Ilse Tobias: Die Beichte in den Flugschriften der frühen Reformationszeit (= Europäische Hochschulschriften. Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; Vol. 919), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2002, 318 S., ISBN 978-3-631-38797-9, EUR 45,50
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Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine historische Dissertation der Universität Essen. Thematisiert wird die Beichte in den Flugschriften der frühen Reformationszeit. Einführend behandelt Ilse Tobias die Flugschrift als Medium der reformatorischen und gegenreformatorischen Propaganda und nimmt zu ihrer Korpusbildung Stellung. Darauf folgt die systematische Darstellung der Beichte in den frühen Schriften Luthers. Dies macht durchaus Sinn, da Luther die gesamte Diskussion bestimmte und gerade die Flugschriftenautoren Luthers theologische Positionen oftmals nur weitergaben.
Nach Luther werden andere bedeutende Reformatoren mit ihren Aussagen zur Beichtfrage vorgestellt, zunächst Melanchthon, Karlstadt und Bugenhagen, dann nachrangige Flugschriftenautoren wie Eberlin, Kettenbach und Egranus, bevor anschließend wieder wichtige Reformatoren wie Brenz, Oekolampad und Zwingli angeführt werden. Bemerkenswert ist, dass in der Beichtfrage wenig Unstimmigkeiten zwischen den Protagonisten der reformatorischen Bewegung zu beobachten sind. Karlstadt unterschied sich ebenso wie Zwingli in der Beichtfrage kaum von Luther. Hier sind nur Nuancen zu beobachten.
Danach werden anonyme Flugschriftenautoren mit ihren Ansichten zur Beichtfrage thematisiert, bevor als dritte Kategorisierung Flugschriften von Handwerkern und anderen Laien in den Blick genommen werden. Ein nächstes größeres Kapitel behandelt die Flugschriften der katholischen Theologen gegen die reformatorische Beichttheologie.
Ein kurzer Exkurs zu Erasmus betont die Sonderstellung des großen Humanisten in den theologischen Auseinandersetzungen der Zeit. Obwohl sich Erasmus deutlich zur römischen Kirche und gegen Luther bekannt hatte, wurde er in seinen Einleitungsschriften zum Neuen Testament ebenso wie in seinen ins Deutsche übersetzten Flugschriften als reformatorischer Autor gelesen. Auch ikonografisch wurde Erasmus oftmals als Reformator behandelt.
Abschließend wird die Behandlung der Beichte auf dem Augsburger Reichstag 1530 thematisiert, wobei aber nur die Beichte in der Confessio Augustana, ihrer Confutatio und der Apologie angesprochen wird. Dieses Kapitel passt nicht recht zu den Flugschriften, standen die Autoren der bekenntnismäßigen Schriften doch unter ganz anderen Zwängen als die Verfasser von Flugschriften. Bekanntlich betonte Melanchthon insbesondere in der Confessio Augustana die Gemeinsamkeiten mit den Katholiken und die Unterschiede zu den Zwinglianern. Der diskursive Ort der Bekenntnisschriften war also ein ganz anderer als der der Flugschriften.
Als Ergebnis dieser überzeugenden und verdienstvollen Arbeit fällt die Homogenität der Ansichten im reformatorischen Lager auf. Die Beichtfrage wurde von Luther und seinen Mitstreitern nicht mehr wesentlich sakramental bestimmt, sondern von der reformatorischen Erkenntnis des gnädigen Gottes her. Auch hielten die Reformatoren an der Dreiteilung der Beichte fest. Die Beichte gehörte nicht zu den ganz großen theologischen Problemen der Reformationsepoche. Die Differenz zwischen der reformatorischen und der katholischen Beichtauffassung im 16. Jahrhundert kommt in der ersten der 95 Thesen zum Ausdruck: Die Buße ist kein sakramentaler Akt, sondern bestimmt die gesamte Existenz jedes Christenmenschen.
Thomas Fuchs