Rezension über:

Robin Lane Fox: Alexander der Grosse. Eroberer der Welt. Aus dem Englischen von Gerhard Beckmann, 3. Aufl., Stuttgart: Klett-Cotta 2005, 807 S., 50 Abb. und Karten, ISBN 978-3-608-94078-7, EUR 29,00
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Rezension von:
Sabine Müller
Justus-Liebig-Universität, Gießen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Müller: Rezension von: Robin Lane Fox: Alexander der Grosse. Eroberer der Welt. Aus dem Englischen von Gerhard Beckmann, 3. Aufl., Stuttgart: Klett-Cotta 2005, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 4 [15.04.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/04/7745.html


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Robin Lane Fox: Alexander der Grosse

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Die ins Deutsche übersetzte Publikation von Robin Lane Fox stellt eine revidierte Fassung der Erstausgabe aus dem Jahr 1973 dar, die im Zuge des öffentlichen Interesses an dem Hollywoodfilm "Alexander", bei dem Fox als historischer Berater tätig war, neu aufgelegt wurde.

Auf rund 700 Seiten versucht Fox, die Ereignisgeschichte der Laufbahn Alexanders in die kulturellen Hintergründe einzubetten und anhand homerischer Passagen und historischer Parallelen zu illustrieren. Seine Beschreibung beginnt mit dem für Alexander problematischen Jahr 337 vor Christus, in dem seine Nachfolge von Teilen des Adels angefochten wurde, und endet mit einem kurzen Ausblick auf seine Nachwirkung im hellenistischen Osten.

Im Vorwort zur Neuausgabe gibt Fox an, seine Schrift hinsichtlich der Ergebnisse aus dem Grabfund von Vergina und weiterer archäologischer Neufunde sowie der jüngsten Forschungen zum Perserreich und den Untersuchungen Bosworths zur Alexandergeschichte überarbeitet zu haben (XI-XVII). Eine aktualisierte Bibliografie ist angehängt, doch sind die Ausführungen ebenso wie die Anmerkungen zu den jeweiligen Kapiteln im Anhang und teilweise auch die Bilddokumente nicht auf den neuesten Forschungsstand gebracht.

So fällt auf, dass trotz der Kenntnis der Vergina-Grabfunde an der These festgehalten wird, Alexander habe das Diadem aus dem persischen Königsornat übernommen (360-361, 363, 585). Ein verstellbares vergoldetes Silberdiadem aus dem Königsgrab kann indessen die These stärken, dass es sich um das makedonische Königssignum gehandelt hat, das an den jeweiligen Nachfolger weitergegeben wurde. [1]

Unrevidiert erscheint auch die unhaltbare Charakterisierung des achaimenidischen Königtums als orientalische Tyrannis (412). Fox deutet das Ideal der tryphe, das auch die hellenistischen Herrscher übernahmen, unkritisch als Dekadenz und bezeichnet die persische Herrschaftsideologie, fassbar in den Königsinschriften, ohne tieferes Verständnis für die politische Programmatik als "Prahlerei" (128). [2]

Fox' Schilderung des Indienzuges, den Bosworth überzeugend in mehreren Untersuchungen als krisenhafte Zerreißprobe für Alexanders bröckelndes Reichsgebilde dargestellt hat, deren Symptome er mit einer plakativen Dionysos-aemulatio kaschieren wollte, steht im Gegensatz zu diesen maßgeblichen Analysen. [3] Alexanders Zwang, seine schwindende Autorität durch weitere militärische Erfolge in Indien zu konsolidieren, erfährt bei Fox die Deutung: "Alexander [...] stand am Rande eines unbekannten Kontinents. Umzukehren wäre sehr unaufregend gewesen" (438).

Problematisch erscheint auch die mangelnde Berücksichtigung der neueren Forschung, wenn der ägyptische Pharao als Gottkönig charakterisiert wird (248) statt als "Bild des Horus", der als sein Stellvertreter dessen Rolle übernahm. [4]

Fox' Alexanderdarstellung ist als ein versuchtes Psychogramm primär auf sein Persönlichkeitsbild ausgerichtet, was Gerhard Wirth als Kriterium bereits im Jahr 1978 kritisierte. [5] Als Beispiel für die Problematik dieser Perspektive ist die Analyse des Kleitosmordes zu nennen, den Fox zu einem reinen Generationenkonflikt zwischen einem gealterten General und dem König stilisiert, der sich durch persönliche Beleidigungen angegriffen gefühlt habe (409- 411). Die politische Komponente, Kleitos' in den Quellen bezeugter Protest gegen die Zurücksetzung des Adels durch Alexanders gewandelte Herrschaftsrepräsentation [6], wird von Fox negiert.

Die Anlehnung an Tarns Alexanderbild des idealistischen Entdeckers wird in der Charakterisierung des Makedonenkönigs als eines ritterlichen Romantikers deutlich, der von der "Wissbegierde des geborenen Forschers" bis nach Indien getrieben worden sei (662).

Dieses mythisierte Alexanderbild, das zu Recht von der neueren Forschung demontiert wurde, wird von Fox farbenfroh unter der Prämisse gezeichnet: "Auf unserer Suche ist es falsch vorzuschlagen, den Menschen Alexander vom Mythos Alexander zu lösen, denn den Mythos schafft der Mensch häufig selbst" (66). Die Konsequenz dieser Vorgehensweise ist eine recht undifferenzierte Behandlung der Quellen, bei der topisch geformte Legenden, umstrittene Anekdoten und als authentisch geltende Traditionen paritätisch miteinander verbunden werden. Die Schlussfolgerungen, die auf diesem "Traditionengewirr" beruhen, geraten entsprechend spekulativ und sind häufig von kontraproduktiver Verallgemeinerung und Simplifizierung geprägt.

