Rezension über:

Cathleen Sarti (ed.): Women and Economic Power in Premodern Royal Courts (= Gender and Power in the Premodern World), Leeds: Arc Humanities Press 2021, 100 S., ISBN 978-1-64189-272-8, GBP 70,00
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Rezension von:
Margareth Lanzinger
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Margareth Lanzinger: Rezension von: Cathleen Sarti (ed.): Women and Economic Power in Premodern Royal Courts, Leeds: Arc Humanities Press 2021, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 11 [15.11.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/11/35708.html


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Cathleen Sarti (ed.): Women and Economic Power in Premodern Royal Courts

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Der Band hat sich zum Ziel gesetzt, über den Zusammenhang von Macht und Ressourcen an königlichen Höfen mit einem auf Frauen gerichteten Fokus nachzudenken. In der Einleitung verortet die Herausgeberin Cathleen Sarti die Herangehensweise in der Kulturgeschichte des Politischen und formuliert als Ausgangshypothese, dass Frauen sowohl als Inhaberinnen als auch als Verwalterinnen von Ressourcen - sei es für sie selbst, sei es für ihre Familien oder am Hof - Schlüsselfiguren waren und dass sie diese Position zur politischen Einflussnahme nutzten. Das Konzept der Ressourcen schließt je nach thematischem Schwerpunkt neben finanziellen Mitteln und Landbesitz auch Steuern und Abgaben, Gebäude, Luxus-, Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände, Schmuck, Gemälde, Tapisserien etc. mit ein.

In den vier Hauptbeiträgen begegnen räumlich und zeitlich sowie in Hinblick auf die Personenkonstellationen unterschiedliche Settings. Die Autorinnen machen Potenziale und Grenzen der Macht von und durch Ressourcen deutlich. Situativ-kontextuelle und geschlechtsspezifische Strukturierungen greifen dabei ineinander. Michele Seah und Katia Wright setzen sich mit der Verwaltung von Landbesitz durch zwei englische Königinnen auseinander: Margarete von Frankreich (1282?-1318) und Margarete von Anjou (1430-1482). Der Beitrag stellt sich vor allem auch methodischen Herausforderungen angesichts der disparaten Quellenlage und setzt auf verschiedene Materialien, die ebensolche Perspektiven eröffnen. Bemerkenswert ist, dass den Königinnen ihr Witwengut (dower) nicht erst bei Verwitwung, sondern bereits während der Ehe zur Verwaltung übergeben wurde und wichtige Einnahmen für sie generierte. Doch gab es auch eine Art Basisfinanzierung des Finanzhaushalts der Königin, die sich aus Zöllen und Anteilen anderer Einnahmen des Königs speiste. Der Streitfall zwischen der verwitweten Margarete von Frankreich und den vier Erbinnen von John Goce in den Jahren zwischen 1311 und 1313 wirft allerdings Fragen hinsichtlich des ökonomischen Handelns auf. Die Königin wollte den Tod von Goce nutzen, um das Land unter ihre Kontrolle zu bringen - eine Art "Heimfall" zu erzwingen. Doch scheint sie die ausgeprägten Besitz- bzw. Erbrechte ihrer tenants nicht gekannt bzw. ignoriert zu haben, denn sie beharrte auf ihrem Anspruch und verlor am Ende. Ihr Bewusstsein bezüglich Herrschaft und Macht wird zweifelsohne sichtbar - unter der Rubrik eines buon governo lässt sich ein solches Vorgehen aber schwerlich verbuchen.

Charlotte Backerra und Cathérine Ludwig-Ockenfels fragen in ihrem Beitrag zur finanziellen Macht von Ehefrauen von Kaisern und Fürsten des Heiligen Römischen Reiches nach deren ökonomischer Agency. Die (Macht-)Position von Kaiserinnen ist nicht nur von ihrem direkten Draht zum Kaiser, sondern auch von ihrem Zugriff auf die kaiserliche Schatulle geprägt. Worüber sie tatsächlich verfügen konnten, hing nicht zuletzt von der jeweiligen rechtlichen Situation ab, insbesondere bezogen auf das Erbe und die klassischen Heiratsgaben. Diese werden anhand von Befunden aus der Forschungsliteratur durchdekliniert. Im Anschluss gilt die Aufmerksamkeit der Kurfürstin von der Pfalz Anna Maria Luisa de' Medici (1667-1743). Aufschlussreich sind ihre Kabinettkassenrechnungen. Zwei Jahre - nach ihrer Ankunft als junge Ehefrau 1691 und 1716, ihr letztes Jahr in Düsseldorf, als sie bereits verwitwet war - werten die Autorinnen aus. Ein Jahr mitten aus dem Eheleben hätte den Einblick verdichtet.

