Aloys Winterling: Caligula. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2003, 206 S., 6 Abb., 1 Stammtafel, ISBN 978-3-406-50206-4, EUR 19,90
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Caligula war der Erste in einer längeren Reihe römischer Kaiser, die schon vielen der antiken Autoren aufgrund ihres nonkonformen beziehungsweise grenzüberschreitenden Verhaltens als 'verrückt' galten. Diese Sichtweise der fast ausschließlich dem Senatoren- beziehungsweise Ritterstand entstammenden Schriftsteller hat die Bewertung der 'schlechten' Herrscher Roms bis in die Gegenwart bestimmt. Die althistorische Forschung hat sich zuletzt wieder vermehrt diesen außergewöhnlichen Gestalten zugewandt, da sich an ihnen besonders gut beobachten lässt, wie mit der komplexen Principatsordnung experimentiert wurde, und wo sich dabei Bruchlinien auftaten. In diesen Rahmen lässt sich die schlanke Caligula-Biografie von Aloys Winterling einordnen. Trotz seiner Kürze handelt es sich dabei um eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre zur römischen Kaiserzeit, das in seiner Bedeutung weit über eine reine Lebensbeschreibung des Caligula hinausreicht, da es zahlreiche weiterführende Erkenntnisse zu den Herrschafts- und Sozialstrukturen im frühen Principat vermittelt. Nicht zu seinen geringsten Qualitäten ist zu zählen, dass es sehr flüssig geschrieben und die Argumentation hervorragend nachvollziehbar ist. Alle wichtigen Aussagen sind in einem Anhang anhand der Quellen belegt, während Winterling auf eine breitere Auseinandersetzung mit der modernen Sekundärliteratur bewusst verzichtet hat, was der Klarheit seiner Gedankenführung zugute kommt.
Die meisten der antiken Quellen stimmen darin überein, Caligula sei 'verrückt' gewesen. Dieses Diktum hat die Forschungsgeschichte zu Caligula lange bestimmt, vor allem seit am Ende des 19. Jahrhunderts Ludwig Quidde am Beispiel des Caligula seine eigentlich auf Wilhelm II. zielende These vom 'Caesarenwahnsinn' entwickelt hatte. Die neueren Biografien des Herrschers, die fast ausschließlich in englischer Sprache verfasst wurden, konnten sich trotz aller Bemühungen um eine gewisse Rehabilitierung des Caligula nie ganz von diesen etablierten Deutungsmustern lösen. An dieser Stelle unternimmt Winterling einen radikalen und darum sehr willkommenen Neuanfang, indem er mit der Vorstellung vom 'verrückten' Caligula endgültig aufräumt (7-11, 175-180). Er kann zeigen, dass es sich dabei im Wesentlichen um eine Konstruktion der antiken Autoren handelte, die diese anwandten, um die tatsächlich außergewöhnlichen Verhaltensweisen des Kaisers moralisch abzuwerten und in ein leicht verständliches Negativ-Raster einzuordnen, nämlich in das der psychischen Deformation des Herrschers, die ihn zum Tyrannen oder (aus jüdischer Sichtweise) zum Gottesfrevler hatte werden lassen. Sueton 'erfand' dann offenbar dazu die passende Krankheitsgeschichte (Cal. 50, 2). Der Vorwurf des Wahnsinns erlaubte es, sämtliche Fehlentwicklungen der caliguleischen Ära dem Kaiser ganz persönlich anzulasten, während das Herrschaftssystem als solches nicht infrage gestellt werden musste. Zudem half eine solche Darstellungsweise zu verschleiern, welche nicht gerade rühmliche Rolle die Aristokratie, der sich fast alle Autoren zugehörig fühlten, dabei gespielt hatte.