Als Beispiel kann die Negativporträtierung des Kallisthenes gelten, den Fox als maßlosen kolax verurteilt, der Alexander zu gefallen versucht habe (114, 147, 254, 425). Dabei wird die dienstliche Funktion des Hofhistoriografen verkannt, der die Vorgaben seines Auftraggebers zu erfüllen hatte. Analog wird auch Olympias nur nach einem von topischen Quellenberichten geprägten Persönlichkeitsbild als Anstifterin zu Philipps Ermordung verurteilt (43-45).

Zu Widersprüchlichkeiten und chronologischen Unstimmigkeiten gesellen sich in Fox' Alexandergeschichte(n) sachliche Irrtümer. Exemplarisch sei die Verwechslung von Alexanders Hofmaler Apelles mit dem Bildhauer Lysippos genannt (586, vergleiche Plut. mor. 335 A-B). Sehr problematisch ist auch die Interpretation, Philipp und Alexander hätten Selbstporträts auf ihre Münzen prägen lassen und der Apollonkopf auf Philipps Münzen sei Alexander angeglichen (34, 271, 587). Eine bewusste Ambivalenz durch eine Annäherung an das Götterbildnis ist sicher zu konstatieren, doch den Schritt zur Prägung eines Selbstporträts auf seinen Münzen unternahm erst Ptolemaios I. nach der Annahme des Diadems. [7]

Die Zuordnung des Bildmaterials der Publikation ist teilweise kritisch zu sehen, wenn das Reiterstandbild aus Herculaneum, das wohl eine römische Kopie des Alexanderporträts der lysippischen Granikosgruppe darstellt, in das Kapitel über die Schlacht bei Gaugamela eingefügt (308) und das Alexandermosaik, dessen Sujet nicht definitiv zu bestimmen ist, in dem Kapitel über Issos zu finden ist (212).

Insgesamt ist zu sagen, dass die Ambivalenz zwischen wissenschaftlichem Anspruch und der Ambition, literarisch zu unterhalten, sich wenig günstig auf die Darstellung auswirkt. Interessante Ansätze werden von plakativen Zeichnungen und apodiktischen Kommentaren neutralisiert. So ist die Erklärung für den Brand von Persepolis, "weil ein zukünftiger Pharao sich eine Mätresse hielt, weil der Wein floss, weil die Frau neckte und ein weiterer König sich vor ihr brüsten wollte" (341), von jener Plakativität, die mit der Ausrichtung auf ein breites Publikum zu erklären ist, aber die politische Komponente unberücksichtigt lässt und ins Leere führt.

Es fehlt die intensive Auseinandersetzung mit den politischen Hintergründen, insbesondere mit dem Dualismus König und makedonischem Adel, der in der neueren Forschung in den Fokus der Analyse gerückt ist. In diesem Sinne bleibt die Biografie auf dem Stand ihrer Erstveröffentlichung, zu welcher der renommierte Alexanderhistoriker Badian deutliche Worte fand: "The author has neither the training nor the inclination for serious scholarship... this is [...] an adventure story mid-way between historical journalism and historical fiction." [8]

Fox zufolge kann nur das intensive Verständnis von Homer zu einem Verständnis der Geschichte Alexanders führen (665). Wie viel mehr als das Verständnis von Homer nötig ist, insbesondere die Berücksichtigung der realpolitischen Aspekte, wird bei der Lektüre von Fox' Alexanderbiografie augenfällig.


Anmerkungen:

[1] Vgl. G. Calcani: L'immagine di Alessandro Magno nel gruppo equestre del Granico, in: Jesper Carlsen u.a. (Hg.): Alexander the Great. Reality and myth, 2. Aufl., Rom 1997, 29-39.

[2] Zur persischen Königsideologie grundlegend: J. Heinrichs: 'Asiens König'. Die Inschriften des Kyrosgrabs und das achämenidische Reichsverständnis, in: W. Will / J. Heinrichs (Hg.): Zu Alexander d. Gr. FS G. Wirth, Bd. 1, Amsterdam 1987, 487-540.

[3] Zuletzt: A.B. Bosworth: The Indian campaigns. 327-325 B.C., in: J. Roisman (Hg.): Brill's Companion to Alexander the Great, Leiden 2003, 159-168.

[4] Vgl. E. Hornung: Geist der Pharaonenzeit, 2. Aufl., Zürich / München 1990, 160-161.

[5] Vgl. G. Wirth: Anmerkungen zur Schlacht von Issos, in: Studia in honorem V. Beševliev, Sofia 1978, 435-449.

[6] Plut. Alex. 50,6-51,3.

[7] Zu den Münzbildern Philipps II. und Alexanders vgl. S. Ritter: Bildkontakte. Götter und Heroen in der Bildsprache griechischer Münzen des 4. Jahrhunderts v. Chr., Berlin 2002, 121-149.

[8] Vgl. E. Badian: Rezension: R. Lane Fox, Alexander the Great, in: JHS 15 (1974), 229-230.

Sabine Müller