Pauline Matarasso: Queen's Mate. Three women of power in France on the eve of the Renaissance, Aldershot: Ashgate 2001, 331 S., 16 s/w-Abb., ISBN 978-0-7546-0321-4, GBP 45,00
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Frauen vermochten im Spätmittelalter vor allem als Regentinnen oder Nonnen ein von männlicher Herrschaft relativ freies, selbstbestimmtes Leben zu führen. Während das Klosterleben als durchaus beachtenswerte Alternative zur Ehe erst in letzter Zeit das verstärkte Interesse der Forschung fand, gilt dies nicht für die Herrscherinnen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit: Die Monografien und Aufsätze zu Elisabeth I. von England und Maria Stuart lassen sich kaum mehr zählen.
Die Autorin der vorliegenden Kollektiv-Biografie, eine Literaturwissenschaftlerin, ist bisher vor allem mit Publikationen zur Grals-Thematik und zum zisterziensischen Schrifttum hervorgetreten. Die Studie greift das Thema der "Männer, die Geschichte machten", unter modernem Vorzeichen wieder auf und verbindet die Historiografie des 19. und des 21. Jahrhunderts. In fünf Teilen und 39 Kapiteln geht Matarasso dem Schicksal der drei französischen Regentinnen Anna von Beaujeu (1461-1522), Anna von der Bretagne (1477-1514) und Luise von Savoyen (1476-1531) nach. Den drei Herrscherinnen gelang es in unterschiedlichem Ausmaß, ihre eigenen Interessen und die des Königreichs Frankreich miteinander zu harmonisieren.
Anna von Beaujeu, die älteste Tochter des französischen Königs Ludwig XI., heiratete Peter von Beaujeu, den Bruder des Herzogs von Bourbon, im Jahre 1474 und übte zu Beginn der Regierung ihres 1483 mit dreizehn Jahren auf den Thron gelangten Bruders Karl VIII. beachtlichen politischen Einfluss aus. Ihr politisches Geschick stellte die Königstochter während der als "la guerre folle" bekannten Adelsrevolte unter Beweis. Besonderen Wert legt Matarasso auf eine psychologisierende Darstellung. Beispielsweise charakterisiert sie Anna von Beaujeu als pragmatische Meisterin der politische Strategie: "She learned to mask her natural arrogance and her impatience to get things done. She was no rebel; very quickly she learned to operate within the prescribed limits and turn them to her advantage. No one could play a waiting game better than she" (20). Der Kampf mit den großen Lehnsherren, die sich vom französischen Königtum zu emanzipieren suchten, beanspruchte ihre ganze Aufmerksamkeit. Der Sieg über die Herzöge von Orléans und den Herzog der Bretagne im Jahre 1488 brachte die zentrifugalen Tendenzen zum Stillstand und schuf die Voraussetzungen für den später endgültigen Anschluss der Bretagne an Frankreich. Als zentrale Eigenschaft der traditionsorientierten Anna sieht Matarasso die Selbstdisziplin an: "a woman who was master of many, but first and foremost mistress of herself" (38). Nachdem Karl VIII. die Regierungsgeschäfte selbst übernommen hatte, zog sich Anna Ende der 80er-Jahre des 15. Jahrhunderts weitgehend von der politischen Bühne zurück und entfaltete eine rege Bautätigkeit im Bourbonnais. Trotz ihrer Ablehnung des von Matarasso mit "Castles in the Air" (86) betitelten italienischen Engagements Karls stand sie ihm auch weiterhin als Beraterin zur Seite. Zugleich war sie bestrebt, ihrer Tochter Suzanne das väterliche Erbe zu erhalten. Unter Rückgriff auf die "Enseignements" (Unterweisungen) Ludwigs des Heiligen verfasste Anna für Suzanne eine gleichnamige Schrift, in der sie die Tugenden einer weiblichen Herrscherin skizzierte. Das Ideal, das Anna dort festhielt, entsprach aber nicht dem eigenen Verhalten. Matarosso bringt dies auf den Punkt: "If Anne had followed the precepts she professes in her maturity she would never have ruled a nation in her youth" (13). Vielmehr plädierte sie dort für ein Leben fern der Politik, das allein der Verwaltung der königlichen Güter gewidmet sein sollte.