Winterlings mit großer Konsequenz durchgehaltene Methode besteht nun vor allem darin, die oft widersprüchlichen oder gar bizarren Angaben in den Quellen entweder zu widerlegen oder mit einem nachvollziehbaren Sinn zu versehen. Letzteres gelingt Winterling in der Regel dadurch, dass er versucht Aussagen antiker Autoren, die diese häufig (bewusst) aus dem Zusammenhang gerissen hatten, um Caligula als besonders abnormes Wesen darzustellen, wieder in ihren ursprünglichen Sinnzusammenhang einzuordnen; entweder indem er den Kontext von Politik und Gesellschaft im 1. Jahrhundert nach Christus vor Augen führt, was viele auf den ersten Blick sinnlos wirkende Maßnahmen verständlich macht (zum Beispiel 81, 109, 132-135); oder aber, indem er innere Widersprüche in den Hauptquellen aufzeigt (so etwa 8 f., 47 f., 104 f., 148 f.), wobei häufig an 'unbetonten' Stellen oder in unverdächtigen, weil nicht tendenziösen Passagen noch etwas von der ursprünglichen Wirklichkeit durchschimmert.
Winterling beschreibt einen Herrscher, der am Hof des Tiberius eine schwierige und ständig bedrohte Jugend verlebte, nach seinem Regierungsantritt im Jahre 37 zunächst - unter dem Einfluss von mächtigen Beratern - die senatsfreundliche Regierungsform des Augustus imitierte, recht schnell aber schon erste tastende Versuche einer Neuorientierung unternahm. Bald darauf habe es einen radikalen Umbruch in der Verhaltensweise des Caligula gegeben. Ein solcher wird auch in einer Reihe von Quellen postuliert, allerdings zeitlich unterschiedlich eingeordnet. Winterling datiert ihn auf den Anfang des Jahres 39. Als Auslöser sieht er eine größere Verschwörung gegen Caligula, die angeblich in den höchsten Ebenen des Senates geplant wurde, von den späteren Quellen aber fast völlig totgeschwiegen worden sein soll (89-93, 100 f.). Das stellt natürlich ein Problem dar, und dieser von Winterling rekonstruierte erste größere Putschversuch bleibt denn auch reichlich schemenhaft. Unzweifelhaft ist aber, dass die kurz darauf folgenden, besser belegten Verschwörungen gegen den Kaiser, die oft in dessen engster Umgebung ihren Ausgangspunkt nahmen, teilweise jedoch auch weitere senatorische Kreise erfassten, ein wichtiges Moment in der Regierungszeit des Caligula darstellten und dessen Neuausrichtung maßgeblich beeinflussten. Letztere sieht Winterling vor allem darin, dass Caligula nun die permanente Auseinandersetzung mit der Aristokratie suchte. Diese hatte - und hier entwirft Winterling seine zentrale These - seit der Etablierung des Principats durch Augustus eine "doppelbödige (unehrliche) Kommunikation" mit dem Kaiser gepflegt (27, 34, 58 f., 70), die vonseiten der Senatoren vor allem aus "reinem Opportunismus" und "inflationärer Schmeichelei" (18, 80, 143, 174) bestand, während der Princeps sich nicht als der allmächtige Herrscher geben durfte, der er eigentlich war (15). Caligula habe nun diese Kommunikationsform durchschaut und sie als das entlarvt, was sie (laut Winterling) seit jeher war: "Heuchelei, Verstellung, Lüge" (94). Dabei bediente er sich seines zynischen Witzes, den er zur gezielten Demütigungen einzelner Oberschichtangehöriger oder der gesamten Gruppe einsetzte, indem er etwa sein Lieblingspferd so sehr hofierte, dass sogar das Gerücht aufkommen konnte, er wolle es zum Konsul ernennen. Caligula selbst stilisierte sich nun immer deutlicher als ein Monarch, der deutlich zu erkennen gab, dass er den Senat nicht mehr benötigte und von diesem auch nicht mehr geehrt werden wollte; er verweigerte sich also demonstrativ der bisher gängigen "doppelbödigen Kommunikation" (96 f., 118-120). Obwohl er den letzten Schritt zur gänzlichen Beseitigung der Principats-Ordnung offenbar dann doch nicht zu gehen bereit war, imitierte er immer stärker das Vorbild der hellenistischen Könige, etwa durch grandiose Bauprojekte wie die Brücke über das Meer bei Baiae, die er in einer ausgesuchten Inszenierung im Brustpanzer Alexanders des Großen überquerte (120-124). Die Abwendung vom Senat implizierte zudem, dass sich Caligula nun - wie nach ihm auch die meisten der anderen 'schlechten' Kaiser - noch stärker als zuvor des Zuspruches anderer gesellschaftlicher Gruppen zu versichern suchte: der Freigelassenen an seinem Hof, des stadtrömischen Volkes, der Soldaten sowie der Provinzbevölkerung. Dies konnte seiner Herrschaft für eine Weile durchaus Stabilität verleihen, die erst ins Wanken geriet, als auch seine engste Umgebung die Furcht vor dem ewig misstrauischen Kaiser erfasste, der gegen Ende seines Lebens sogar geplant haben soll, nach Alexandria überzusiedeln.
