Waldemar P. Könighaus: Die Zisterzienserabtei Leubus in Schlesien von ihrer Gründung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts (= Deutsches Historisches Institut Warschau. Quellen und Studien; Bd. 15), Wiesbaden: Harrassowitz 2004, IX + 534 S., 20 Abb., ISBN 978-3-447-05069-2, EUR 68,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Norman Davies / Roger Moorhouse: Die Blume Europas. Breslau - Wroclaw - Vratislavia: Die Geschichte einer mittel-europäischen Stadt, München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. 2002
Piotr Górecki : The Text and the World. The Henryków Book, Its Authors, and their Region, 1160-1310, Oxford: Oxford University Press 2015
Joachim Köhler / Rainer Bendel (Hgg.): Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2002
Das am Mittellauf der Oder gelegene Kloster Leubus war nicht nur die älteste, sondern zweifellos auch die bedeutendste Zisterze Schlesiens, ja eine der angesehensten im gesamten ostmitteleuropäischen Raum; nahezu während des gesamten Mittelalters bildete sie eines der führenden kulturellen, geistig-religiösen und auch wirtschaftlichen Zentren des Oderlandes. Nach einer Epoche des Niedergangs seit der Reformationszeit erlebte sie im Barock eine zweite Hochblüte, von der noch heute der stattliche Klosterkomplex zeugt, obgleich die Gebäude nach der Säkularisation von 1810 verschiedensten Zwecken dienten. Die reichen Archivalien wurden in das neu geschaffene Provinzialarchiv nach Breslau überführt, die Reste der Bibliothek - der Großteil der älteren Bestände war während des Dreißigjährigen Krieges verloren gegangen - in die dortige Universitätsbibliothek eingegliedert.
Kein Wunder also, dass sich die landeshistorische Forschung schon sehr früh für verschiedene Aspekte der Geschichte des Klosters interessiert hat, eher schon, dass es bislang an einer umfassenden Monografie gemangelt hat. Diesem Desiderat hilft jetzt zumindest partiell die hier vorzustellende Düsseldorfer Dissertation von Waldemar P. Könighaus ab, der sich eine erschöpfende Darstellung der mittelalterlichen Klostergeschichte zum Ziel gesetzt hatte. Einschränkend ist dabei freilich zu sagen, dass er dabei bewusst die Bereiche des geistig-religiösen Lebens sowie kunst- und kulturgeschichtliche Aspekte weitestgehend ausgeklammert hat; es ist zwar richtig, dass dazu neuere Untersuchungen vorliegen, "denen kaum etwas hinzugefügt werden könnte" (2), aber diese sind in der Hauptsache nur dem der polnischen Sprache mächtigen Leser zugänglich [1], sodass wenigstens eine knappe Zusammenfassung auch in diesem Rahmen nützlich gewesen wäre.
Nach einleitenden Bemerkungen über die Quellen- und Forschungslage bietet Könighaus zunächst einen Abriss der allgemeinen Klostergeschichte (15-90), um eine "Vorstellung von der vielfältigen Tätigkeit der hiesigen Zisterzienser in Staat und Kirche [zu] vermitteln" (2 f.). Er geht dabei auch auf die seit langem umstrittene Frage, ob es vor der Ankunft des Zisterzienserkonvents in Leubus - vermutlich 1163 - dort bereits eine Benediktinerniederlassung gegeben habe, ein und führt für diese Hypothese bedenkenswerte neue Argumente an.
Im Hauptteil widmet sich der Autor zuerst der Klosterverfassung, den diversen Ämtern und deren Aufgabenbereichen, dem Konvent, das heißt Mönchen, Konversen und Familiaren beziehungsweise Präbendaren, sowie besonders der verschiedentlich umstrittenen Rechtsstellung des Klosters (91-144). Es folgen eine Untersuchung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Zisterze in ihren zahl- und umfangreichen ländlichen Besitzungen sowie ihren Stadthöfen in Breslau, Liegnitz und anderen Städten, ihrer in der älteren Forschung unterschiedlich gewerteten Rolle innerhalb der deutschen Ostsiedlung, der wirtschaftlichen Bedeutung der Besitz- und Patronatsrechte an Kirchen und der Zehnteinkünfte sowie der Handelstätigkeit (145-207); anschließend eine Darstellung der Einbindung des Klosters in die allgemeinen Ordensstrukturen, seiner Beziehungen zum Mutterkloster Pforta in Thüringen und zu den eigenen Tochterklöstern in Schlesien, Groß- und Kleinpolen sowie anderen Zisterzienserniederlassungen (209-271) und schließlich eine Analyse der "äußeren Beziehungen": zum Papsttum, zum Diözesanbischof und zur Geistlichkeit im Bistum Breslau, zu den Landesherren und deren Vertretern sowie zu Adel und Bürgertum (273-350). Ergänzt wird dieser darstellende Teil von einem voluminösen Anhang (357-479) mit detaillierten Personallisten und einem Verzeichnis der Orte, an denen die Abtei begütert war - alles mit reichen Quellenhinweisen und häufig auch regestartigen weiteren Angaben -, instruktiven Karten und mehreren Siegelabbildungen.
Nicht nur die schlesische Landesgeschichtsforschung, auch die gesamte mediävistische Ostmitteleuropaforschung erfährt durch diese eng an den Quellen erarbeitete, zumeist sorgfältig und abwägend argumentierende, in ihrem Kern faktografisch ausgerichtete Abhandlung eine Bereicherung, wobei freilich zu bedenken bleibt, dass hier nur ein - wenn auch wichtiger - Ausschnitt aus dem reichen Leben einer bedeutenden geistlichen Kommunität während des Mittelalters dargestellt werden sollte und konnte.
Anmerkung:
[1] Hinzuweisen ist vor allem auf die wichtige, posthum erschienene Doktorarbeit von Konstanty Klemens Jażdżewski: Lubiąż. Losy i kultura umysłowa śląskiego opactwa cystersów (1163-1642) [Leubus. Schicksale und geistige Kultur einer schlesischen Zisterzienserabtei (1163-1642)], Wrocław 1992.
Winfried Irgang