Konrad Eisenbichler (ed.): The Cultural World of Eleonora di Toledo. Duchess of Florence and Siena, Aldershot: Ashgate 2004, xiii + 279 S., 40 s/w-Abb., ISBN 978-0-7546-3774-5, GBP 50,00
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Nach einigen, vor allem seitens der Kunstgeschichte vorgelegten Einzeluntersuchungen zu Eleonora von Toledo (1522-1562) liegt nun ein Aufsatzband vor, der eine breitere Perspektive wählt und die historische Person mit ihrem kulturellen Umfeld zu erfassen sucht. [1] Konrad Eisenbichler hat Beiträge von zehn ausgewiesenen Fachleuten aus unterschiedlichen Disziplinen zusammengeführt - in der Hoffnung, "[that] they will shed a more subtle, more profound light on what was, without doubt, a very complex and capable woman" (9).
Dem Herausgeber ist es gelungen, die übliche Heterogenität eines Sammelbandes weitgehend zu vermeiden. Stattdessen präsentiert Eisenbichler eine sinnfällige Reihung von Aufsätzen, die er mit Fug und Recht "chapters" nennt, die aber auch durchaus für sich stehen und gelesen werden können. Die zehn Kapitel sind chronologisch angeordnet und über einzelne Objekte, Motive und Gedanken auch inhaltlich gut miteinander verknüpft. Zunächst werden die Hochzeitsfeierlichkeiten anlässlich der Verbindung Eleonoras mit Herzog Cosimo I de' Medici in Florenz 1539 auf ihre politische Dimension befragt. Daran schließen neue Überlegungen zu dem berühmten Staatsporträt Eleonoras mit ihrem Sohn Giovanni (Bronzino, 1545, Uffizien) und zur staatstragenden Bedeutung der abundantia-Thematik in ihrer persönlichen Repräsentation an. In mehreren Beiträgen werden Anlage und Ausstattung des Appartements und der Kapelle Eleonoras im Palazzo Vecchio vorgestellt. Ihrer Förderung der Jesuiten in Florenz, ihrem Grabgewand und der Entwicklung ihrer postumen Memoria gelten die letzten drei Aufsätze. Die Bedeutung der Herzogin für die Entwicklung der literarischen Szene von Florenz kommt leider im gesamten Band kaum zur Sprache.
In fast allen Beiträgen geht es um die öffentliche Person, also um die Inszenierung Eleonoras im Kontext der wieder erstarkten Medici-Herrschaft in Florenz beziehungsweise um ihre Rolle als Stifterin religiöser Einrichtungen vor Ort. Wiederholt wird deutlich, dass die spanische Herkunft der Herzogin, deren Vater Don Pedro von Toledo 1534 von Kaiser Karl V. zum Vizekönig von Neapel ernannt worden war, ein wesentliches Merkmal ihrer Repräsentation und Wahrnehmung in Florenz war und wohl auch Auswirkungen auf ihre persönliches Handeln hatte. Die Demonstration von Differenz und Eigenständigkeit, die der Rekurs auf "das Spanische" impliziert, wird in vielen Kapiteln angesprochen, erstaunlicherweise aber nicht als politische Strategie gedeutet. Dabei zeigt ein Blick zum Beispiel auf die Selbstinszenierung der ausländischen Regentinnen im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts, dass die Akzentuierung der eigenen dynastischen Herkunft ein probates Mittel weiblicher Machtausübung "in der Fremde" sein konnte [3] - ein Mittel, dessen Mechanismen für den Fall Eleonoras von Toledo eventuell noch weiter aufzuschlüsseln wären. Während Eisenbichler angesichts der engen Verknüpfung von künstlerischer Produktion und fürstlicher Inszenierung unter Cosimo I. von den "cultural politics" des Herzogs spricht [4], scheint er für dessen Gemahlin keine kulturpolitische Agenda anzunehmen. Hier gäbe es aber durchaus noch Diskussionsbedarf.
