Arnold Bartetzky (Hg.): Die Baumeister der "Deutschen Renaissance". Ein Mythos der Kunstgeschichte?, Beucha: Sax-Verlag 2004, 269 S., 40 s/w-Abb., ISBN 978-3-934544-52-9, EUR 25,00
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Im Rahmen eines Seminars an der Universität Leipzig wurde im Wintersemester 1999/2000 eine kritische Reflexion der Forschungsgeschichte zu ausgewählten Baumeistern der so genannten "Deutschen Renaissance" vorgenommen. Ziel des nun mehr vorliegenden Sammelbandes ist, wiederkehrende Fehlinterpretationen des Quellenmaterials, Trugschlüsse und argumentative Manipulationen bei Zuschreibungen aufzudecken und den Blick zu öffnen für methodisch neue Ansätze der kunsthistorischen Forschungen.
Die speziellen Problemstellungen in der architekturgeschichtlichen Forschung werden besonders deutlich, da die Wissenschaftler den Fokus auf bekannte, wissenschaftlich gut bearbeitete Künstler richteten. So werden einzelne Aufsätze Wendel Roskopf, Konrad Krebs, Hieronymus Lotter, Wilhelm Vernucken, Anthonis van Obberghen, Lüder von Bentheim, Jakob Wolff d. J., Elias Holl, Heinrich Schickhardt gewidmet. Diese sind nicht nur Baumeister des 16. Jahrhunderts, sondern wurden - da sie zu den wenigen namentlich bekannten Künstlern jener Zeit in Deutschland gehören - bereits von der kunstwissenschaftlichen Forschung eingehend gewürdigt.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gilt als ein Axiom der (kunst-)historischen Forschung, dass in der Renaissance die Stellung des "Baumeisters" einen fundamentalen Wandel erfahren habe. Ausgangspunkte dieser idealtypischen Renaissancevorstellung sind einige prominente Großprojekte in Italien und die herausragenden Persönlichkeiten ihrer Baumeister bzw. Architekten. Allerdings konnten Forschungen der vergangenen Jahre überzeugend nachweisen, dass der Wandel des Berufsbildes, des Selbstverständnisses und der sozialen Stellung des Architekten bzw. Baumeisters in Italien ein sehr komplizierter und regional unterschiedlich verlaufender Prozess war. Mittlerweile ist unbestritten, dass die Entwicklung in Italien nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Bruch gegenüber dem Mittelalter weder in der Baukunst noch in der Stellung des Architekten beobachten (8).
Die Fixierung auf Künstlernamen wird im 19. Jahrhundert zu einem besonders identitätsstiftenden Teil der lokalen Tradition, es werden Vorstellungen von Aufgaben der Baumeister und damit "Baumeisterbilder" konstruiert (258). Das Interesse galt primär der Persönlichkeiten und der Biografie des jeweiligen Baumeisters, weniger dem Zusammenwirken der am Bau beteiligten Personen und / oder den Auftraggebern. Diese Bilder werden teilweise bis heute tradiert. Vollständig ausgeblendet wird die eigentliche Bauverwaltung, die in den einzelnen landesherrlichen Territorien zum einen noch nicht in dem erforderlichen Maße institutionalisiert und durchorganisiert war und zum anderen nicht unmittelbar auf ein anderes geografisches Gebiet übertragbar ist. Auf diesem Wege haben in der Forschung einige (wenige) Namen ihren festen Platz gefunden, der wie z. B. bei Elias Holl und Augsburg in einem "Personenkult" endete (213-236).
Dieser Personenkult wurde vorangetrieben und wird heute noch gestützt durch Fehlinterpretationen des Quellenmaterials und - dadurch bedingt - durch vage Zuschreibungen, vereinzelte Anzeichen einer (populärwissenschaftlichen) Mythenbildung, oder wie das Beispiel Konrad Krebs und Schloss Hartenfels (48) zeigt, durch die Tendenz zur Glorifizierung sowie mangelnder Abgrenzung einzelner Themenbereiche durch die kunsthistorische Forschung. Zu den immer wieder zu beobachtenden Fehlern zählt die unreflektierte Übertragung heute gebräuchlicher Begrifflichkeiten auf das 16. Jahrhundert. So lässt beispielsweise nicht nur im Falle Hieronymus Lotter der Titel "Baumeister" keinen Rückschluss auf die Autorschaft einzelner Entwürfe zu (88); der Titel kann stehen für "fürstlicher Bauorganisator", aber auch für Lotters Funktion als "städtischer Bauherr" (106) und damit für einzelne Stationen in dessen Biografie.
Trotz der qualitativen Unterschiedlichkeit der einzelnen Aufsätze belegen sie einmal mehr, dass die heutige Forschung sich nicht auf bestimmte Namen oder gar Berufsbezeichnungen fixieren darf. Spekulative Zuschreibungen, aber auch ein emotionales Verhältnis zu einem namentlich bekannten Künstler führte in der Vergangenheit zu verzerrten Wahrnehmungen und teilweise zur Überschätzung der Einzelleistungen. Diese gilt es in Zukunft zu verifizieren. In vielen Fällen ist aber auch heute noch unklar, welche Tätigkeiten (inklusive Rechte und Pflichten) eine bestimmte Berufsgruppe ausübte bzw. wo es zwischen Berufsgruppen fließende Übergänge gab.
Zweifelsfrei liegt ein großer Verdienst dieses Sammelbandes in der Aufarbeitung und Darstellung der jeweiligen Forschungsbibliografie und der zahlreichen individuellen Ansätze bzw. Hinweise, in welcher Richtung weiter geforscht werden sollte. Dies wird unterstützt durch die flankierenden Texte des Herausgebers. Allerdings gereicht es einigen Aufsätzen eher zum Nachteil, dass das vorhandene Quellenmaterial bereits umfassend publiziert ist. Hier wäre es nützlich gewesen, den Kontext stärker ins Blickfeld zu rücken, in dem die Quellen abgelegt / archiviert sind.
Edith Ulferts