Matthias Rogg: Landsknechte und Reisläufer: Bilder vom Soldaten. Ein Stand in der Kunst des 16. Jahrhunderts (= Krieg in der Geschichte (KRiG); Bd. 5), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2002, 457 S., 231 Abb., ISBN 978-3-506-74474-6, EUR 46,80
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In der Kunst des 16. Jahrhunderts wird ein äußerst ambivalentes Bild des Soldaten entworfen. Ist er auf der einen Seite die Inkarnation einer freien, ungebundenen Lebensweise und steht er für Selbstbewusstsein, physische und sexuelle Kraft, so zieht er auf der anderen Seite eine moralisierende Kritik auf sich, die den Landsknecht als sittenloses, da zu Brutalität, Spiel- und Trunksucht neigendes, jedenfalls zu disziplinierendes Subjekt thematisiert. Zu diesen Erkenntnissen kommt Matthias Rogg in seiner Dissertation zum Bild des Soldaten im 16. Jahrhundert.
Der Hauptteil der Untersuchung trägt die Überschrift "Aufgeschlüsselter Topos" und befasst sich mit der Tracht der Kriegsleute, mit der "Innenansicht der militärischen Gesellschaft im Bild", dem Verhältnis der Kriegsknechte zu anderen Ständen und Berufen, den Soldaten im Kontext moralisierender und politischer Bildaussagen, dem Soldaten in Sinnbildern und der Soldatenkarikatur. Ein weiteres Kapitel analysiert die Entwicklung vom autonomen Soldatenbild zur Bildserie.
Die Bilder thematisieren die unterschiedlichsten Lebensbereiche der Landsknechte und Reisläufer: ihr Erscheinungsbild und ihr Auftreten, das Lagerleben sowie die dortigen Hierarchien und Rechtsverhältnisse, den sie begleitenden Tross und ihre Kontakte zu Frauen, ihre soziale Verortung und die verschiedenen militärischen Dienstränge, die Bedrohungen durch Verletzungen, Krankheit und Tod. Eine ganze Reihe von Bildern bestechen durch genaue Beobachtung und detaillierte Darstellung. Einige entstanden sogar "vor Ort" in einem Feldlager. Zahlreiche Elemente der Sachkultur werden verbildlicht und erlauben eine anschauliche Vorstellung - hier ist das Bildmedium den Texten eindeutig überlegen.
Hervorgehoben seien die Analysen Roggs zum Geschlechterverhältnis. So trifft Rogg zunächst einmal die unvermutete Feststellung, "daß keine Personen-, Berufs- oder Standesgruppe so häufig neben dem Soldaten abgebildet wird wie die Frau" (33). Die Paardarstellungen zeigen den Landsknecht und seine Begleiterin, wobei manche Bilder die Abhängigkeit der Soldatenfrau von ihrem Partner deutlich werden lassen. Eindrucksvoll sind auch die Darstellungen von Frauen, die im Tross die Soldaten begleiteten. Ihr beschwerlicher Alltag wird deutlich, wenn sie schwanger, schwer bepackt und begleitet von kleinen Kindern abgebildet werden (so die "Trosserin" von Jost Ammann). Differenziert stellt Albrecht Altdorfer die Trossfrauen dar: Während die Frau des Offiziers - oder dessen Konkubine - in feiner Kleidung auf einem Wagen reisen darf, müssen die einfachen Frauen mit schwerem Gepäck zu Fuß gehen.
In der Darstellung des Trosses und, damit verbunden, des Hurenwaibels, der für Ordnung im Tross zu sorgen hat, erkennt Rogg einen signifikanten Wandel. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts findet sich nämlich vermehrt Kritik in den Bildern. Der riesige Tross erscheint immer mehr als Anhäufung von kriminellem Gesindel, seine dem Heer dienende Funktion gerät aus dem Blick. Die soziale Vielfalt und die schwere Kontrollierbarkeit des Trosses werden zunehmend als Problem empfunden. Rogg sieht hier Sozialdisziplinierung greifen, ohne sich allerdings mit diesem in der Forschung höchst umstrittenen Begriff näher auseinanderzusetzen.
