Heinz Schilling: Ausgewählte Abhandlungen zur europäischen Reformations- und Konfessionsgeschichte. Hrsg. v. Luise Schorn-Schütte / Olaf Mörke (= Historische Forschungen; Bd. 75), Berlin: Duncker & Humblot 2002, X + 703 S., ISBN 978-3-428-10865-7, EUR 66,00
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Paul E. J. Hammer: The Polarisation of Elizabethan Politics. The Political Career of Robert Devereux, 2nd Earl of Essex, 1585-1597, Cambridge: Cambridge University Press 1999
Alison Cathcart: Kinship and Clientage. Highland Clanship, 1451 - 1609, Leiden / Boston: Brill 2006
Roger B. Manning: Swordsmen. The Martial Ethos in the Three Kingdoms, Oxford: Oxford University Press 2003
Heinz Schilling (Hg.): Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600, München: Oldenbourg 2007
Heinz Schilling: Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559-1659, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007
Heinz Schilling / Stefan Ehrenpreis (Hgg.): Frühneuzeitliche Bildungsgeschichte der Reformierten in konfessionsvergleichender Perspektive. Schulwesen, Lesekultur, und Wissenschaft, Berlin: Duncker & Humblot 2007
Heinz Schilling gehört zu denjenigen Frühneuzeithistorikern, die durch ihre Thesen und Veröffentlichungen die Debatte über den Gesamtcharakter der Epoche in den beiden letzten Jahrzehnten ganz maßgeblich mitbestimmt haben. Insbesondere das von ihm wesentlich mitentwickelte Paradigma der Konfessionalisierung hat prägend gewirkt, mag es auch nicht (mehr) ganz unumstritten sein. Der vorliegende Band bietet dem Leser eine Auswahl von Aufsätzen und Vorträgen der Jahre 1975 bis 1999. Allgemeine Reflektionen über den Charakter der Reformation aus jüngerer Zeit stehen hier neben älteren Arbeiten über den städtischen Republikanismus und zur niederländischen Geschichte. Einen besonders breiten Raum nehmen jedoch die Beiträge zum Thema der Konfessionalisierung im engeren Sinne ein. Insbesondere an dieser Stelle, aber auch in anderen Abschnitten wird deutlich, dass Schilling seine Position als einer der führenden deutschen Frühneuzeithistoriker ganz wesentlich auch seiner Fähigkeit zur scharfen und bisweilen auch polemischen Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Gegner verdankt, die er ja zuletzt noch virtuos und scharfsinnig in der Debatte um den so genannten "Reichsstaat" unter Beweis gestellt hat. Wenn einem Vertreter der Gegenseite vorgehalten wird, er verdamme in "manichäischer Polarisierung" jedes historische Konzept, das Einflüsse des Staates auf die Disziplinierung und Zivilisierung des modernen Menschen in Rechnung stelle (633, Anm. 4), so ist doch auch Schilling selber diese scharfe Polarisierung, mag sie auch nicht geradezu manichäisch sein, nicht ganz fremd. Allerdings hat Schilling durch diese Fähigkeit zur Polarisierung auch zahlreiche wichtige Debatten in der Forschung angestoßen und angeregt, Debatten, die dank seiner Interventionen stets auch den europäischen Kontext der deutschen Geschichte, der nicht allen Frühneuzeithistorikern gleichermaßen präsent ist, berücksichtigt haben.
Ausgangspunkt seines historischen Denkens ist dabei eine Position - dies wird in diesen Aufsätzen noch einmal deutlich -, die sich am ehesten als liberal-kulturprotestantisch kennzeichnen lässt, eine trotz des stets präsenten Blicks auf die europäischen Phänomene in ihrer Gesamtheit doch spezifisch deutsche Haltung. Für Schilling steht fest, dass Europa "von vornherein auf Säkularisierung angelegt" war (620), ein Diktum, das manche katholische Historiker trotz der intensiven Zusammenarbeit Schillings mit katholischen Kollegen in der Konfessionalisierungsdebatte so vermutlich nicht teilen würden oder das doch zumindest der katholischen Tradition, wie sie sich bis zum 2. Vatikanum ungebrochen darstellte, viel fremder ist als der liberalen protestantischen.