Das von Winterling entworfene Bild des Kaisers Caligula wirkt vor allem in seiner Geschlossenheit überzeugend, denn der Autor kann damit sehr vieles - auch bisher weitgehend Unverstandenes - glaubhaft erklären. Manches erscheint allerdings zu stark rationalisiert. So tritt Caligula bei Winterling durchgehend als ein zynischer, manchmal gar 'modern' denkender Intellektueller (44) auf, der sich einen Spaß daraus macht, dem ohnehin nur aus Heuchelei bestehenden Spiel des Umgangs zwischen Senat und Kaiser permanent die Maske herabzureißen (95 f.). Dabei bleiben jedoch einige Fragen bestehen. Das betrifft zunächst die für Winterling so wichtige These der "doppelbödigen Kommunikation": Winterling beschreibt (siehe etwa 18, 96, 118) sehr genau die Paradoxien, die sich aus der eigentümlichen Herrschaftsform des Principats ergaben, der eben keine offen propagierte Monarchie sein sollte, und die damit verbundenen Schwierigkeiten für jeden Princeps, die kaiserliche 'Rolle' korrekt auszufüllen - Augustus hatte dies vermocht, Tiberius war daran gescheitert. Es fällt aber auf, in welch starkem Maße er sich dabei taciteischer Wendungen (wie "Servilität", "Verstellung" und so weiter) bedient, um das Umfeld des Kaisers im Rom des 1. Jahrhunderts zu charakterisieren (so 34, 41 f., 68, 137, 147): Das Verhältnis des Senats zum Princeps sei in Wahrheit durch Angst (39, 155) sowie durch einen häufig in Verschwörungen zum Ausdruck kommenden Hass der Aristokratie auf den Herrscher gekennzeichnet gewesen (95). Dabei scheint mir zu wenig beachtet, dass auch das von Tacitus entworfene, ungeheuer wirkungsmächtige Bild der frühen Kaiserzeit in vielen Passagen ein post eventum entstandenes, literarisches Konstrukt darstellt, das nicht einfach als Widerspiegelung der Realität verstanden werden kann. Zudem ist es - wie Winterling selbst an einigen Stellen bemerkt (107, 141, 153-155, 172, 175) - durchaus nicht so einfach, jeweils von dem Senat oder den Senatoren zu sprechen, denn es handelte sich auch bei dieser kleinen Führungselite um eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Interessen und Vorstellungshorizonten. Nicht allen Senatoren war es offenbar von vorneherein fremd, dem Kaiser als einem höheren Wesen zu begegnen, wie umgekehrt die Rolle des civilis princeps zwar oft schwierig durchzuhalten, aber meines Erachtens kein reines "Schauspiel" (so jedoch Winterling 18, 26, 96) vonseiten der Herrscher war - sonst hätte sie ja, zumal nach ihrer 'Entlarvung' durch Caligula, wohl kaum so lange Bestand gehabt. Natürlich bildete all dies ein äußerst brüchiges Kommunikationssystem, das leicht aus der Balance geraten konnte, wie Winterling gut herausgearbeitet hat, aber es war meines Erachtens nicht so ausschließlich verlogen, wie er behauptet.