Rogg gelingt es, wichtige Funktionen des Soldatenbildes nachzuweisen: Die Darstellung des Kriegsvolks erweist sich als eingebunden in den frühneuzeitlichen Staatswerdungsprozess, denn Landsknechten und vor allem schweizerischen Reisläufern wird in den untersuchten Bildern eine identitätsstiftende Funktion zugeschrieben. Die Verbildlichung eines disziplinierten, schlagkräftigen Truppenkörpers, wie ihn viele Schlachtdarstellungen inszenierten, konnte auf die Macht und Durchsetzungskraft der frühneuzeitlichen Herrschaft verweisen und - nach dem Angriff der Türken auf Wien - die Türken-Ängste der Bevölkerung beschwichtigen. Überzeugend arbeitet Rogg zudem heraus, dass hinter der Entwicklung vom "autonomen Soldatenbild" zur Bildserie der Wandel vom selbstbewussten Kriegsmann zum disziplinierten Soldaten als Teil eines Truppenkörpers nachvollziehbar wird.
Kritische Einwände müssen jedoch in Bezug auf die methodische Dimension der Studie erhoben werden. So ist es durchaus problematisch, dass Rogg die Bilder zunächst als Verbildlichungen der "Innensicht der militärischen Gesellschaft" analysiert. Nicht alle Soldatendarstellungen jedoch spiegeln ungebrochen die soziale Realität, die Lebenswelt der Kriegsleute wider. Immer wieder erkennt auch Rogg selbst bei seiner Bildanalyse die Ausbildung von feststehenden Topoi bei der Bildgestaltung, die er zu Recht auf die Bedürfnisse der Rezipienten nach stereotypisierten Bildgestaltungen zurückführt. Gerade weil sich Bewunderung und Kritik in Bezug auf den Soldaten mischten, sind die Bilder oftmals nicht mit dem Impetus einer möglichst genauen Realitätswiedergabe entstanden, enthalten sie moralisierende oder simplifizierende Strukturelemente. Sie sind damit eher ein Ausweis der "Außensicht" der Gesellschaft auf das Binnensystem Militär. Die Frage aber, in welchem Verhältnis feststehende Bildtopoi zu einer realitätsgerechten Darstellung der Lebenswirklichkeit des Landsknechts stehen, beantwortet Rogg nicht. Die Überschrift des Hauptteils nennt zwar den "aufgeschlüsselten Topos", doch was er darunter versteht, wird an keiner Stelle erklärt. In seiner Einleitung nennt Rogg zwar einschlägige Arbeiten zur Historischen Bildkunde, doch seine "methodischen Vorbemerkungen" (4f.) bieten zu wenig Aufschluss über das methodische Instrumentarium, mit dem er dem Problem von Stereotyp und Realität begegnen möchte. Eine systematische Untersuchung der Bildstereotypen fehlt und damit die Möglichkeit, Elemente der Bildstilisierung übergreifend zu vergleichen und zu analysieren. Dies betrifft auch die Interpretation von "Genrebildern", die Rogg nirgends quellenkritisch kommentiert.
Die fehlende methodische Durchdringung zeigt sich auch in der inkonsistenten Konzeption der Studie. So fragt man sich, warum es, gesondert vom Hauptteil der Studie, ein Kapitel über "moralisierende und politische" Bildaussagen gibt, werden doch auch bei anderen, schon im Rahmen der Ermittlung der "Lebenswelt" der Soldaten analysierten Darstellungen des öfteren moralisierend-kritische Untertöne laut. Und schließlich sei noch eine Anmerkung zum Themenbereich "die Kriegsleute in Prognostiken und Prodigien" gemacht: Hier wäre es sinnvoll gewesen, einen Blick auf die Literatur zur Darstellung von Himmelserscheinungen und vor allem von Planetengöttern zu werfen, denn dann hätte Rogg erkannt, dass die Kriegsdarstellungen in diesen Schriften, die er nicht recht einzuordnen weiß, auf den Kriegsgott Mars und sein verhängnisvolles Wirken auf Erden verweisen, also als feststehende Bildformeln gebräuchlich waren (231). Und in der berühmten Darstellung von Leonhard Reynmann zur Sintflutprophetie 1524 sind Trommler und Pfeifer zwar tatsächlich ein Hinweis auf die befürchtete militärische Konfrontation im Zusammenhang mit einem prognostizierten gesellschaftlichen Umsturz, doch stehen die beiden Figuren keineswegs "unter einem guten Stern" (202), sondern unter dem unheilvollen Wirken eines Kometen.
Trotz dieser Schwächen kann Roggs Studie als wichtiger Beitrag zu einer Sozialgeschichte des Militärs im 16. Jahrhundert gesehen werden, die vor allem durch ihre breite Quellenbasis, ihre überzeugende Analyse der Funktion von Soldatenbildern für die frühneuzeitliche Gesellschaft und detaillgenaue Beobachtungen besticht.
Heike Talkenberger