Rudolf Jaworski / Witold Molik (Hgg.): Denkmäler in Kiel und Posen. Parallelen und Kontraste, Kiel: Verlag Ludwig 2002, 268 S., 64 s/w-Abb., ISBN 978-3-933598-41-7, EUR 39,90
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Mit zunehmender Intensität entwickelt sich gegenwärtig die spezielle Erforschung von Denkmälern, betrieben durch Vertreter verschiedener Bereiche der Geistes-, vor allem der historischen Wissenschaften. Ein wichtiges wissenschaftliches Ereignis dürfte vor diesem Hintergrund die vorliegende Publikation über öffentliche Denkmäler in Kiel und Posen aus dem 19. und 20. Jahrhundert darstellen. Auch wenn diese keine komparatistische Arbeit ist, sondern eine Sammlung von Artikeln über Denkmäler in zwei Städten, die gewisse politisch-geografische Gemeinsamkeiten aufweisen, so trägt sie doch ein breites Wissen über Denkmalkunst zusammen und ist damit eine wertvolle Veröffentlichung mit Überblickscharakter. Die Konzeption des Bandes markiert eine neuartige Herangehensweise, die zu interessanten Querverbindungen und wesentlichen Forschungsüberlegungen anregen kann. Beide Städte nämlich waren, wie Rudolf Jaworski schreibt, Mittelzentren, Regional- oder Provinzhauptstädte, und lagen im Grenzgebiet zweier Völker. Ihre Geschicke verflochten sich im 19. Jahrhundert infolge der Zugehörigkeit zum preußischen Staat.
Die Publikation entspringt einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen und der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Ihr Ausgangspunkt war ein Symposium, das im Mai 2000 an der Kieler Universität stattfand. Der Band umfasst sechs Beiträge polnischer und acht Artikel deutscher Wissenschaftler, die nach methodischen und thematischen Zusammenhängen gruppiert sind. Den Anfang macht ein einführender Text von Jaworski, gefolgt von drei Aufsätzen von Günter Kaufmann für Kiel sowie Witold Molik und Janusz Pazder für Posen, die einen Überblick zur Gesamtheit des Phänomens in beiden Städten bieten. Die übrigen Texte behandeln einzelne Denkmäler, unterschiedliche Ausführungen und Gruppen. Die Ergebnisse der hier publizierten Untersuchungen zeigen, dass der Umgang mit Denkmälern in Kiel und in Posen recht unterschiedlich war, abhängig von der jeweiligen Rolle und dem entsprechenden Rang beider Städte im Rahmen des preußischen Staates, besonders nach der Gründung des Kaiserreiches, und später mit dem Wandel der politischen Situation beider Zentren nach 1918, als Posen zu einem Teil Polens wurde.
Die Beiträge zu Kiel zeigen, dass über die Errichtung öffentlicher Denkmäler eine weit greifende, einheitliche und dauerhafte Politik entschied, die dem Ziel diente, Kiel zur Seehauptstadt des Reiches auszubauen. Im Zusammenhang mit dem Bestreben Kaiser Wilhelms I. und seines Enkels Wilhelms II., Deutschland zu einer Großmacht zu entwickeln, der die Seestreitkräfte als Grundlage dienen sollten, wurde Kiel zum Heimathafen der Kriegsflotte. Die Errichtung von Denkmälern sollte das maritime Antlitz der Stadt betonen, zu dem außer der Marine auch der Nord-Ostsee-Kanal und die Werft beitrugen. Demgegenüber gestaltete sich in Posen die Denkmalpolitik heterogen. Die Polen errichteten oder planten Statuen berühmter Persönlichkeiten aus Politik und Kunst, die an die vielhundertjährige 'heilige Verbindung' der Stadt mit Polen und seinem geistigen Leben gemahnen sollten. Ziel der preußisch-deutschen Politik hingegen war es, bei der deutschen Bevölkerung ein Gefühl der Verwurzelung in dem von ihr bewohnten Raum zu schaffen [1].
Gemeinsames Element der (deutschen) Denkmalpolitik beider Städte war die Akzentuierung der Zugehörigkeit zum Reich. Die staatliche Einheit verkörperten vor allem die Denkmäler Otto von Bismarcks. Die Aufsätze des Historikers Molik und des Kunstgeschichtlers Uwe Albrecht ergänzen einander und geben ein hervorragendes Beispiel einer fassettenreichen Annäherung an dieses Phänomen.
Nach dem Ersten Weltkrieg drückte sich die Kontinuität in der Kieler Denkmalpolitik darin aus, dass hauptsächlich an gefallene Matrosen verschiedener Marineverbände erinnert wurde. Die Denkmäler zu Ehren der Helden zeigten diese, so Jürgen Elwert, als Vorbilder auf dem Weg zur Wiedergeburt der deutschen Flotte und der Staatsmacht. Ein Monument ist allerdings auch den opferbereiten Studenten und Professoren der Universität gewidmet (Beitrag von Thomas Hill). Die Polen in Posen errichteten Statuen zum Gedenken an die Wiedererlangung staatlicher Souveränität. Die Einen wie die Anderen ehrten zudem verdienstvolle Bürger von lokaler oder nationaler Bedeutung, etwa den holsteinischen Dichter Klaus Groth (Beitrag von Ute Beyer-Beckmann) oder das Symbol der "Polonität", den Dichter Adam Mickiewicz (Beitrag von Przemysław Matusik).
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stand im Zeichen des Gedenkens nicht nur der Opfer der Kriegshandlungen, sondern vor allem jener der politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen, wobei in Kiel die "maritime Linie" fortgeführt wurde, jedoch unter Betonung ihres friedlichen Charakters. Diesen Zeitraum dokumentieren die Artikel von Peter Thurmann über das Denkmal der revolutionären Kieler Matrosen vom November 1918, von Krzysztof Rzepa über das Denkmal der Großpolnischen Aufständischen und von Piotr Piotrowski zum Denkmal für die Arbeiter des "Posener Juni" 1956.
Die besprochene interdisziplinäre Publikation enthält eine Reihe detaillierter und präziser Analysen, die das Wissen über die Denkmäler in Posen und Kiel erweitern und vertiefen. Als wertvolle Frucht polnisch-deutscher wissenschaftlicher Zusammenarbeit im Forschungsfeld des gemeinsamen Kulturerbes ist ihr eine weite Verbreitung zu wünschen.
Anmerkung:
[1] dazu u.a. Thomas Serrier über das Denkmal für August Graf Neidhardt von Gneisenau
Ewa Gwiazdowska