Dieter Hübener / Kristina Hübener / Julius H. Schoeps (Hgg.): Kriegerdenkmale in Brandenburg. Von den Befreiungskriegen 1813/15 bis in die Gegenwart (= Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission; Bd. VI), Berlin: BeBra Verlag 2003, 240 S., 1 CD-ROM, ISBN 978-3-89809-302-6, EUR 24,90
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Bereits in den 70er-Jahren begann in der alten Bundesrepublik die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kriegerdenkmälern als Zeugnissen historischer Erinnerung, die im 19. Jahrhundert nicht nur den kämpferischen Nationalgeist befördern, sondern auch die Opferbereitschaft nachfolgender Generationen wecken sollten. Die theoretischen Grundlagen zur Untersuchung der identitätsstiftenden Momente dieses spezifischen Kriegs- und Kriegstodeskultes legten hier in über 20 Jahren unter anderem Reinhart Koselleck, Michael Jeismann und Thomas Nipperdey, deren Überlegungen über die Instrumentalisierung und Ideologisierung von Denkmälern inzwischen zahlreiche Ergänzungen und Präzisierungen erfahren haben.
Die nun veröffentlichten Ergebnisse einer Projektgruppe an der Universität Potsdam über die Kriegerdenkmale in Brandenburg sind in vier Teile gegliedert, wobei der erst jüngst erstellte Textband zwei Aufsatzgruppen "Denkmalkult und Erinnerungskultur" und "Denkmal und Gesellschaft" sowie einen Abbildungsnachweis und ein Orts- und Personenregister beinhaltet, der dritte Teil aus der pdf-Datei "Kriegerdenkmale in der Provinz Brandenburg (bis 1945), Spezialinventar der Quellen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv" besteht und der vierte das eigentliche Projekt, eine digitale Denkmal-Datenbank (DDB) für Brandenburgs Denkmale, beinhaltet. Letztere soll demnächst auch im Internet verfügbar und interaktiv sein.
Ziel des Projektes war nach Aussage der Herausgeber nicht, eine möglichst umfangreiche Liste der etwa 3500 Denkmäler Brandenburgs zu erstellen, sondern ein "unterhalb der 'großen Politik' verborgenes Selbstverständnis unserer Herrschaftskultur auszugraben und aufzusprengen" (9). In ihrer Einleitung erläutern die Herausgeber daher auch eher den Bewusstseins-, nicht den zu Brandenburgs Denkmalen ohnehin kaum vorhandenen Forschungsstand zum Thema, und sie verweisen auf ihre Fragestellung, "Kriegergedächtnis- und Erinnerungsmale im Grenzbereich historisch-politischer, sozial- und kulturgeschichtlicher Aspekte" (8) untersuchen zu wollen. Eindeutig ist hier trotz der Interdisziplinarität der Autoren ein vorwiegend historischer Blick. Eine deutlich über 1949 hinausgehende Sicht auf die Denkmalkultur der Nachkriegszeit findet sich im Wesentlichen allein in der Überblicksdarstellung zur Entwicklung der Erinnerungsformen "Krieg und Denkmal im 20. Jahrhundert" von Stefanie Endlich, die damit den ersten Teil des Buches einleitet. Sie zieht allerdings fast ausschließlich Beispiele der Denkmalkultur außerhalb Brandenburgs für ihre Beobachtungen heran, und indem sie den Blick nicht nur auf die titelgebenden Kriegerdenkmäler, sondern auch auf Denkmäler für kriegs- oder systembedingt gestorbene Zivilisten lenkt, verlässt sie zudem die zu beobachtende Gruppe von Denkmälern.
