Tobias Schmuck: Strukturelle Krisen der frühen englischen Stuart-Herrschaft. Chancen und Grenzen der Herrschaftsausübung (= Mainzer Studien zur Neueren Geschichte; Bd. 13), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2005, 294 S., ISBN 978-3-631-53673-5, EUR 51,50
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Das vorliegende Werk ist aus einer Mainzer Magisterarbeiter respektive einer Staatsexamensarbeit mit verwandtem Thema hervorgegangen. Der Verfasser schildert in breiter Perspektive die Geschichte der Stuart-Monarchie zwischen 1603 und 1642, wirft aber auch einen Blick auf den Bürgerkrieg selber. Besonders betont werden dabei zentrale Konfliktzonen der Politik, etwa die konkurrierenden staatsrechtlichen Deutungen der Position der Monarchen, die Außenpolitik, die Kirchenpolitik und die Beziehungen zwischen Krone und Parlament. All das ist durchweg recht kompetent auf der Basis der älteren und neueren Forschungsliteratur dargestellt, geht allerdings kaum je über das weithin Bekannte hinaus, obwohl der Verfasser punktuell durchaus die in Deutschland zugänglichen Quellen herangezogen hat, und etwa staatstheoretische Grundsatzkonflikte, wie sie auch in politischen Predigten deutlich wurden, eingehender analysiert. Schwächen entdeckt man gelegentlich dort, wo gravierende Forschungskontroversen ein eindeutiges Urteil erschweren, etwa in der Einordnung der anti-calvinistischen Bewegung in der englischen Kirche als Arminianismus, was einen engen Bezug zum Streit um die Prädestinationslehre suggeriert. Auch wird die Sprengkraft zumindest der religiösen Gegensätze unterschätzt, wenn Schmuck meint, im Bürgerkrieg sei es eigentlich nur um die Sicherung alter Recht gegangen, so richtig es auch ist, dass ein theoretisch fundierter Republikanismus in England im Wesentlichen erst nach der Hinrichtung des Königs im Jahr 1649 entstand.
In der Arbeit fehlen recht weite Themenbereiche, deren Behandlung man erwartet hätte, wenn es um eine umfassende Darstellung der politischen Geschichte Englands in dieser Zeit ginge, wie es die Gesamtanlage des Buches eigentlich erwarten lässt. So werden Hofhaltung und Hofkultur weitgehend ausgeblendet, wenn man von der irreführenden Behauptung absieht (S. 69f.) Karl I. habe für seinen Hof eher noch mehr ausgegeben als sein Vorgänger, und die Finanzprobleme der Stuart-Monarchie werden eher en passant behandelt. Das Gleiche gilt auch für die besonderen Probleme, die sich nach 1603 aus der Aufgabe ergaben, zugleich drei konfessionell und in ihrer Rechtstradition sehr unterschiedliche Königreiche, nämlich England, Irland und Schottland, zu beherrschen. Das "britische Problem" spielt bei Schmuck, auch wenn es nicht ganz ignoriert wird, eher eine marginale Rolle. Das alles wäre nicht weiter zu tadeln, hätte der Autor sich per se stärker eingeschränkt, indem er sich z.B. nur die Kirchenpolitik zum Thema gewählt hätte. So hingegen bleibt der Eindruck einer allzu ehrgeizigen Gesamtdarstellung, die noch dazu in manchen Urteilen einseitig ist. Wenn es etwa heißt, das Common Law sei von den englischen Juristen von Anfang an konstruiert worden, um ein Gegengewicht zur Prärogativgewalt der Krone zu bilden, so ist dies eine Deutung, die sich zu sehr am Werk Sir Edward Coke's orientiert und andere Juristen wie Sir John Davies, die die Stärke der Prärogativgewalt gerade aus dem Common Law ableiteten, ignoriert. Richtig ist sicherlich, dass die Theorie einer von jeher bestehenden Ancient Constitution dazu dienen konnte, Eingriffe des Königs abzuwehren. Andererseits ging der Grundgedanke, das Common Law bilde ein geschlossenes, auf die Geschichte und die Vernunft der Erfahrung gegründetes Rechtssystem mit einer inneren Logik, die eine Systematisierung der unterschiedlichen Einzelnormen erlaube, in seiner Reichweite deutlich über den potenziellen Konflikt zwischen Krone und dem High Court of Parliament, der sich seit der Jahrhundertwende abzeichnete, hinaus. Hier ging es vielmehr darum, die gerade im späten 16. Jahrhundert angesichts neuer juristischer Herausforderungen auch im privatrechtlichen Bereich immer deutlicher werdenden Schwächen des Common Law zu kompensieren und zu verdecken, zum Teil auch im Sinne eines stärker systematischen Zugriffes - der dennoch den offenen Rückgriff auf das römische Recht vermied - zu überwinden. Im römischen und im kanonischen Recht, auch in der Equity des Court of Chancery, wurden sicherlich konkurrierende Systeme gesehen, deren Verfechter es galt abzuwehren, die Autorität der Krone hingegen wurde von vielen Common Lawyers nachhaltig verteidigt. Dieser Punkt sei hier aber nicht vertieft.
Insgesamt bleibt der Eindruck, dass man es hier mit einer gelungenen Magisterarbeit zu tun hat, die als Buch nicht mehr ganz in gleicher Weise zu überzeugen vermag, auch weil die Studie letztlich zu breit angelegt ist. Freilich, wer würde auch für eine Epoche der deutschen Geschichte ein so breit angelegtes Thema als Magisterarbeit vergeben? Das geschieht eben doch nur, wenn es um historische Bereiche geht, die in Deutschland letztlich immer noch unter den Exotika firmieren, und dazu scheint an vielen deutschen Universitäten die britische Geschichte der frühen Neuzeit durchaus noch zu zählen.
Ronald G. Asch