Zudem scheint mir Winterling Caligulas eigene Versuche, zu einer neuen Form der kaiserlichen Selbststilisierung zu gelangen, etwas zu unterschätzen, da er sie fast ausschließlich in eine bestimmte Richtung, nämlich als Mittel zur Demütigung der Aristokratie, interpretiert. So werden beispielsweise Caligulas Bauprojekte und seine immer wieder aufscheinenden Bestrebungen, sich als 'Beherrscher der Natur' zu präsentieren, von Winterling nicht ausführlicher beziehungsweise zusammenhängend analysiert (74, 84 f.). Am wenigsten überzeugt aber Winterlings Interpretation einer anderen Rolle, die Caligula für sich beanspruchte, nämlich sein Auftreten als göttliches Wesen und die damit verbundene kultische Verehrung des Kaisers. Nun ist zuzugestehen, dass es in der Forschung sehr unterschiedliche Meinungen über den Charakter von Caligulas Kult in Rom gibt. Wie dem auch immer sei, in den Quellen wird eine Neuheit im Umgang des Kaisers mit seiner eigenen Göttlichkeit beziehungsweise mit dem Kult seiner Person deutlich herausgestrichen: Caligula betrieb offenbar von sich aus und aktiv die Verbreitung des Kaiserkultes, forderte diesen bisweilen von seinen Untertanen auch ein und trat darüber hinaus nicht selten sogar selbst öffentlich in Gestalt verschiedener Gottheiten auf. Wie ist das zu interpretieren? Winterling bleibt bei seinem gewohnten Erklärungsmuster: Auch der Kult sei Teil der "doppelbödigen Kommunikation" (142 f.) und somit nicht "ernsthaft" gemeint gewesen, da weder die Aristokratie noch der Kaiser wirklich daran "geglaubt" hätten, dass Letzterer ein Gott sei (152). Vielmehr habe Caligula die kultische Verehrung seiner selbst ausgenutzt, um die Senatoren einmal mehr zu demütigen (so deutlich 145, 156), unter anderem durch seine "karnevalesken Inszenierungen" im Götterkostüm (144, 152).
Hier geht Winterling in seinen Rationalisierungsversuchen meines Erachtens einen Schritt zu weit und verkennt die Bedeutung des Kaiserkultes. Natürlich sieht auch er, dass die Verehrung des Kaisers als Gott schon seit Caesar und Augustus zu den gängigen Formen der Kommunikation der Untertanen mit dem Herrscher gehörte. Gerade im munizipalen Bereich, aber auch im privaten Rahmen innerhalb der Stadt Rom war dies die Kategorie, in der die meisten Menschen die tatsächlich fast unbegrenzte Machtfülle des Princeps am ehesten begreifen konnten, und entsprechend begegneten sie ihm mit kultischer Verehrung, die in antiker Vorstellung vor allem eine Frage des richtigen Umgangs mit der Gottheit war. Lediglich im offiziellen Staatskult, der in der Stadt Rom gepflegt wurde, hatte sich die Verehrung des lebenden Herrschers als Gott zunächst nicht durchgesetzt, sondern wurde dort auf die verstorbenen Divi übertragen. Trotzdem lag es nicht von vorneherein außerhalb des Denkbaren, auch hier den anderswo längst gängigen Kult des regierenden Kaisers in irgendeiner Form zu etablieren.
Nun wurde Caligula, wie mehrere Quellen ausdrücklich bestätigen, zu Beginn seiner Herrschaft in allen Teilen der Welt überschwänglich gefeiert. Deutlich erkennbar ist auch, dass diese Verehrung vielerorts sehr schnell kultische Züge annahm, so im Osten, aber auch in Italien. Ein erheblicher Teil dieser Begeisterung mag sich daraus gespeist haben, dass Caligula den zuletzt äußerst unbeliebten Tiberius abgelöst hatte und auf sein vom populären Vater Germanicus ererbtes Familienprestige zurückgreifen konnte. Die Verehrung für den (erstmals!) jugendlichen Herrscher wird aber in den Quellen so ausdrücklich hervorgehoben, dass sie meines Erachtens durch mehr gespeist worden sein muss als durch die oben angesprochenen Faktoren: Die meisten Menschen betrachteten Caligula anscheinend tatsächlich als jugendliche Gottheit, die das Reich in ein neues Zeitalter führen sollte. Und in Rom begannen immer mehr Personen, den Kaiser offen als "Gott" oder "Divus" anzusprechen, wie Cassius Dio explizit überliefert (59, 26, 5). Wäre es da nicht denkbar, dass Caligula tatsächlich zu der Auffassung kam, er stehe als göttergleiches Wesen weit über den gewöhnlichen Menschen, ohne dass dies im antiken Verständnis notwendigerweise als das Verhalten eines 'Wahnsinnigen' gelten musste (wie Winterling auf den Seiten 150 f. treffend gezeigt hat)? Und dass er dann den letztlich folgerichtigen Schritt ging, den Kult seiner Person auch in Rom stärker auszubauen? Schließlich könnte es seinen autokratischen Neigungen sehr wohl entsprochen haben, diesen Kult von sich aus zu fördern oder gar einzufordern. Dies bedeutete zwar einen erneuten Bruch mit der Rolle des civilis princeps, der sich gerade in kultischen Dingen durch seine moderatio auszeichnete, aber diese Rolle lehnte Caligula ja ohnehin explizit ab.
