Franziska Torma: Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer. Bernhard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre, München: Martin Meidenbauer 2004, 211 S., ISBN 978-3-89975-034-8, EUR 36,90
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"Kein Platz für wilde Tiere" - ein populärwissenschaftliches Buch und ein Kinofilm mit diesem Titel waren der Auftakt für Bernhard Grzimeks mediales Wirken in der jungen Bundesrepublik. Vielen wird der Frankfurter Zoodirektor durch seine gleichnamige Fernsehserie bekannt sein, die über 30 Jahre, von 1956 bis 1987, im bundesdeutschen Fernsehen lief. Sie gilt mit Einschaltquoten von bis zu 70% als die erfolgreichste Dokumentarserie der Welt. [1] Das Interesse der Münchener Historikerin Franziska Torma gilt jedoch nicht der Fernsehserie, sondern dem Buch (1954) und Kinofilm (1956) sowie Buch und Film "Serengeti darf nicht sterben" (1959), deren begleitende Kampagne in den Printmedien und ihrer Rezeptionsgeschichte.
Die Autorin untersucht am Anfang ihrer bei Johannes Paulmann in München angefertigten Magisterarbeit die Wahrnehmung Afrikas und seiner Naturräume aus europäischer Perspektive sowie die Inszenierung der afrikanischen Natur und der wilden Tierwelt in Filmen der Zwischenkriegszeit. Zwei widersprechende Deutungsmuster des vorherrschenden afrikanischen Landschaftsraumes, des Dschungels, traten deutlich hervor: Im Gegensatz zur europäischen Kulturlandschaft erschien der als Wildnis empfundene Regenwald entweder als "Garten Eden" oder als "grüne Hölle". Die erste Vorstellung stammte aus den Entdeckungsreisen der Frühen Neuzeit und setzte sich in der romantischen Naturverehrung und in der modernen Tierschutzbewegung fort und prägt auch Grzimeks Sicht auf die afrikanische Natur. Die zweite Sichtweise wurde in der Zeit des Imperialismus im viktorianischen England geboren und prägte die Afrikafilme der Zwischenkriegszeit. Die koloniale Heldenpose vom Mythos des "Großen Weißen Jägers" war so faszinierend, dass deutsche Afrikafilmer sich in der Weimarer Zeit und zu Beginn der NS-Zeit auch ohne Kolonien als koloniale Eroberer präsentierten.
Den Hauptteil des Buches bildet eine Analyse von Grzimeks Büchern und Kinofilmen (42-108). Grundlage ist die These Michael Flitners, der Bernhard Grzimeks Argumentation im Buch "Kein Platz für wilde Tiere" als Umdeutung geopolitischer Programme des Nationalsozialismus liest. In den Tieridyllen und Naturbildern aus Afrika spiegle sich die Identitätssuche der bundesdeutschen Gesellschaft nach dem NS-Faschismus wider. Anhand der vier Kategorien Mensch, Zivilisation, Tier und Natur untersucht Torma Wirkmechanismen in Grzimeks Argumentationsmustern. Der Frankfurter Zoodirektor forderte zu einem neuen Umgang mit der Natur des afrikanischen Kontinents auf, die vor der Zivilisation zu schützen sei. Grzimek verkörperte dabei einen neuen Helden und eine neue Identifikationsfigur, die dieselben Werte wie der lebende Mythos Albert Schweitzer zu verkörpern schien.
Nach der Analyse von Grzimeks Büchern und Kinofilmen widmet sich die Autorin der begleitende Pressekampagne, in der Grzimek den Schutz der afrikanischen Natur und Tierwelt als Abenteuer mit Schurken, Opfern und Helden inszeniert und die Großwildjäger beleidigend angreift (109-132). Weil die Vorwürfe so heftig waren, waren Reaktionen der Großwildjäger vorprogrammiert. In dem Buch "Keine Angst um wilde Tiere" trat der ehemalige Diplomat Hans-Otto Meißner Bernhard Grzimeks Provokationen entgegen. Er warf Grzimek Fehler, unseriöse Berichterstattung und Profitgier vor und versuchte die These zu entkräften, dass die letzten Tiere Afrikas vom Aussterben bedroht seien. Auch sein Buch war nicht frei von persönlichen Seitenhieben und Beleidigungen. Unter der Oberfläche transportierte es rassistisches Gedankengut und griff auf Formulierungen zurück, die aus dem nationalsozialistischen Propagandavokabular stammten.
