernhards zu erheben und die damit verbundene Bedeutung von Bernhards letzter Schrift für seine Anthropologie zu erweisen, war ein Kernziel meiner Arbeit.

Verwunderlich ist jedoch, dass die eben beschriebene Zustimmung des Rezensenten in einer auffälligen Dissonanz zum Grundton der Rezension steht: Die einleitende Klassifikation meiner Dissertationsschrift als "accessus ad opus" belässt der Rezensent in dem Sinne im Ungefähren, dass er sich nicht festlegt, ob es sich bei meiner Arbeit nun seiner Ansicht nach letztlich um ein "entbehrliches", weil nur paraphrasierendes Werk handele, oder ob er selbst durch meine Lektüre andere und "sonst übersehene Aspekte" bei Bernhard entdecken konnte (die oben konstatierte Zustimmung legt eher Letzteres nahe).

Auch an anderen Stellen verwundert der Tonfall, nicht der Inhalt der Rezension: dann etwa, wenn der biographische Teil zu Bernhard "nun wirklich hätte weggelassen werden sollen", oder wenn der Rezensent bemängelt, dass er im ersten Teil nichts finden könne, "was in der reichen Sekundärliteratur nicht schon wesentlich eingehender behandelt worden wäre", oder wenn er einem einzelnen Druckfehler eine solche Bedeutung beimisst, dass er ihn in seiner Rezension einer eigenen Berichtigung würdigt.

Inhaltlich nehme ich dabei die berechtigte kritische Anfrage des Rezensenten gerne an, ob die Arbeit nicht ohne die (selbstverständlich auch schon andernorts angestellten) Überlegungen zum Kontext des 12. Jahrhunderts oder zur Biographie Bernhards hätte auskommen können. Die beiden angemahnten Werke der Sekundärliteratur hätten tatsächlich noch Eingang in den Endtext meiner Arbeit finden können. Die Kritik des Rezensenten dagegen, dass ich Bernhard eine "substanztheologische" Anthropologie zuschriebe, geht fehl: Dieses auch mir nicht bekannte Wort kommt in meiner Arbeit nicht vor, wohl aber der im theologisch-philosophischen Diskurs gebräuchliche Terminus "substanzontologisch".

Meine Arbeit wird "nicht als Pflichtlektüre für Mediävisten, auch nicht für auf das Hochmittelalter spezialisierte, bezeichnet werden können" - so ein letztes Beispiel für den besonderen Tonfall dieser Rezension, für den ich die Motive nicht ausfindig machen kann. Bedeutsamer als der Ton ist für mich jedoch die grundlegende inhaltliche Bestätigung meines Ansatzes bei Bernhard: nicht nur für meine eigene Beschäftigung mit dessen Werk, sondern vor allem deshalb, da mit dieser Perspektive eine kritisch-verantwortbare Lesart für Bernhard gefunden ist, die die Relevanz seiner erfahrungssatten Einsichten in das Menschsein auch noch im 21. Jahrhundert gerade unter psychologischen Gesichtspunkten deutlich werden lässt.


Anmerkung der Redaktion: Peter Dinzelbacher hat auf eine Replik verzichtet.