Ihrem somit eher prinzipiell in die Problematik einführenden Überblick über Mahnmale für Opfer von Gewalt folgen Aufsätze, die sich mit sehr konkreten Einzelaspekten der Denkmalkultur in Brandenburg beschäftigen. Die Stärke aller dieser Beiträge ist die Verknüpfung ihrer spezifischen disziplinären Ansätze mit übergreifenden Deutungskategorien anderer Disziplinen. So wird unter sprachlichen, kunsthistorischen, historischen oder psycho-sozialen Untersuchungsaspekten der Blick auf die Selbstdarstellungen und -wahrnehmungen einer Epoche oder eines Ereignisses einer sich aus vielen kulturellen Einflüssen ergänzenden Gesellschaft ermöglicht.
"Denkmal und Gesellschaft" lautet der zweite Teil des Begleitbandes. In qualitativ sehr unterschiedlich zu gewichtenden Aufsätzen stellen hier sieben Autoren einzelne Denkmale oder Denkmalsgruppen des Landes Brandenburg beispielhaft vor. Allein vier von ihnen schildern dabei Denkmäler für Ereignisse der Befreiungskriege, drei Aufsätze widmen sich den zahlreichen sowjetischen Kriegerdenkmalen in Brandenburg, Gefallenenehrungen des Ersten Weltkrieges und der Funktionalisierung der deutsch-jüdischen Kriegerdenkmäler am Beispiel Guben. Im Gegensatz zum ersten, analytischen, das äußere Erscheinungsbild der Denkmäler transzendierenden Teil des Textbandes liefern die hier vorliegenden Aufsätze eher Stoff für zukünftige Forschungen und machen Lust, sich der geschilderten Denkmale erneut anzunehmen. Angesichts der teilweise sehr spärlichen Forschungsliteratur über ihre Objekte sind allerdings die vielfach sehr ausführlichen und umfangreichen Literatur- und Archivangaben sowie die reiche Bebilderung aller Aufsätze des Textbandes besonders positiv zu bewerten. Gleichwohl ist der Textband nur Beiwerk.
Das Kernstück der langjährigen Projektarbeit befindet sich auf der dem Textband beiliegenden CD-ROM. Sie beinhaltet das 82-seitige, als pdf-Datei gespeicherte Spezialinventar der Quellen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) "Kriegerdenkmale in der Provinz Brandenburg (bis 1945)" sowie die Ergebnisse der engeren Projektarbeit, nämlich die Denkmal-Datenbank (DDB). In ihr sind bisher etwa 800 Denkmale Brandenburgs strukturiert erfasst, wodurch die nach individuellen Suchkriterien zusammenstellbaren Denkmale im öffentlichen Raum des heutigen Landes Brandenburg geordnet werden sollen.
Hinsichtlich der Nutzung der Datenbank muss leider auf die prinzipielle Hürde aufmerksam gemacht werden, dass die Voraussetzung der erfolgreichen Installation der CD-ROM die Installation von MS Access auf dem Rechner ist. Auch die Navigation innerhalb der Access-Datenbank erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit, und eine größere Übersichtlichkeit der Auswahl- und Suchmöglichkeiten innerhalb des Datenpools würde die Nutzerfreundlichkeit hier erheblich erhöhen. Eine geografische Hilfestellung, zum Beispiel in Form einer mit den jeweiligen Datensätzen verknüpften schematischen Abbildung des Landes Brandenburg, wäre überdies hilfreich gewesen, um auch Nicht-Brandenburgern eine Orientierung über die räumliche Verteilung der vorgestellten Denkmäler zu erlauben.
So bleibt bezüglich des Datenbestandes die Anerkennung der Leistung aller Mitwirkenden, die in jahrelanger Arbeit die nun vorhandenen Daten und Fakten gesammelt und strukturiert haben. Für zukünftige Forscher aber wäre eine Programmierung wünschenswert, die einen besseren Zugriff auf die Daten ermöglichte. Die Aufsätze des Textbandes hätte man sich thematisch zum Teil präziser an Brandenburg orientiert und, dem Titel entsprechend, etwas umfassender, bis in die Gegenwart reichend gewünscht.
Bettina B. Altendorf