Die publizistische Diskussion (133-188), die eine überwiegend positive Resonanz auf die Kritik an den zeitgenössischen Vertretern der Großwildjäger zeigte, verabschiedete sowohl die traditionelle imperialistische Mentalität der Beherrschung exotischer Natur als auch das im Nationalsozialismus identitätsstiftende Leitbild des Jägers und Kriegers in der westdeutschen Öffentlichkeit. Grzimek ergänzte damit das neue zivile Selbstbild der Bundesrepublik. Als Aufgabe und Identifikationsmöglichkeit jenseits materieller und politischer Werte stellte er den Naturschutz vor. In zwei Sequenzen des Films "Serengeti darf nicht sterben" setzte der Frankfurter Zoologe europäische Kultur und afrikanische Natur auf eine Stufe, indem er nacheinander z. B. eine Zebraherde und die Akropolis in Athen einblendete. Dies rief den Bewertungsausschuss der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden auf den Plan, die dem Film das Prädikat "wertvoll" verweigern wollte, wenn nicht diese zwei Stellen im Film gestrichen würden. Nach einer Beschwerde Grzimeks wurde das Prädikat doch erteilt. Grzimek wandte sich an die Öffentlichkeit und eine publizistische Auseinandersetzung um die Filmbewertungsstelle entbrannte.
Tormas Buch ist gut strukturiert, flüssig geschrieben und sehr gut lesbar. Es stellt eine beachtliche Leistung für eine Magisterarbeit dar. Dies wird nicht dadurch geschmälert, dass die Autorin bei der Auseinandersetzung um die Bewertung des Films "Serengeti darf nicht sterben" die Schriftwechsel zwischen den Beteiligten nicht eingesehen hat. Die zweifellos notwendige Beschränkung einer Examensarbeit ist jedoch in einem Punkt bedauerlich. Wie oben erwähnt blendet Torma Grzimeks Fernsehserie aus, mit der er mit Abstand am meisten Menschen erreichte und die für seine Kampagne als Katalysator wirkte. Die konstante Fernsehpräsenz erleichterte Grzimek seine Selbstinszenierung in den Printmedien. Daher hätte eine Analyse der Fernsehserie zur Untersuchung von Grzimeks Kampagne sehr gut beigetragen. Nicht nur der gleiche Titel deutet darauf hin, dass eine Trennung von Film und Fernsehserie nur sehr schwer möglich ist. Die große Bedeutung von Grzimek und Co. für die Imageveränderung des traditionellen Naturschutzes zu einem reformerischen oder gar "linken" Anliegen, das gegen bestehende Verhältnisse gerichtet war, Grzimeks Rhetorik bis hin zur Politikerschelte sowie die Rolle des unabhängigen Mahners im Interesse des Allgemeinwohls [2] - all das schwingt nicht nur bei der Fernsehserie, sondern auch in der gesamten Kampagne mit. Grzimeks Bedeutung ist weniger in der Identitätssuche der jungen bundesrepublikanischen Gesellschaft nach dem Nationalsozialismus zu suchen. Wichtiger ist, wie er dazu beitrug, dass sich Natur- und Tierschutz in der Öffentlichkeit etablierten.
Kritisch ist anzumerken, dass Torma von der "nationalsozialistischen Vergangenheit" sowohl Grzimeks als auch des Kontrahenten auf der Seite der "Großwildjägerlobby", Hans-Otto Meißner [3], spricht, ohne diese zu präzisieren. Da die Autorin sich der These anschließt, dass Grzimeks Filme und Bücher als Umdeutung geopolitischer Programme des Nationalsozialismus gelesen werden müssen, hätte man sich hier genauere Angaben gewünscht. Außerdem bleibt die These - auf Grzimek bezogen - unscharf. Während auf die koloniale Afrikaperspektive und das Afrikabild der Zwischenkriegszeit und ihre Bedeutung für Grzimek sowie seine Gegner eingegangen wird, bleibt die Verbindung geopolitischer Leitbilder des Nationalsozialismus mit Grzimeks Argumentation auf die Verwendung gleicher oder ähnlicher Begrifflichkeiten beschränkt. Trotzdem: Ein lesenswertes Buch, dem insbesondere beim umweltgeschichtlich interessierten Leserkreis eine breite Rezeption zu wünschen ist.
Anmerkungen:
[1] Michael Miersch: Ein Platz für Bernhard Grzimek, in: DIE ZEIT vom 19.3.1997.
[2] Jens Ivo Engels: Von der Sorge um die Tiere zur Sorge um die Umwelt. Tiersendungen als Umweltpolitik in Westdeutschland zwischen 1950 und 1980, in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003), 297-324, 321.
[3] Sein Vater war Otto Meißner, Chef des Büros des Reichspräsidenten von Ebert bis Hitler. Hitler beförderte Otto Meißner zum Minister.
Anselm Tiggemann