Vera Leuschner: Malwida von Meysenbug. "Die Malerei war immer meine liebste Kunst" (= Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe e. v.; Bd. 61), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2002, 256 S., 87 s/w-Abb., ISBN 978-3-89534-361-2, EUR 19,00
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Vera Leuschner untersucht in ihrer Publikation die Beschäftigung Malwida von Meysenbugs (1816-1903) mit der bildenden Kunst. Damit schließt sie eine Lücke der Biografie von Meysenbugs, die vorwiegend als Vermittlerin und Gesprächspartnerin heutzutage weitaus bekannterer Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur und Politik, schließlich als Übersetzerin einiger Werke Leo Tolstois und Alexander Herzens in Erinnerung geblieben ist.
Die bislang zu von Meysenbug erschienenen biografischen Arbeiten, Beiträge zu ihrer Schriftstellerei oder auch Betreffe in unterschiedlichen Veröffentlichungen - hier sind vor allem Biografien über Richard Wagner, Friedrich Nietzsche oder der Themenkomplex der Revolution von 1848 anzuführen - klammern in ihrer jeweiligen Perspektive von Meysenbugs Verhältnis zur bildenden Kunst aus. Dass aber diese Fragestellung genügend Material birgt und unterschiedliche Deutungsansätze zulässt, wird in der vorliegenden Monografie deutlich, die thematisch im Wesentlichen drei Bereiche umfasst.
Einleitend stellt Leuschner ausführlich Malwida von Meysenbugs Werdegang vor, beginnend mit ihrer Kindheit und Jugendzeit in Kassel und Detmold, dann ihre Familie, vor allem inmitten des Verfassungskampfes in Kurhessen um 1830. Hierin war von Meysenbugs Vater als Staatsminister involviert. Diese frühen Erfahrungen trugen zur Ausbildung des politischen Standpunktes von Meysenbugs und zur Entfremdung, schließlich auch Trennung von ihrer Familie bei, was sie ins Exil nach Hamburg, London und später auch Paris führte. In den 1860er und 1870er Jahren knüpfte sie vielfältige und zum Teil enge Kontakte zu Persönlichkeiten des künstlerischen, philosophischen und politischen Lebens, darunter eben Wagner und Nietzsche, mit denen sie gar zeitweise zusammenlebte. Die letzten 26 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Rom, von wo aus sie ihre europaweiten Korrespondenzen aufrechterhielt.
Im zweiten thematischen Teil stellt Leuschner zunächst ausführlich von Meysenbugs malerische Entfaltung - welche mit dem Unterricht bei dem Frankfurter Landschaftsmaler Carl Morgenstern einsetzte - und ihre folgenden Arbeiten "zwischen Dilettantismus und Professionalität" dar, wie es in einer Kapitelüberschrift heißt. Das deckt zeitlich jedoch lediglich die 1840e Jahre ab, da von Meysenbug um die Jahrhundertmitte die Absicht, eine Karriere als Malerin anzustreben, fallen ließ, um sich fortan einzig der Schriftstellerei zuzuwenden. Sie war zu der Meinung gelangt, dass für ihre persönliche Entwicklung ein im Rahmen der Schriftstellerei mögliches Wirken im demokratischen Sinne vorzuziehen sei. Daneben hinderte sie ein Augenleiden an der berufsmäßigen Ausübung der Malerei. Gleichwohl hielt sie diese auch fortan - wie ihr im Buchtitel angeführtes Zitat referiert - für ihre 'liebste Kunst'. Von Meysenbugs Zeichnungen und Ölbilder sind in der vorliegenden Veröffentlichung auf rund 80 Seiten, darunter einige als Farbtafel, reproduziert und werden ausführlich in ihren Entstehungskontext eingeordnet und kommentiert.
Im dritten, vielleicht interessantesten Bereich behandelt Leuschner anhand von Meysenbugs Korrespondenz die Beziehungen und Freundschaften zu einzelnen Künstlern. Hier sind ihre Dialoge über Verständnis und Sinn der Kunst zu verfolgen, zum Beispiel mit dem Bonner Kunsthistoriker Gottfried Kinkel, mit Ferdinand Gregorovius, dem Geschichtsschreiber Roms, weiterhin mit dem Maler Franz von Lenbach und auch mit Romain Rolland, dem französischen Dichter. Zugleich wird in der Rückschau von Meysenbugs eingeengter, einseitig idealistisch gefärbter Kunstbegriff deutlich, wonach sie die Kunst "abseits der großen Boulevards, abseits der ausgetretenen Wege .., die Kunst der engen Seitenstraßen" (80) nicht wahrnahm - zu denken ist hier an Paul Gauguin, Henri Rousseau und Vincent van Gogh.
Die mit umfangreichen Anmerkungen versehene Arbeit wird durch Auszüge einiger Schriftstücke ergänzt, welche es ermöglichen, die angeführten Kontakte zu vertiefen, daneben auch Einblicke in das großbürgerliche und adlige Leben der Familie von Meysenbugs gewähren. Abschließend ist ein Quellen- und Literaturverzeichnis nebst einem Personenregister angefügt.
Die Publikation ist in durchweg gut lesbarem Duktus geschrieben, der kaum durch die an einigen Stellen etwas strapaziert angestellten Vermutungen über mögliche Ursachen und unsichere Begebenheiten des Dargestellten beeinträchtigt wird. Wünschenswert jedoch wäre die Einbindung der auf den Seiten 99-111 in hoher Druckqualität abgebildeten Farbtafeln in das folgende Kapitel "Zeichnungen und Ölstudien" gewesen, so dass die dort im Textteil besprochenen Werke nicht ein zweites Mal, nun allerdings im Schwarz-Weiss-Druck, wiedergegeben werden müssten. Letztere Anmerkungen sollen aber nicht den allgemein positiven Eindruck der Arbeit von Vera Leuschner trüben, die sicher alle an der Person Malwida von Meysenbugs wie auch viele kunsthistorisch Interessierte ansprechen wird.
Olaf Richter