Rezension über:

Lars G. Svensson: Die Geschichte der Bibliotheca Bipontina. Mit einem Katalog der Handschriften (= Beiträge zur pfälzischen Geschichte; Bd. 21), Kaiserslautern: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde 2002, 352 S., ISBN 978-3-927754-44-7
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Rezension von:
Ulrich Johannes Schneider
Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Johannes Schneider: Rezension von: Lars G. Svensson: Die Geschichte der Bibliotheca Bipontina. Mit einem Katalog der Handschriften, Kaiserslautern: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde 2002, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/03/1332.html


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Lars G. Svensson: Die Geschichte der Bibliotheca Bipontina

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Was in dieser detailreichen Studie verhandelt wird, ist das Schicksal von einigen Büchern, die ursprünglich in Zweibrücken (Pfalz) gesammelt und zu Bibliotheken vereint wurden. Es erschließen sich kleine und genaue Einblicke in die Funktion von Büchern vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, in die Gründe ihrer Erwerbung, ihrer Ordnung und Umordnung. Da auch die Plünderungen und andere Formen des Verlusts nicht ausgeblendet werden, bietet diese lokale Studie eine instruktive Bibliotheksgeschichte aus der deutschen Provinz im Spannungsfeld zwischen Hof, Kirche, Schule und Bürgerinteressen.

Svensson gliedert seine Arbeit grob chronologisch und verwendet 60 Seiten für das 16. und 17. Jahrhundert, 80 für das 18. Jahrhundert und 20 für den Rest. Einleitung, Quellen und Literaturverzeichnis sowie ein 50-seitiges Verzeichnis der Handschriften der Bibliotheca Bipontina machen die insgesamt knapp 530 Seiten voll.

Die Vorgeschichte beginnt 1559 mit der in Hornbach gegründeten Landesschule durch den lutherischen Pfalzgrafen Wolfgang. Man benutzte die Seitenkapelle einer Kirche zur Aufstellung der Bücher, die aus verschiedenen Klöstern stammten (Hornbach, Disibodenberg, Offenbach) und sich durch Schenkungen und Ankäufe rasch vermehrten. Nach einer Bibliotheksrevision von 1577 gab es 884 Nummern (entsprechend 1.402 bibliografischen Einheiten), darunter 464 (beziehungsweise 813) theologische Werke. Genaue Zahlen sind das natürlich nicht, auch scheint nicht alles, was für den Unterricht wirklich nötig war, dabei gewesen zu sein, denn die Hornbacher Professoren forderten schon 1546 eine Reihe von Neuerscheinungen und rechtfertigten die dafür veranschlagten 50 Gulden, dass "mit dem nutz und frucht so daraus komt nicht zuvergleichen" sei. (47). Immerhin lässt sich aus den Akten noch so viel feststellen, dass keines der damals erbetenen Bücher angeschafft wurde. Auch konnte die Bibliotheksordnung von 1578 Diebstähle nicht gänzlich vermeiden.

Unter dem Pfalzgrafen Johann I. wurde 1588 nicht nur ein Katechismus herausgegeben, sondern auch die Bibliothek, inzwischen nach Zweibrücken überführt, erweitert, sowohl baulich wie vom Bestand her. 1597 machte Johann I. die Bibliothek öffentlich zugänglich.

Die Vorgeschichte endet dann im Dreißigjährigen Krieg, nach der Zusammenlegung der Hornbacher und der Zweibrücker Bestände. 1635 belagerten und eroberten kaiserliche Truppen die Stadt; Plünderungen betrafen auch die Bibliothek. Was an Wiederaufbauarbeit geleistet wurde, wurde 1677 zum zweiten Mal zunichte gemacht, als im Holländischen Krieg französische Truppen die Stadt belagert und eingenommen hatten. Gegen die anrückenden kaiserlichen Truppen zerstörten die Besatzer die Stadt am 10. Februar 1677 und steckten sie in Brand. Der Autor verweist oft darauf, dass die Nachrichtenlage insgesamt unsicher ist; hier formuliert er: "Es scheint also vielmehr, als wäre die Zweibrücker Bibliothek 1677 in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden, und dass die Kanzleibibliothek als einziges größeres Corpus die Plünderungen überstand."

Die Geschichte der heutigen Sammlung im engeren Sinn beginnt im 18. Jahrhundert: 1706 wurde das Gymnasium, das zuvor nach Meisenheim verlegt worden war, wieder nach Zweibrücken zurückgeführt. Eine Schulvisitation 1711 wirft die Frage auf, "wie die Bücher, so viel man deren jeto von nöthen haben mögte, anzuschaffen und zur Stelle zu bringen" seien (92) - ein Hinweis darauf, dass man völlig neu anfangen musste. Ab 1725 wuchs eine neue Gymnasialbibliothek heran; der Zweibrücker Professor und Hofhistoriograf Georg Christian Crollius, der auch Bibliothekar der fürstlichen Bibliothek war, hat 1758 eine Geschichte dieser und ihrer Vorgängerinstitutionen geschrieben.

1817 wurde die Gymnasialbibliothek mit der fürstlichen Bibliothek und der Bibliothek der fürstlichen Rentkammer zur Bibliothek des Zweibrücker altsprachlichen Gymnasiums zusammengelegt, welches bis 1988 bestand. Seitdem ist diese Büchersammlung eine selbstständige öffentlich-wissenschaftliche Bibliothek des Landes Rheinland-Pfalz und trägt den Namen Bibliotheca Bipontina.

Aus den angeführten Handschriften sind zu erwähnen:

- der Bibliothekskatalog von 1754 beziehungsweise 1756 zu theologischen beziehungsweise historischen Werken der fürstlichen Bibliothek zu Zweibrücken.

- 99 aquarellierte Federzeichnungen von Pferdegeschirr aus dem 17. Jahrhundert

- eine alchemistische Sammelhandschrift mit 14 Teilen auf 298 Blättern

- die Matrikel des Hornbacher Gymnasiums von 1559 bis 1630

- mehrere Rezeptbücher aus dem 17. Jahrhundert sowie die Rezeptbücher Anna Claudias Gräfin von Rappoldstein mit 535 Arznei- und Kochrezepten

Das Buch ist reich aus den Quellen geschöpft, ertrinkt darin auch gelegentlich. Die grobe chronologische Gliederung suggeriert mehr Überblick, als man tatsächlich bekommt, denn es wimmelt von Rückblicken und Einschüben. Auch hätte man dem Autor gewünscht, die Geschichte der Bibliotheken in Zweibrücken und Hornbach von der Lokal- und Regionalgeschichte etwas stärker zu separieren, sodass man einen genaueren Überblick über die Wanderung der Bestände hätte bekommen können. Allerdings wird aus den Quellen klar, die der Autor sorgfältig präpariert, dass in vielen einzelnen Fragen nach dem frühen Buchbestand eine Auskunft wohl meist nicht definitiv gegeben werden kann. Es bleibt die Verquickung des Beginns dieser Bibliotheksgeschichte mit derjenigen der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges ein wesentlicher Bestandteil der Kulturgeschichte, wofür diese Arbeit in hohem Maße sensibilisiert.

Ulrich Johannes Schneider