Ich möchte also die Auftritte des Caligula als Gott wesentlich ernster nehmen, als Winterling das tut, ja darin sogar die wichtigste Form der Selbststilisierung sehen, die der Herrscher für sich fand. In diesem Rahmen sind noch einmal seine verschiedenen Auftritte im 'Götterkostüm' zu betrachten, die am ausführlichsten Philon schildert (leg. 78-114). Hierbei ist stärker zu beachten, dass vielen Einwohnern des Römischen Reiches die Vorstellung, ein Princeps könne in der Gestalt einer Gottheit (das heißt in erster Linie mit deren typischen Attributen) dargestellt werden, durchaus geläufig war. Zahlreiche derartige Statuen und Abbildungen der Herrscher seit Augustus zeugen hiervon - und sie sind pikanterweise in der Regierungszeit des Claudius, der sich so demonstrativ vom Herrschaftsstil des Caligula abwandte, augenscheinlich besonders stark verbreitet gewesen. Über den Bedeutungsgehalt solcher Darstellungen gehen die Meinungen in der Forschung recht weit auseinander; weitgehend durchgesetzt hat sich die (meines Erachtens nicht immer zutreffende) Theorie, hiermit sei keine echte Vergöttlichung, sondern lediglich ein assoziierender Vergleich des Herrschers auf Erden mit einem Gott im Himmel gemeint gewesen. Jedenfalls betrat Caligula mit seinen Auftritten kein völliges Neuland; und man muss sie auch keineswegs als leeres Schauspiel bewerten, wozu Winterling neigt.
An diesem Punkt macht sich zudem bemerkbar, dass Winterling - verständlicherweise, da er ja in erster Linie eine Biografie schreiben möchte - der Außendarstellung von Caligulas Regentschaft nur wenig Beachtung geschenkt hat, obwohl diese wesentlich darüber mitbestimmte, wie Personen, die keinen direkten Kontakt zum Kaiser hatten, diesen wahrnehmen konnten; aber auch, wie sie den Princeps sahen beziehungsweise sehen wollten. Nicht zu unterschätzen ist jedenfalls, wie viel an Erwartungshaltungen von unten an Caligula herangetragen wurde; und dies gilt gerade für den Bereich seiner Überhöhung als Monarch oder Gott (148, 150). So bezeugen die Quellen teilweise recht eindeutig, dass neue Formen der Ansprache des Herrschers nicht primär von diesem selbst, sondern in seiner Umgebung entwickelt und dann von Caligula aufgegriffen wurden. Besonders interessant ist dabei, dass solche Neuansätze aus ganz unterschiedlichen sozialen Schichten unter Einschluss der Senatoren kamen. Diese Form des 'Dialoges' zwischen Kaiser und Untertanen, die es offenbar auch unter einem so dominanten Herrscher wie Caligula in einem erheblichen Maße gegeben hat, sollte durch zukünftige Forschungen noch genauer beleuchtet werden. Für solche hat das scharfsinnige und elegante Buch von Winterling, das man mit dem allergrößten Vergnügen liest, eine ausgezeichnete Grundlage geschaffen.
Christian Witschel