Vor allem die beiden Beiträge von Robert W. Gaston und Chiara Franceschini machen den ambivalenten Umgang Eleonoras mit ihrer spanischen Herkunft und die Schwierigkeiten einer angemessenen Bewertung deutlich. Gaston präsentiert die 1541 bis 1553 von Agnolo Bronzino mit einem Freskenprogramm ausgestattete Privatkapelle der Herzogin im Florentiner Palazzo Vecchio als Manifestation eines kulturellen Gedächtnisses der Spanierin. Eleonoras christliche Erziehung und die in ihrer Heimat gepflegte Devotionspraxis bestimmten demnach maßgeblich das ikonografische Programm des Andachtsraumes. Gaston betont die innige Beziehung der Herzogin zu ihrem Vater, dessen ultrakatholischer Linie sie zeit ihres Lebens gefolgt sei, und identifiziert eine kniende Rückenfigur im Wandfresko der "Überquerung des Roten Meeres" als Darstellung Don Pedros von Toledo. Diese Deutung, die mit einem Verweis auf angeblich nur für spanische Grabmäler typische Betfiguren untermauert wird, will nicht so recht überzeugen. Doch bleibt die Idee spannend, die Palastkapelle als einen Ort der privaten Andacht und zugleich der Rückbesinnung auf die eigene Herkunft zu betrachten.
Franceschinis Aufsatz eruiert das Verhältnis Eleonoras zu den Jesuiten und ihre Rolle bei der Ansiedlung des jungen spanischen Ordens in Florenz. Ganz offensichtlich waren ihre Herkunft und ihr Hochhalten spanischer Sprache, Devotion und Kultur auch am Florentiner Hof entscheidend für die vermittelnde Rolle, die ihr seitens der jesuitischen Emissäre angetragen wurde. Es gelang ihr, das offenbar vorhandene Misstrauen Cosimos zu vertreiben und 1553 seine Zustimmung zu einer Niederlassung des Ordens auch in Florenz zu erreichen. Bei dieser Intervention scheint es Eleonora, wie Franceschini eher beiläufig herausstellt (194), weniger um die von den Jesuiten propagierte religiöse Praxis gegangen zu sein als um die fortgesetzte Anwesenheit durch ihre Protektion zu Einfluss gelangter Ordensmitglieder in Florenz. Hier deutet sich ein Machtbewusstsein der Herzogin an, das mehr Aufmerksamkeit verdiente.
Einzig Pamela J. Bensons Aufsatz widmet sich dezidiert und programmatisch der Rolle, die Eleonora von Toledo selbst beim Entwurf ihrer öffentlichen Identität(en) gespielt haben könnte. Die Autorin beobachtet einen Imagewechsel um das Jahr 1560, als, so Benson, die positive Inszenierung aktiver weiblicher Regentschaft die zuvor zelebrierten Tugenden der Herzogin - Fruchtbarkeit, Frömmigkeit, Fürsorge und eheliche Treue - in den Hintergrund treten ließ. Sie macht dies an der Gestaltung von Eleonoras Gemächern im Palazzo Vecchio fest, wo in den frühen 1560er-Jahren vier Räume mit Fresken und Tapisserien zum Thema der donne famose ausgestattet wurden. Die Darstellungen ausgewählter Frauenfiguren - Hersilia, Esther, Penelope und Gualdrada - akzentuieren die Selbstverständlichkeit und Öffentlichkeit weiblicher Machtausübung. Eleonoras Herrschaft steht in dieser Tradition, und Benson macht glaubhaft, dass das Raumprogramm nicht nur, von Vasari und anderen Beratern, an die Herzogin herangetragen, sondern von ihr auch so gewollt und aktiv mitgestaltet wurde. Besonders aufschlussreich ist die Wahl der Gualdrada, also einer Florentiner Heldin. Eleonora behauptete demnach eine patriotische Verbundenheit mit ihrer Wahlheimat, die der geläufigen Wahrnehmung ihrer Person als Florenz latent feindlich gesinnter Spanierin widersprach. Ärgerlicherweise enthalten weder Bensons Beitrag noch die ebenfalls die donne famose diskutierenden Aufsätze von Ilaria Hoppe und Paola Tinagli Abbildungen von diesen Räumen im Palazzo Vecchio.