Dabei ist es Schilling stets darum gegangen, einerseits das Eigengewicht des Religiösen gegenüber anderen historischen Kräften zu betonen und andererseits den spezifischen Beitrag der Reformation und der Konfessionsbildung einschließlich - auch wenn dies vielleicht am Ende doch eher ein nachgeschobener Gedanke war - der tridentinischen katholischen Reform zur Modernisierung von Staat und Gesellschaft Europas im 16. und 17. Jahrhundert zu unterstreichen. Die Affinität des frühmodernen Staates und einer konfessionalisierten Religiosität erscheint Schilling trotz aller wechselseitigen Spannungen und Konflikte, die in seinen Arbeiten übrigens stets präsent geblieben sind, dabei als zugleich prägend und natürlich; ein Urteil, das auf den Kontinent ja auch zunächst weitgehend zutrifft, das aber vielleicht revidiert werden müsste, wenn man den Blick stärker auf den angelsächsischen Bereich richten würde, wo sich die religiös kreativsten und stärksten Kräfte ja oft im Gegensatz zum Staat und zu den etablierten Kirchen entfaltet haben, vom englischen Puritanismus, einer klassischen Form der von unten her organisierten "voluntary religion" (Patrick Collinson), bis hin zum Great Awakening Amerikas, das diesem Land bis heute seine Stempel aufgedrückt hat.
Schilling ist von seinen Gegnern daher auch gelegentlich ein ausgeprägter "Etatismus" vorgeworfen worden. Er hat sich freilich bemüht, diesen Vorwurf zu widerlegen, unter anderem in seiner großen Auseinandersetzung mit dem Schweizer Historiker Heinrich Richard Schmidt (Disziplinierung oder "Selbstregulierung der Untertanen"? Ein Plädoyer für die Doppelperspektive von Makro- und Mikrohistorie bei der Erforschung der frühmodernen Kirchenzucht [1997], in diesem Band 632-645 ). Hier hebt er hervor, dass es ihm gerade auch um die Unterscheidung kirchlicher Sündenzucht, mit ihren zum Teil ganz anderen Zielen (gerade auch im Bereich der Sexualmoral), und obrigkeitlicher Sozialdisziplinierung gehe und darum, das Eigengewicht der "nichtetatistischen Kräfte von Religion und Kirche" angemessen zu würdigen (644). Diese Kräfte bleiben für Schilling freilich aufs Engste verzahnt mit dem Prozess der Staatsbildung und der Modernisierung der Gesellschaft. Dezidiert wehrt er sich hier gegen eine Perspektive, die, verbunden mit einer "fast pathologischen Kritik an makrohistorischen Ansätzen" (645), den Blick nur noch auf die Erfahrungswelt der dörflichen Bevölkerung richtet und das Handeln der Eliten oder der staatlichen Obrigkeiten marginalisiert. Dieses Beharren Schillings auf den makrohistorischen Zusammenhängen ist sicherlich berechtigt, mag er auch die Intentionen anderer historischer Denkschulen zuweilen überspitzt darstellen, um ihnen umso energischer entgegentreten zu können, statt in ihnen ein Angebot zur Ergänzung seiner eigenen Forschungsinteressen zu sehen.
Aus der Perspektive der Lokalgeschichte lassen sich freilich langfristige politische Entwicklungen, wie nicht zuletzt die Entstehung und der Wandel des frühneuzeitlichen europäischen Staatensystems, ein Thema, das in den Arbeiten Schillings in den vergangenen Jahren zunehmend wichtiger geworden ist und auch in diesem Sammelband in mehreren neueren Beiträgen aufgegriffen wird, in der Tat kaum erfassen. Die gegenwärtige historische Erfahrung sollte aber hinreichend zeigen, wie wichtig etwa Konflikte innerhalb des Staatensystems in ihren Rückwirkungen auf das Alltagsleben auch für jeden Einzelnen sein können. Die Gegenwart macht im Übrigen auch deutlich, dass religiöse Einflüsse auf die Politik und religiöse Konflikte in ihrer Verbindung mit ethnisch-nationalen Spannungen keineswegs eine Sache der Vergangenheit sind, sondern unser Leben vermutlich in den nächsten 30 Jahren so stark bestimmen werden wie seit dem Ende des Kulturkampfes im späten 19. Jahrhundert nicht mehr. In diesem Sinne besitzen auch die Arbeiten Schillings, die hier in eindrucksvoller Breite wieder abgedruckt wurden, mehr denn je eine nicht bloß wissenschaftliche Aktualität, auch wenn sie ursprünglich zum Teil aus Diskussionen wie der Modernisierungsdebatte der 1970er- und frühen 1980er-Jahre im Kontext des Aufstiegs der Sozialgeschichte hervorgegangen sind, die in dieser Form nicht mehr virulent sind, oder in sehr spezifischen geistesgeschichtlichen Traditionen wurzeln, wie dem Glauben an die - wenn auch oft auf Umwegen erreichte - Harmonie zwischen einem liberalen säkularisierten Staat und einer Kirche, die letztlich ähnlich wie dieser Staat selber organisiert ist und sich selbst als wesentlicher Träger der modernen Kultur versteht, jedenfalls nicht als ihr Gegenspieler wie einst der Katholizismus und heute große Teile des Islam.
Ronald G. Asch