Im Gegensatz zu Anna von Beaujeu amtierte Anna von der Bretagne nominell als Königin von Frankreich. Die Erhaltung der Unabhängigkeit des Herzogtums Bretagne sah Anna als ihre vordringlichste Aufgabe an. Um einen mächtigen Partner im Abwehrkampf gegen den übermächtigen Nachbarn Frankreich zu gewinnen, heiratete Anna den Habsburger Maximilian von Österreich. Matarasso beschreibt die katalysatorische Bedeutung des Vorgangs mit einem einprägsamen Vergleich: "the marriage of Anne of Brittany to Maximilian precipitated its fall like a rotten apple into the basket of France" (64). Der "per procuratorem" geschlossenen Verbindung war allerdings keine lange Dauer beschieden: 1491 verband sich Anna mit Karl VIII., nachdem die Ehe mit Maximilian für ungültig erklärt worden war. Eine erste Medienoffensive Maximilians, der zur Verteidigung seiner Ansprüche auf die Feder der deutschen Frühhumanisten zurückgriff, blieb ohne Erfolg. Trotz zahlreicher Schwangerschaften überlebte kein Thronerbe, und Annas politische Bedeutung schrumpfte auf ein Minimum. Als Karl VIII. unerwartet starb, bemühte sich Anna, die Unabhängigkeit der Bretagne zu sichern, sah sich aber dann gezwungen, den Nachfolger Karls, Ludwig XII. zu heiraten, der sich zuvor in einem Aufsehen erregenden Prozess von seiner ersten Frau Johanna hatte scheiden lassen. Auch Annas zweiter Ehe entsprang kein Thronerbe, da nur zwei Mädchen überlebten, die nach salischem Recht nicht thronfolgeberechtigt waren. Die Hochzeit Claudes, der Tochter Annas, mit dem späteren Franz I. besiegelte das Ende der bretonischen Unabhängigkeit: Das Herzogtum war fortan ein integraler Bestandteil des Königreichs Frankreich. Matarassos Urteil über Annas politische Begabung fällt vernichtend aus: "Her policies were invariably rooted in personal feelings, prejudices, antagonisms and principles, and her actions were always consistent with the base she had started from: it was the narrowness of that base which left her with such limited political horizons" (172).
Mit Luise von Savoyen erwuchs Anna eine pragmatische, machtbewusste wie gleichermaßen taktisch versierte Gegenspielerin, deren Bild im Urteil der Geschichte schwankte. So attestierte ihr ein Historiograf des 19. Jahrhunderts: "Haineuse, vindicative, avide d'argent non moins que d'autorité et d'hommages, elle sacrifia toujours les intérêts de l'État à la satisfaction de ses passions mauvaises". [1] Luise entstammte einem Seitenzweig des Hauses Savoyen und war die Nichte des späteren Herzogs von Bourbon. Einblick in die Welt der Politik erhielt sie bereits in ihrer Kindheit am Hof ihrer Tante Anna von Beaujeu. Mit der Thronbesteigung Ludwigs XII. fiel Luises Sohn Franz die Anwartschaft auf den französischen Thron zu. Wie Anna von Beaujeu fungierte Luise nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes als Beraterin des Königs. Während der Zugriff auf das burgundische Erbe das Ansehen der Königinmutter trübte, steigerte die erfolgreiche Politik Luises als Verweserin des Königreichs nach der Gefangennahme Franz' in der Schlacht von Pavia 1525 ihr Ansehen. Drei Appendices, eine Auswahlbibliografie und ein Index beschließen den Band.
Die Mischung von belletristischer Darstellungsform und wissenschaftlicher Gründlichkeit besitzt im angelsächsischen Raum eine lange Tradition. Matarassos Darstellung der drei Viten besticht durch die souveräne Auswertung der im 19. Jahrhundert erschlossenen Quellen und der zeitgenössischen Literatur zur Frauengeschichte. Der Autorin gelingt es, die Bemühungen der drei genannten Herrscherinnen um eine eigenständige politische Rolle herauszuarbeiten. Freilich bedeuteten diese Anstrengungen keineswegs eine offizielle weibliche "Selbstherrschaft": Allein die Stellung als Ehefrau oder Mutter bildete in Frankreich um 1500 die Basis für eine faktische weibliche Partizipation an der Macht. Während die Versuche Annas von Beaujeu und Annas von der Bretagne, die Eigenständigkeit des Bourbonnais und der Bretagne zu erhalten, zum Scheitern verurteilt waren, sicherte Luise die Einheit des Königreichs auch über die aus der Gefangenschaft ihres Sohnes Franz resultierende Krise hinweg. Mit den Ausführungen zu höfischem Zeremoniell, Mäzenatentum und Baupolitik zeichnet Matarasso zudem ein farbiges Bild der französischen Kulturgeschichte um 1500.
Anmerkung:
[1] Camille Lebrun: Louise de Savoie, in: Nouvelle Biographie Générale depuis les temps les plus reculés jusqu´a nos jours, vol. 31, Paris 1860, 1-4, hier 1.
Stefan W. Römmelt