Einen spannenden Überblick über das Nachleben Eleonoras liefert Janet Cox-Rearick. Neben den Umständen des Begräbnisses in San Lorenzo im Dezember 1562 und den testamentarischen Verfügungen der Herzogin schildert sie die Entstehungs- und Funktionszusammenhänge postumer Bildnisse. Dabei wird deutlich, dass Eleonora in erster Linie als Gemahlin Cosimos erinnert wurde, ihr Porträt also neben dem seinen in genealogischen Repräsentationen der Medici Platz fand. Das ist weniger erstaunlich, als es Cox-Rearicks vorwurfsvoller Unterton nahe legt. Interessant ist die 1613 bis 1621 im Auftrag Don Antonios de' Medici entstandene und leider nur noch in Zeichnungen überlieferte Serie von sechs Wandbehängen, die berühmte Medici-Frauen vorstellte. Eleonora von Toledo war die erste in dieser Reihe von textilen Bildnissen, fungierte also als Gründerin einer neuen Tradition von donne famose.
Für dieses wie für viele andere Porträts Eleonoras von Toledo diente das frühe Mutter-Sohn-Bildnis Bronzinos als Vorlage. Der ikonische Status der Herzogin basiert maßgeblich auf diesem hieratisch anmutenden Staatsporträt, das Gabrielle Langdon zu Recht mit dem petrarkistischen Liebesdiskurs in Verbindung bringt. Seine Mobilität und Beharrlichkeit kennzeichnen eine besondere und als solches problematische Art von Memoria, die es Leonardos "Mona Lisa" verwandt macht. Umso wichtiger ist es, dass der vorliegende Band den Blickwinkel weitet und damit ein gutes Fundament für die weitere Beschäftigung mit Eleonora von Toledo legt.
Anmerkungen:
[1] Vgl. insbesondere: Bruce Edelstein: The Early Patronage of Eleonora di Toledo: the Camera Verde and its Dependencies in the Palazzo Vecchio, Boston: Harvard University 1995; Janet Cox-Rearick: Bronzino's Chapel of Eleonora di Toledo in the Palazzo Vecchio, Berkeley / London: University of California Press 1993. Leider liefert der Herausgeber keinen Überblick über den aktuellen Stand der kunsthistorischen Forschung. Ein solcher ließe sich mühsam aus den Literaturverzeichnissen zu den einzelnen Kapiteln zusammentragen, die natürlich zahlreiche redundante Angaben aufweisen.
[2] Eine moderne Monografie zu Eleonora von Toledo steht auch weiterhin aus. Die letzte Biografie stammt von Anna Baia: Leonora di Toledo, Duchessa di Firenze e di Siena, Todi: Z. Fogliette 1907.
[3] Vgl. Andreas Tönnesmann: Pariser Witwensitze. Zur architektonischen Repräsentation von Frauen in der Frühen Neuzeit, in: Anne-Marie Bonnet / Barbara Schellewald (Hg.): Frauen in der Frühen Neuzeit. Lebensentwürfe in Kunst und Literatur, Köln: Böhlau 2004, 189-211.
[4] Bereits 2001 erschien der ebenfalls von Konrad Eisenbichler herausgegebene Komplementärband "The Cultural Politics of Duke Cosimo I de' Medici" (Aldershot: Ashgate). Vgl. die Rezension von Matthias Oberli, in: sehepunkte 2 (2002), Nr 10 [15.10.2002], URL: http://www.sehepunkte.de/2002/10/2193.html
Sigrid Ruby