Rezension über:

Norbert Börste / Jörg Ernesti (Hgg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn und Münster (= Paderborner Theologische Studien; Bd. 42), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, 634 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-506-71319-3, EUR 29,90
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Rezension von:
Gunnar Teske
Westfälisches Archivamt, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Gunnar Teske: Rezension von: Norbert Börste / Jörg Ernesti (Hgg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn und Münster, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 12 [15.12.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/12/6530.html


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Norbert Börste / Jörg Ernesti (Hgg.): Friedensfürst und Guter Hirte

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Um die Ergebnisse der von Jörg Ernesti erarbeiteten und 2004 erschienenen theologischen Habilitationsschrift über den Paderborner und Münsteraner Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683) [1] einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie um andere Aspekte zu erweitern, hat sich 2001 die Theologische Fakultät Paderborn zu einer Ausstellung mit dem hier vorzustellenden wissenschaftlichen Begleitband entschlossen. Nur wenige Beiträge sind unmittelbar der Person Ferdinands gewidmet: Abgesehen von einer Zusammenfassung von Ernestis Studie (15-41), einem Beitrag von Michael von Fürstenberg über Ferdinands römische Jahre (79-110) sowie Alwin Hanschmidts Ausführungen über Ferdinand als Landesherr des Fürstbistums Münster (273-291), in denen, bedingt durch den Schwerpunkt in Paderborn und die Wahlkapitulation, "mehr vom Verwalten als vom Gestalten" die Rede ist (290), nimmt Frank Göttmann eine Neubewertung der Politik und des Herrschaftsverständnisses des Fürstbischofs vor (233-271). Während die bisherige Forschung Ferdinand eher als apolitischen Schöngeist eingestuft hatte, hebt Göttmann im Anschluss an die Ergebnisse des von ihm mit herausgegebenen Sammelbandes über "Geistliche Staaten im Nordwesten des Alten Reiches" [2] hervor, dass Ferdinand die auswärtigen Beziehungen durch ein Vertragssystem nach legalistischen, dezidiert politischen Prinzipien gestaltet habe, während er innenpolitisch die gewichtige Rolle der Stände in seinen geistlichen Territorien akzeptiert und als Vertreter eines lokalen Adelsgeschlechts eine von den Ständen begrüßte Wohlfahrtspolitik betrieben habe; obwohl ein eindeutiger Vertreter der katholischen Reform, habe ihn sein politischer Realitätssinn vor gewaltsamen Rekatholisierungen bewahrt.

In welcher Weise und wie nachhaltig Ferdinand die Anliegen der Gegenreformation unterstützte, zeigt der Beitrag von Benjamin Dahlke über die Missionsstiftung, deren Geschichte von den Anfängen bis heute aufgearbeitet ist (183-207); sie sollte jesuitische Missionen in Norddeutschland, Skandinavien und Asien bei der Seelsorge, der Gegenreformation und der Mission unterstützen. Einen originellen Zugang zu Ferdinands Persönlichkeit bietet schließlich der Beitrag von Siegfried Kessemeier über das dichterische Werk mit textnahen Nachdichtungen ausgewählter Gedichte, die das Verständnis der nicht selten schwierigen Texte erleichtern sollen (333-357).

Die übrigen Beiträge betreffen Ferdinands Umfeld: Sie beschreiben zunächst seine Familie (Lahrkamp), die geistlichen Zentralbehörden (Brandt/Hengst) und Ferdinands Vorbild Papst Alexander VII. (Ernesti), bei dessen Würdigung allerdings grundlegende Unterschiede in Herkunft, Aufgaben und Möglichkeiten der beiden Kirchenfürsten zugunsten weitergehender Übereinstimmungen ausgeblendet bleiben.

Zwei weitere Beiträge widmen sich grundlegend der Kultur am Hof Ferdinands von Fürstenberg, indem sie Hofordnungen, Inventare und Rechnungen aus dem Staatsarchiv Münster und dem Fürstenberg'schen Archiv Herdringen auswerten. Norbert Börste gelingt es, die Verteilung und Ausstattung der Räume in Schloß Neuhaus zu rekonstruieren (437-464), während Carin Gentner die Tafelkultur nachzeichnet (479-503). Beide Darstellungen vermitteln ein anschauliches Bild vom fürstbischöflichen Hof und verstehen sich als Beiträge zur Residenzenforschung. Wolfgang Hansmann beschreibt ergänzend den Bau der Pfarr- und Residenzkirche in Schloß Neuhaus durch Ambrosius von Oelde, der im Sinne Ferdinands mittelalterlich-gotische Elemente mit moderner barocker Ausstattung kombinierte (505-520) und damit ein Vorbild für weitere Kirchenbauten Ferdinands und seiner Nachfolger schuf.

Christoph Stiegemann untersucht anhand von Rechnungen im Herdinger Archiv die von Ferdinand gestifteten Ausstattungen von Kirchen und Kapellen (209-231). Schwerpunktmäßig unter kunstgeschichtlichem Blickwinkel werden dagegen die letzten erhaltenen Fragmente von Ferdinands Grab in der Franziskanerkirche zu Paderborn (Arnrich/Einhorn), die Veduten von Carl Fabritius in der Theologischen Fakultät Paderborn (Pieper) und die Rekonstruktion des Hochaltars in der ehemaligen Paderborner Jesuitenkirche (Strohmann und Weber) betrachtet.

Mehr aufzählend-beschreibend aufgeführt sind schließlich die adeligen und bürgerlichen Nachfahren von Ferdinands Urgroßvater Friedrich von Fürstenberg (1510/11-1567) (Deisting), die Wappen und Siegel (Jolk), die Münzprägung (Schwede), die panegyrischen Schriften auf Ferdinand (Haller), seine Büchersammlung (Schmalor), seine Porträts, die anhand der abgebildeten Knöpfe auf acht Typen zurückgeführt werden (Wennemar von Fürstenberg), Häuser und Hausinschriften in Neuhaus (Pavlicic), die Unterbringung von Ferdinands Gästen, u.a. Leibniz in Schloß Neuhaus (Börste) und Hohlglas am Hof Ferdinands (Dethlefs). Ein Verzeichnis der Kunststiftungen des Fürstbischofs aus dem Herdringer Archiv, Listen der Ausstellungsexponate sowie eine Bibliographie runden den Band ab, der mit zahlreichen Farbtafeln, Schwarz-Weiß-Abbildungen und einigen Skizzen auch über reichliches, qualitativ gutes Bildmaterial verfügt.

Insgesamt dokumentiert der Band den aktuellen Stand der Forschung über Ferdinand von Fürstenberg. Neben vertiefenden Studien zur Biographie und zur Hofkultur bieten viele Beiträge neues Material - vor allem aus dem Herdinger Familienarchiv - über Ferdinand als Person und Kunstmäzen. Damit kann der Band zur Grundlage für weitere Forschungen über Ferdinand von Fürstenberg werden, der für das Hochstift Paderborn sicherlich zu den bedeutendsten und prägendsten Fürstbischöfen zählt.


Anmerkungen:

[1] Vgl. die Besprechung von Johannes Burkardt in: sehepunkte 4 (2004) Nr. 10 (15.10.2004); URL: http://www.sehepunkte.de/2004/10/6229.html.

[2] Bettina Braun/Frank Gottmann/Michael Strohmer (Hg.): Geistliche Staaten im Nordwesten des Alten Reiches. Forschungen zum Problem "frühmoderner" Staatlichkeit (= Paderborner Beiträge zur Geschichte, Bd. 13), Paderborn 2003.

Gunnar Teske