Bei Laura Tompkins steht Alice Perrers (1316-1377), "royal favourite" (60) am Hof Edwards III. ab 1361, im Zentrum. Wie die Autorin aus Chroniken rekonstruiert, verfügte die Mätresse über ausgeprägte wirtschaftliche Kompetenzen und konnte ein beachtliches Vermögen anhäufen. Der König schenkte ihr Land, doch erstand sie erheblichen Landbesitz auch aus eigener Initiative. Dazu kamen Schmuck und Bargeld. Sie verstand es auch, politischen Einfluss auszuüben und ihre Position am Hof zu stärken. Ihr ökonomisches und politisches Kapital vermochte sie - so der Befund der Autorin - jedoch nicht in soziales Kapital im Sinne von Anerkennung umzuwandeln.

Cathleen Sarti setzt sich in ihrem Text mit Sigbrit Villoms, einer 'Finanzberaterin', würde man heute sagen, des dänischen Königs Christian II. in den Jahren 1513 bis 1523 auseinander. Sie stammte aus einer niederländischen Handelsfamilie und war verwitwet. Doch befand sie sich bereits in den Jahren zuvor am damals norwegischen Hof Christians, da ihre Tochter dort Mätresse war. Briefe sind in diesem Fall die zentralen Quellen, die Einblicke in ihr Agieren gewähren, und neben dem niederländischen ein den hanseatischen Raum umspannendes Netzwerk sichtbar machen. Unter anderem war sie mit dem Sundzoll befasst und insgesamt politisch wie ökonomisch einflussreich in einem von Reformwillen geprägten Kontext. Dieser betraf den Seetransport, verfolgte aber auch antiaristokratische und antiklerikale Ziele. Das führte letztlich zur Absetzung von Christian II., und das war auch das Ende der höfischen Karriere von Sigbrit Villoms. Grenzen der Macht wurden hier spürbar für beide. Der Fall der Vertrauten parallel zum Untergang des Patrons war ein dem höfischen Leben inhärentes Risiko, und zwar für alle Geschlechter. Die Protagonistin setzt in diesem Fall Kompetenzen und Netzwerke als Ressourcen ein - und erweitert damit eigentlich den Ressourcenbegriff. In den beiden Beiträgen deutet einiges darauf hin, dass Mätressen als eine Art 'Familienunternehmen' gesehen werden können, wenn sie Angehörigen finanzielle Zuwendungen oder Positionen verschaffen konnten.

In ihrem Nachwort geht Elena Woodacre mit der sprichwörtlichen Frage, ob Geld Macht sei, auf Spezifika des Forschungsfeldes und bestehende Forschungsdesiderate ein. Sie lässt die Beiträge vergleichend Revue passieren und hebt wichtige Aspekte hervor. Eine nach Bereichen gegliederte Bibliographie sowie ein Namens- und Ortsregister beschließen den Band.

Der Band adressiert mit dem auf ökonomisches Agieren von Frauen an königlichen Höfen gelegten Fokus fraglos ein ebenso wichtiges wie - für den Adel insgesamt und auch darüber hinaus immer noch - unterbelichtetes Thema. Rechnungsbücher und vergleichbare Aufzeichnungen, aber auch andere Quellen, nach Belegen für die ökonomischen Aktivitäten von adeligen Frauen zu durchforsten, stellt einen gewinnbringenden Zugang dar. Produktiv könnte der Dialog mit sozial- und verwandtschaftshistorischen Ansätzen, Ergebnissen und - so vorhanden - Quellen sein, etwa für die Klärung, über welche Besitzungen mit welchen Rechten und Ansprüchen hochadelige Damen verfügten als Kontext für die Frage nach Verwaltungstätigkeiten, -kompetenzen und Einnahmen. Das gilt auch für die Konzeption der königlichen Höfe als Haushalte. Das ist in Hinblick auf das Balancieren von Einnahmen und Ausgaben sinnvoll; ob es als Beschreibungsweise für dessen Mitglieder adäquat ist, scheint vor dem Hintergrund der Kritik am Haushalts-Konzept als zu hermetische Einheit, die die Außenbeziehungen kappt, gerade in Zusammenhang mit adeligen Milieus einer Überlegung wert.

Margareth Lanzinger